Die Frau im Beton
- Heyne
- Erschienen: Januar 1997
- 13
- Boston: Little, Brown, 1994, Titel: 'The concrete blonde', Seiten: 382, Originalsprache
- München: Heyne, 1997, Seiten: 428, Übersetzt: Norbert Puszkar
- Augsburg: Bechtermünz, 2000, Seiten: 429
- München: Heyne, 2005, Seiten: 429
- Frechen: Delta Music, 2006, Seiten: 5, Übersetzt: Karl-Heinz Tafel
Eine gut gemachte Mischung aus Gerichtsthriller und Cop-Krimi
"Wo stehste, Harry?"
Mit dieser Floskel begrüßt Jerry Edgar seinen Kollegen Harry Bosch, 43 Jahre alt, Detective bei der Los Angeles Police. Bosch lebt alleine, hat aber eine feste Freundin. Sylvia ist Lehrerin und die Witwe eines ehemaligen Kollgen von Bosch.
Detective Harry Bosch hat den "Puppenmacher" endlich erledigt, den Serienmörder, der elf Prostituierte getötet und die Gesichter seiner Opfer mit Make-up bemalt hat. Ganz alleine drang er in die Wohnung des Verdächtigen ein, weil er vermutete, dass dieser bereits sein nächstes Opfer bei sich hatte. Doch der Mann reagierte nicht auf Harrys Rufe, er griff nach etwas und ein Schuss aus der Pistole des Polizisten traf tödlich. Doch der Mörder Norman Church wollte gar nicht nach einer Waffe greifen, sondern nach seinem Toupet.
Vier Jahre danach beginnt der Bürgerrechtsprozess gegen Detective Harry Bosch. Er soll damals nicht korrekt gehandelt haben. Doch man wirft ihm nicht nur Verstösse gegen die Dienstverordnung und unrechtmäßigen Schusswaffengebrauch vor. Honey Chandler, die Anwältin von Churchs Witwe, behauptet, die vorgebrachten Beweise gegen Norman Church seien von Bosch manipuliert gewesen und Church in den Mordfällen unschuldig.
Dann erhält die Polizei einen Hinweis, dass im Betonfußboden eines abgebrannten Gebäudes eine Frauenleiche versteckt sei. Die gefundene Tote weist sämtliche Merkmale aus den Puppenmacher-Fällen auf. Ob die Leiche schon länger als vier Jahre dort begraben war, lässt sich anhand der Obduktion nicht ermitteln. Die Polizei gerät ins zweifeln, ob sie damals den richtigen Mann erwischt hat.
Nachdem man herausfindet, dass die Tote zuletzt vor zwei Jahren gesehen wurde, ist klar, dass der Mörder in diesem Fall nicht Church gewesen sein kann. Sollte sich Bosch wirklich so geirrt haben? Hatte der Mörder einen Komplizen? Oder handelt es sich um einen Nachahmungstäter?
Das erste, was ich von einem Buch lese, ist der Klappentext. Ein geradezu musterhaftes Beispiel von einem guten Klappentext liefert "Die Frau im Beton": "Ein gnadenloser Wettlauf mit der Zeit - ein außergewöhnlicher Gerichtsthriller!" - so die Schlagzeile, die Appetit machen soll. Danach zwei Sätze, die das zusammenfassen, was ich oben als Inhaltsangabe aufgeführt habe. Gut verständlich und Neugier weckend. Daß dies der Inhalt von nur zwanzig Seiten ist, verdeutlicht einerseits, dass der Roman von Anfang an spannend ist und lässt zum anderen noch einiges erwarten. Außerdem verrät er nicht zuviel von der Handlung.
So positiv einerseits der Klappentext ist, so negativ ist der deutsche Titel "Die Frau im Beton", worunter ich eher den reißerischen Titel eines Groschenromans vermute. Der Fairness halber aber sei erwähnt, dass der Originaltitel "The concrete blonde" in diesem Fall auch nicht viel besser ist.
Das Buch bietet zwar schon zu Beginn alle Grundlagen für einen guten Thriller, doch kommt es nur sehr langsam in Fahrt, nachdem gleich zu Anfang schon einiges an Pulver verschossen wurde.
Auch Klischees wirken störend. So ist die Spurensicherung wieder mal ein unfähiger Haufen, denn Harry Bosch braucht nur einen Blick auf die Fundstelle der Leiche zu werfen und findet eine übersehene Zigarettenschachtel.
Als gut aufgebaute Mischung zwischen Gerichtsthriller und Cop-Krimi kommt Connellys Werk daher. Sehr detailliert und trotz aller aus amerikanischen Gerichtsthrillern bekannten Formalismen spannend zu verfolgen ist die Gerichtsverhandlung. Sowohl Boschs unerfahrener und ziemlich unfähiger Anwalt Belk als auch die gerissene Honey Chandler, die Anwältin der Gegenseite werden sehr gut charakterisiert. Die Gespräche, die Bosch außerhalb des Gerichtssaals mit Chandler führt, bilden einen gelungenen Kontrast zur Verhandlung. Auch auf die sozialen Probleme in Los Angeles zwischen verschiedenen Rassen sowie zwischen Polizei und Bürgern geht der Autor sehr gut ein. Immer wieder erwähnt werden dabei die Rodney-King-Unruhen, durch deren Berichterstattung Connelly 1992 bekannt wurde. Die Einblicke, die man in die Pornoindustrie bekommt, sind mal etwas, was noch nicht so abgedroschen ist.
Der Leser hat zwar gegenüber den Ermittlern keinen Wissensvorsprung, da er immer an der Seite des Proitagonisten bleibt, kann sich jedoch schon vorab so einiges zusammenreimen. So wirkt es doch sehr unglaubhaft, dass Harry so einige neue Schlüsse aus den Details der Mordfälle plötzlich nach Jahren ziehen kann, die keinem der Ermittler damals in den Sinn gekommen waren.
Der Schreibstil ist nicht gerade berauschend, was aber auch an der Übersetzung liegen kann. Humorvolle Redewendungen wie "Er sah aus wie jemand, dessen Gehirnsynapsen Wackelkontakt hatten" kommen leider nur sehr sporadisch vor.
Etwas plump, wie Connelly aufgrund einzelner Indizien neue Verdächtige ins Spiel bringt und sich alle Cops dann auf diesen einen versteifen und sämtliche anderen Spuren außen vor lassen, bis sie sich auf dem Holzweg wiederfinden.
Fehlen darf natürlich auch nicht das Privatleben des Protagonisten. Die Beziehung zwischen ihm und seiner Freundin Sylvia ist im Umbruch begriffen. Beide haben noch immer getrennte Wohnungen. Harry will nicht ohne Sylvia leben, doch diese ist als Witwe eines Polizisten absolut unsicher, ob sie weiter ein solches Leben führen kann.
Eine gut gemachte Mischung aus Gerichtsthriller und Cop-Krimi, die nicht immer voll zu überzeugen weiß. Ein Plot nach altbekanntem Strickmuster, der nur sehr selten die höchste Spannungsebene erreicht.
Michael Connelly, Heyne
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