Modesty Blaise - Die Klaue des Drachen
- Zsolnay
- Erschienen: Januar 1979
- 3
- London: Souvenir, 1978, Titel: 'Dragon´s Claw', Seiten: 318, Originalsprache
- Wien; Hamburg: Zsolnay, 1979, Titel: 'Die Lady fliegt auf Drachen', Seiten: 319, Übersetzt: Ilse Winger
- Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1981, Titel: 'Die Lady fliegt auf Drachen', Seiten: 262
- München: Goldmann, 1991, Titel: 'Die Lady fliegt auf Drachen', Seiten: 319
- Frechen: Delta Music, 2005, Seiten: 5, Übersetzt: Christina Vayhinger
Sex & Crime & Rock´n´Roll
1963 erschien in einer Londoner Zeitung ein Comic-Strip mit einer weiblichen Hauptfigur: "Modesty Blaise": Jung, intelligent, unabhängig, cool, sexy, genial, kampfstark.
Peter O´Donnell, ihr Schöpfer, konnte damals nicht ahnen, dass diese Serie fast vierzig Jahre andauern würde, in vielen Ländern und Übersetzungen. 1966 entstand ein Film, es gibt jede Menge Kurzgeschichten, Hörspiele, und schließlich 11 Romane (einer davon ist das vorliegende Buch). Modesty wurde zum Welterfolg und erlangte Kultstatus. Nicht zufällig liest in "Pulp Fiktion" John Travolta alias Vince Vega am Klo Modesty Blaise.
Vieles ist derzeit in Deutscher Sprache jedoch vergriffen. Der Unionsverlag startet mit "Die Klaue des Drachen" eine Neuausgabe der Romane in überarbeiteten Übersetzungen, zum 85. Geburtstag von Peter O´Donnell, der sich schriftstellerisch bereits zur Ruhe gesetzt hat.
Dragon´s Claw, die Dracheninsel, ist bewohnt von Erzbösewichten: Beauregard Brown, der zynisch - arrogante, tuntenhafte Orchideenzüchter, Clarissa, die ebenso rothaarige wie todbringende Nymphomanin, Reverend Uriah, das Schwert Gottes, ein schizophrener Paranoiker, und Dr. Feng, ein auf Gehirnwäsche spezialisierter Psychiater.
Gemeinsam entführen sie bekannte Persönlichkeiten aus dem Umfeld Kunst und Kultur und löschen ihr Erinnerungsvermögen. Offiziell gelten diese als vermisst oder tot.
Da gelingt dem Maler Lucian Fletcher die Flucht mit einem Boot, und wie es nun mal eben so ist, greift ihn die zufällig vorbeifahrende Modesty Blaise auf und erledigt dabei auch gleich einen ausgewachsenen Hai mit bloßen Händen. Natürlich wird das Ganze von den Schurken beobachtet, und das tödliche Spiel beginnt...
Die Vergangenheit von Modesty Blaise ist wahrscheinlich vielen bekannt: Sie war das Gehirn der Verbrecherorganisation "Das Netz", die sich vorwiegend mit Diebstahl beschäftigt hat und einen eigenen Nachrichtendienst unterhielt. In dieser Zeit lernte sie ihren späteren Freund und Kampfgenossen Willie Garvin kennen, den sie aus dem Gefängnis befreite.
Sie kam jedoch bewusst nie in Konflikt mit dem britischen Geheimdienst oder ihrer Loyalität zu England. So konnte sie später wiederholt ihre früheren Kontakte nutzen. Sie wurde reich und setzte sich zur Ruhe. Doch immer wieder war sie gezwungen, ihre Fähigkeiten in den Dienst der Verbrechensbekämpfung zu stellen (Zum langjährigen Vergnügen unzähliger Leser und Leserinnen).
"Gestatten, mein Name ist Blaise. Modesty Blaise"
Natürlich liegt ein Vergleich mit James Bond auf der Hand. Die Bösen sind böse, die Guten sind gut. Schwarz und weiß, weiß und schwarz. Und die Guten sind den Bösen am Ende um das entscheidende Quäntchen Genialität und Zufall voraus. Allzeit verlässlich. Das gibt einem ein gutes Gefühl. Nicht ob, sondern wie die Schurken erledigt werden ist hier die Frage.
Doch im Unterschied zu Bond sind Modesty und ihr Gefährte Willie keine Geheimagenten, keine Superhelden, sie müssen auch nicht die Welt retten, sondern lediglich Freunde, Unschuldige oder sich selbst. Der Kontakt zum brit. Geheimdienst beschränkt sich auf Informationen oder gelegentliche Hilfestellungen.
Peter O'Donnell bezeichnet sich selbst als Unterhalter, als Geschichtenerzähler ohne vordergründige Botschaft an die Leser. Der Zeitgeist der sechziger Jahre war bei ihm nie Mittel zum Zweck, trotzdem lässt sich dieser Einfluss auf die Figuren nicht leugnen. Auffällig ist etwa, wie frei und eigenständig die Frauen - nicht nur Modesty - bei O´Donnell mit ihrer Sexualität umgehen, für Gefühlsduseleien ist hier kein Platz. Er versteht es auch ausgezeichnet, die Handlung mit einer Prise Erotik zu würzen.
Die Sprache hat immer ein gewisses Niveau, sie nähert sich manchmal derjenigen der Comic-Strips, aber das bewirkt nur eine größere Glaubwürdigkeit. Modesty und Willie wirken in ihrer vordergründigen Unanfechtbarkeit manchmal künstlich, in ihrer Coolness etwas emotionslos. Das muss O´Donnell auch gespürt haben, denn hin und wieder genehmigt er seinen Helden kleine Momente von Unsicherheit, Zweifel oder Betriebsblindheit.
Die Spannung ist immer ausreichend, die Abenteuer phantasievoll erzählt, die Handlung ist abwechslungsreich, wobei man die Gesetze der Logik zum eigenen Vergnügen beiseite lassen sollte. Für britischen Humor ist ebenso Platz wie für den obligaten Showdown. Die fast dreihundert Seiten vergehen wie im Fluge.
Fazit: Eine gelungene Mischung a la "Sex & Crime & Rock´n´Roll". Für einschlägige Liebhaber sowieso ein absolutes "must have".
Peter O'Donnell, Zsolnay
Deine Meinung zu »Modesty Blaise - Die Klaue des Drachen«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!