Ein Gespür für Mord
- Knaur
- Erschienen: Januar 2005
- 9
- München: Knaur, 2005, Seiten: 288, Originalsprache
Eine Auflösung wie von einem alten Krimihasen
"Daryl Simmons' 1. Fall" prangt auf dem Titel von Alex Winters Debütroman. Dem gegenüber mutet es schon etwas seltsam an, dass das Buch mit dem Kündigungsschreiben des Protagonisten beginnt. Detective Simmons arbeitet bei der Kriminalpolizei in Perth, doch ist er kein Kind der Großstadt, sondern stammt aus dem Outback, dem dünn besiedelten Landesinneren Australiens. Und dorthin möchte er auch zurück in den einfachen Polizeidienst, weil er sich dort einfach wohler fühlt. Nun ist Simmons aber ein hervorragender Mordermittler und deshalb sein Vorgesetzter, der in der Abteilung als Choleriker gefürchtete Chefinspector Garratt, von diesem Kündigungsschreiben alles andere als angetan. Also macht Garratt ihm den "Vorschlag", - der eher wie ein Befehl klingt - erst mal vier Wochen Urlaub zu nehmen. Bei seinem Freund Martin Barrow, einem Viehzüchter in den Kimberleys im Nordwesten Australiens dürfte er sich sicher wohlfühlen. Ganz zufällig ist dessen Hubschrauberpilot und Vorarbeiter gerade verschwunden, da könnte Simmons in seinem Zwangsurlaub doch das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden, seinem Hobby Hubschrauberfliegen nachgehen und sich nebenbei mal mit dem Fall befassen.
Inkognito heuert Simmons als Stockman, wie die Cowboys in Australien genannt werden, an. Da er bei den Aborigines aufgewachsen ist, besitzt Simmons viele Talente. So schindet er zum Beispiel beim Rodeoreiten Eindruck bei den meist eingeborenen Kollegen.
Ausgewogene Mischung bei den Ermittlungsmethoden
Ein Mythos umgibt das Verschwinden des Vorarbeiters. Das große einäugige Krokodil soll den Mann am Billabong, einem von den Eingeborenen als heilig angesehen Wasserloch, getötet und aufgefressen haben. Dies erweist sich als nicht so falsch, denn kurze Zeit später wird der verstümmelte Rumpf eines Mannes gefunden, der sich in Baumstämmen verfangen hatte. Die Obduktion ergibt zwar, dass sich ein Krokodil an dem Körper gütlich getan hat, doch lässt sich noch feststellen, dass der Mann bereits vorher erwürgt wurde.
Schnell nimmt die Handlung an Fahrt auf und bleibt spannend bis zum Schluß. Mit einer Mischung aus moderner Kriminalistik und bei den Aborigines erlernter Spurensuche, gepaart mit psychischem Einfühlungsvermögen und viel Geduld erlangt Simmons stetig neue Erkenntnisse. Zeit spielt bei den Aborigines eine andere Rolle, und so überzieht Simmons unerlaubt seinen Urlaub, was Wutausbrüche seines Chefs zur Folge hat. Doch schon bald ist er überzeugt davon, den Täter zu kennen. Sein Problem besteht nur darin, wie er ihm den Mord nachweisen kann.
Geschrieben wie von einem Ureinwohner
Die Auflösung bringt Winter grandios wie ein routinierter Krimiautor. Nach und nach lenkt er den Verdacht gezielt auf eine Person, um dann eine Kehrtwendung zu nehmen und jegliche Indizien gegen diese Person wieder zu entkräften. So scheiden die Verdächtigen der Reihe nach aus, bis man sich plötzlich fragt, wer den nun eigentlich noch übrig sein kann.
Ebenso wie Daryl Simmons Ein Gespür für Mord beweist, so beweist dessen Erfinder Alex Winter ein "Gespür für die richtige Mischung". Logische Krimihandlung, Cowboy-Romantik, Action, eine ungewöhnliche Atmosphäre, spannende Fakten über die Aborigines mit ihren Stammestraditionen sowie eine zarte Liebesgeschichte bilden ein rundum gelungenes Debüt. Ich habe mich zwischenzeitlich dabei ertappt, wie ich nach dem Originaltitel des Romans gesucht habe, bis mir aufging, dass kein australischer Ureinwohner dieses Buch geschrieben hat, sondern ein weitgereister Schweizer.
Alex Winter, Knaur
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