Einer von hundert

  • HarperCollins
  • Erschienen: Januar 2004
  • 5
  • London: HarperCollins, 2004, Originalsprache
  • Berlin: Ullstein, 2006, Seiten: 458
Einer von hundert
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Jörg Kijanski
70°1001

Krimi-Couch Rezension vonFeb 2005

Ein reinrassiger Mainstream-Thriller mit Potenzial

Vor die Wahl gestellt, mühsam im Dunkeln herumzustochern oder aber zu hoffen, einfach bei Licht fündig zu werden, entscheiden sich neunundneunzig von hundert Menschen für das Licht. Die titelspendende Ausnahme ist Carson Ridgecliff, der Protagonist des durchweg gelungenen Debüts von Jack Kerley.

Carson Ridgecliff, Sohn eines sadistisch veranlagten Vaters und Bruder eines fünffachen Frauenmörders, hat mit seiner Vergangenheit abgeschlossen und bereits vor Jahren seinen Nachnamen in Ryder ändern lassen. Ryder kam als gelernter Psychologe zur Polizei und löste bereits den berühmten Adrian-Fall auf spektakuläre Weise, wenngleich nur mit Hilfe seines ungeliebten Bruders Jeremy, der ihm als "Fachmann" den entscheidenden Tip zur Überführung des Serienmörders gab.

Als in einem Park der Stadt Mobile eine kopflose Männerleiche gefunden wird, ist das Wissen von Ryder und seinem Partner Harry Nautilus gefragt. Die beiden bilden die neu gegründete Sondereinheit PSET - Psychopathologisches und Soziopathologisches Ermittlungsteam - der Mobiler Mordkommission, dort nur abfällig Piss-It genannt. Ryder und Nautilus haben es aber nicht nur mit einem cleveren Mörder zu tun, sondern vor allem mit ihrem karrierebesessenen Vorgesetzten Captain Squill. In Kürze geht Polizeipräsident Hyrum in Ruhestand und als Nachfolger stehen seine Vertreter Belvidere und Plackett zur Auswahl. Als die PSET gegründet wurde geschah dies mit Unterstützung von Belvidere und gegen den Willen von Plackett. Squill, der sich auf die Seite von Plackett geschlagen hat, hofft stellvertretender Polzeichef zu werden, sollte Plackett die anstehende Wahl gewinnen. Ein Erfolg der PSET ist daher in der gegenwärtigen Situation das Letzte, was Squill gebrauchen kann. Er entzieht kurzerhand Ryder und Nautilus den Fall, da wird eine zweite kopflose Männerleiche gefunden.

Zwischen den Opfern scheint es keinerlei Gemeinsamkeiten zu geben. Das erste Opfer war ein armer farbiger Stricher, das zweite Opfer ein weißer Geschäftsmann. Lediglich Alter und Körperbau bilden einen gemeinsamen Nenner.

Eigentlich hat Ryder mit der Lösung des Falles und seinen Differenzen mit Squill schon genug Probleme, aber ausgerechnet in dieser Situation lernt er die Pathologin Ava Davanelle kennen. Bei ihrem ersten privaten Treffen entdeckt Ryder, dass sie Alkoholikerin ist und versucht ihr mit Hilfe eines ehemaligen Kollegen zu helfen. Doch auch damit nicht genug: Sein Bruder Jeremy meldet sich aus dem Gefängnis in Ryders Leben zurück und bietet erneut seine Hilfe bei den Mordfällen an...

 

"Er ballte seine Fäuste, damit die Muskeln in seinen Unterarmen aufsprangen. Sie sahen aus wie Steaks, die unter seiner Haut einen Ringkampf machten."

 

Derart bildgewaltig ist das Debüt von Kerley glücklicherweise nicht immer und die Idee, dass der Ermittler einen Bruder hat, der - selbst ein verurteilter Serienmörder - ihm "beratend" zur Seite steht, ist zumindest originell. Überhaupt liest sich dieser reinrassige Mainstream-Thriller sehr flüssig. Die genreüblichen Regeln werden von Kerley mustergültig umgesetzt, die Handlung gleich auf drei Ebenen verteilt: Die Ermittlungsarbeit, die internen Machtkämpfe (Ryder/Squill) und die Beziehung zwischen Ryder und Davanelle.

Die erzählende Ich-Person Ryder sowie einige weitere Figuren werden von Kerley deutlich besser gezeichnet als in vielen vergleichbaren Romanen. Das Tempo ist eher gemächlich, denn so recht voran kommen die Ermittlungsarbeiten zunächst nicht; dafür entwickeln sich zunehmend die beiden anderen Handlungsstränge. Zahlreiche Zeugen werden befragt, viele potentiell Tatverdächtige aufgebaut und etliche falsche Fährten gelegt. Die Lösung des Falles ist akzeptabel, wenngleich die Chancen den Täter vorab zu erraten (mal wieder) eher gering sind.

Natürlich hat man diesen Roman so oder so ähnlich schon unzählige Male gelesen. Ein unbekannter Serienmörder, ein Polizist der sich in eine Frau verliebt, die - wie sollte es anders sein - vom Killer bedroht und vom Protagonisten in letzter Minute gerettet wird und abschließend ein Finale, dass auch James Bond zur Ehre reichen würde (Explosionen sind doch etwas Schönes...). Und dennoch stehen die Chancen trotz aller Klischees mehr als gut, dass sich Kerley hier ein Ermittler-Duo (Ryder/Nautilus) erschaffen hat, dass sich einer größeren Fangemeinde erschließen wird Für ein Debüt eine grundsolide Vorstellung!

Einer von hundert

Jack Kerley, HarperCollins

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