Dunkler als die Nacht
- Heyne
- Erschienen: Januar 2001
- 5
- München: Heyne, 2001, Seiten: 463, Übersetzt: Sepp Leeb
- München: Heyne, 2002, Seiten: 463
- München: Heyne, 2008, Seiten: 463
- München: Heyne, 2009, Seiten: 463
- Frechen: Delta Music, 2007, Seiten: 6, Übersetzt: Engelbert von Nordhausen
Ein feines Gespür für Rhythmus
Die bizarre Bilderwelt des Hieronymus Bosch gibt die entscheidenden Hinweise zur Aufklärung eines Mordes in Los Angeles. Diesmal arbeiten M. Connellys zwei Oberschnüffler Harry Bosch und Terry McCaleb zusammen an einem Fall, der ihnen beiden das Genick brechen könnte.
Harry Bosch, den Connelly-Leser schon aus mehreren Romanen kennen, soll diesmal als Hauptfigur der Anklagein einem gerichtsverfahren gegen den allseits bekannten Hollywood-Regisseur David Storey aussagen, der sich für unantastbar hält. Das Medieninteresse ist entsprechend groß. Storey soll im Sexrausch eine junge Schauspielerin umgebracht und ihren Tod anschließend als Selbstmord inszeniert haben. Storey wichtigster Helfer ist ein bulliger Ex-Polizist namens Rudy Tafero, der im Hintergrund gegen Bosch und McCaleb agiert.
Terry McCaleb, der Experte für Serienmorde und ehemaliger FBI-Angehöriger, lebt nun mit seiner Familie auf der friedlichen Insel Catalina vor L.A., als eines Tages die Polizistin Jaye Winston bei ihm auftaucht, um ihn um beratenden Beistand bei einem ganz anderen Mord zu bitten. Der saufende Tunichtgut Edward Gunn wurde in einem Ritualmord getötet, bei dem Symbole und Bildinschriften von Hieronymus Bosch eine entscheidende Rolle spielten. Doch warum musste Gunn überhaupt sterben?
Ganz einfach: Harry Bosch trägt den gleichen Namen wie der flämische Maler, der eigentlich Jerome (="" Hieronymus) van Aiken hieß, sich aber nach seiner Heimatstadt t´Hertogenbosch Hieronymus Bosch nannte. Wie es der Täter geplant hat, fällt McCalebs Verdacht nach einer Weile auf Harry Bosch selbst, seinen Kollegen. Und sobald an die Medien durchsickern sollte, dass Bosch unter Mordverdacht steht, ist seine Aussage gegen David Storey keinen Pfifferling mehr wert.
Zum Glück kann Bosch McCaleb von seiner Unschuld überzeugen - was wäre auch das Motiv gewesen? Gemeinsam bemühen sie sich, die Verbindungen zwischen den zwei Mordfällen aufzudecken. Und als McCaleb jemandem bei seinen Ermittlungen zu heftig auf die Zehen tritt, ist Bosch gefragt, um ihm in letzter Sekunde das Leben zu retten.
Das wichtigste Bild von Bosch im Roman ist "Der Garten der Lüste", das heute im Madrider Prado hängt - ein riesiges Triptychon, das den Garten Eden, die Welt und die Hölle zeigt. Darauf sind mehrere Symbole für das Böse zu sehen, Eulen beispielsweise. Connelly zeiht eine deutliche Parallele zwischen den Zuständen im Moloch L.A. und der Darstellung der Welt durch Hieronymus Bosch.
Diese Korrespondenz mag zunächst etwas platt erscheinen, aber es für einen amerikanischen Thriller doch recht ungewöhnlich, Kunstwerke als Indiziengeber einzusetzen, zumal europäische. Übrigens heißt Connellys eigene Firma Hieronymus Incorporated.
Der Titel bezieht sich auf die Dunkelheit, mit der die Hölle gemalt ist: "a darkness more than night" sagt einer der Restauratoren in L.A., der an einem Bosch arbeitet. Es ist die Dunkelheit der Verzweiflung und Verdammnis, darf man annehmen.
Übrigens ist von dem deutschen Autor Peter Dempf soeben ein kunsthistorischer Krimi zu eben dem Bild "Garten der Lüste" erschienen (bei Goldmann): "Das Geheimnis des Hieronymus Bosch". Das Taschenbuch enthält eine gute Reproduktion des Gemäldes im Prado. Für Details allerdings benötigt man eine Lupe.
Man merkt es dem spannenden und kunstvoll konstruierten Thriller durchweg an, dass Connelly jahrelang als Polizeireporter in L.A. gearbeitet hat. Nicht nur vermag der Autor Schauplätze und Menschen genau zu charakterisieren, kennt die Methoden der Schnüffler wie auch der Verbrecher.
Er kann auch das zentrale Gerichtsverfahren, das den Roten Faden liefert, minuziös nachzeichnen und als politischen Schauplatz verständlich machen. Allerdings vermittelt er in der Mitte des Buches dabei den Eindruck, ein Gerichtsdrama zu liefern. Das legt sich zum Glück wieder, so dass der Showdown den Leser wirklich fesseln kann.
Mit Bosch und McCaleb tauchen zwei Figuren Connellys auf, deren Innenleben laufend erklärt wird. Leser, die schon die vorzüglichen Romane Schwarze Engel ,Der Poet undDas zweite Herz gelesen haben, werden die beiden Figuren, besonders McCaleb weitaus besser verstehen, als es der Autor in "Dunkler als die Nacht" ermöglicht. "Dunkler als die Nacht" kam mir auch ein wenig kürzer vor als etwa "Zweites Herz".
"Dunkler als die Nacht " bedient nicht so stark voyeuristische Instinkte wie etwa Thomas Harris mit seinen Hannobal-Romanen. Wir werfen dennoch auf grausige Szenen, die aus dem Serienkillerfilm "Sieben" stammen könnten - nichts für zarte Nerven. Vielmehr richtet Connelly unser Augenmerk auf ganz normale Schnüffelarbeit bei Dutzenden von Zeugen an zahlreichen Orten. Erst hierdurch wird die Stadt L.A. als Organismus lebendig und erlebbar, manchmal auch mit komischen Untertönen. Der Autor zeigt wie schon zuvor ein feines Gespür für Rhythmus: Solche heiteren Momente wechseln sich stets mit Hochspannung ab.
Die Übersetzung von Sepp Leeb ist gewohnt gut, doch ein wenig erstaunt das Titelbild: Da sitzt eine schwarze Krähe wie von Hitchcock auf einer Holzkugel. Im Buch hingegen ist ständig von Eulen als Verkörperungen des Bösen die Rede. Der grund für die Wahl der Krähe dürfte darin zu suchen sein, dass Eulen heute als Symbol der Weisheit ("Eulen nach Athen tragen") gelten, Krähen aber nun deren üblen Ruf geerbt haben.
Michael Connelly, Heyne
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