Das grüne Meer der Finsternis
- Lübbe
- Erschienen: Januar 2001
- 2
- Porto: Asa, 1992, Titel: 'As duas águas do mar', Seiten: 363, Originalsprache
- Bergisch Gladbach: Lübbe, 2001, Seiten: 411, Übersetzt: Sabine Müller-Nordhoff
- Bergisch Gladbach: BLT, 2003
Gepflegte Langeweile
Ein brandheißer Tipp für alle, die sich für das Seelenleben zweier Kommissare in den Wechseljahren (sofern es so was beim Mann gibt) interessieren. Alle, die immer schon mal wissen wollten, wie ein Mittvierziger über die Ratschläge seines Arztes denkt, werden sich an diesem Roman ergötzen. Diejenigen, die sich für Gespräche mit einem Bestatter über Form und Ausstattung eines Sarges erwärmen können, werden begeistert sein. Wer mit Leidenschaft und Begeisterung die Länge seiner Zigarren mit dem Lineal nachmisst, findet Seelenverwandte. Wer einen Kochkurs benötigt, kann seitenlange Traktate über die Raffinesse, geheimste Geheimtipps und Erkenntnisse eines Hobbykochs finden. Und natürlich spielt die Liebe eine Rolle, die unglückliche, unerfüllte, unberechenbare, unbesiegbare, unerklärliche, unheilvolle Liebe und Leidenschaft, die die Seele des Portugiesen an sich wohl schon immer ummantelte. Für alle, die einen guten Krimi lesen wollen, sei jedoch der Rat angebracht, um dieses Buch einen großen Bogen zu machen.
Zwei Kommissare, zwei Morde, ein Fall
Kommissar Ramos vom Festland macht Urlaub bei seinem Freund Kommissar Castanheiro auf den Azoren. Als der Urlaub beendet ist, werden beide unabhängig voneinander mit einer Leiche konfrontiert. Auf den Azoren liegt eine junge Frau am Strand, die sich umgebracht haben könnte, in Porto muss Ramos den Tod eines Anwalts untersuchen, der zwar an der galizischen Küste in Spanien tot aufgefunden wurde, jedoch als ehemaliger Geheimagent ein delikates Mordopfer abgibt. Es zeigt sich recht bald, dass die beiden wohl eine innige, aber letztlich gescheiterte Beziehung verband und urplötzlich ermitteln die beiden Kommissare am gleichen Fall.
Gähn!
Selten so viel Langeweile in einem Buch erlebt. Vom ersten Kapitel an herrscht Schwermut. Erdrückende, luftabwürgende, depressiv stimmende Melancholie. Nach etwa zwanzig Seiten stellte ich mir erstmals die Frage, ob ich dieses Buch allen Ernstes weiter lesen sollte. Ich tat es und musste leiden. Urplötzlich schildert einer der Kommissare seine Hingabe beim kochen des Abendessens (über 6 Seiten!) für seine angebetete Freundin, um am Ende zu erkennen, dass ihre Liebe zu schwach ist und nicht mehr hält. Sie wird nicht zu diesem Mahl kommen. Dann wieder ein wenig Handlung, bevor es um die Gesundheit geht. Darauf ein Kapitel lang ein Brief an den Vater, in dem einer der Kommissare sein Seelenleben beschreibt und das, was er am Vater immer so schätzte. Ach ja, zwischendurch wird die erste Leiche gefunden.
Es ist immer wieder dasselbe. Es gibt einzelne kurze Situationen, in denen die Geschichte gemächlich vorangetrieben wird. Unangenehm lange werden diese Sequenzen aber von irgendwelchen Gedankengängen unterbrochen, die mit den beiden Fällen nun aber auch wirklich herzlich wenig zu tun haben. Im zweiten Teil wird das ein ganz kleines bisschen besser, aber auch hier schafft es der Autor immer wieder, Dialoge abwandern zu lassen, Gesprächsthemen auf Nichtigkeiten zu lenken und so das Einschlafpotenzial seiner Leser kräftig zu steigern. Die Lösung des Falles ist letztlich - milde ausgedrückt - ein wenig gewagt.
Drama, Tragödie, Fado?
Vielleicht sollte man den Roman aber nicht allzu sehr als Kriminalroman nehmen. Vielleicht ist er vielmehr als Elegie auf die Liebe, das Leben und alles Vergängliche zu verstehen, unterbrochen von der tragischen Geschichte des gleichzeitigen Todes eines Paares, das nicht zusammen sein durfte. Sind eventuell Ramos und Castanheiro nur die Randfiguren in einem Drama, das mehr in der Welt der Gefühle als in der tatsächlichen Welt spielt. Wenn man den Roman mit der Erwartung von Tragik, Trauer und Tragödie angeht, mag man an Viegas Werk durchaus Gefallen finden können. Ganz offenbar handelt es sich um Buch gewordenen Fado, jene melancholische Musik, die angeblich die portugiesische Seele färbt. Mag sein, dass Viegas Leser findet, die sein Schreibstil, diese kultivierte Langeweile, anspricht.
Für Krimifreunde ist das Buch jedoch - und daher rührt auch die Wertung - eher ungeeignet.
Francisco José Viegas, Lübbe
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