Butcher's Hill
- Rotbuch
- Erschienen: Januar 2005
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- New York: Avon, 1998, Titel: 'Butchers Hill', Seiten: 275, Originalsprache
- Hamburg: Rotbuch, 2005, Seiten: 322, Übersetzt: Ulrich Hoffmann
Pflegekinder, Adoptionen und der ganz normale Missbrauch
Dass es um die Sozialsysteme in den USA schlecht bestellt ist, ist wohl auch in Deutschland ein offenes Geheimnis. Für Tess Monaghan dauert es ein Weilchen, aber nach knapp 320 Seiten hat auch sie durchblickt, wie schwierig es allein erziehenden Müttern gemacht wird, wenn man deren staatliche Unterstützung mit der Pauschale für Pflegeeltern vergleicht. Und wenn nur an den richtigen Stellen geschraubt wird, dann lässt sich ein ganzes System mit spielerischer Leichtigkeit aushebeln. Kriminelle sind in solcher Beziehung sehr kreativ...
Die ersten Aufträge: Kinder suchen
Tess Monaghan hat in diesem dritten Roman den Schritt gewagt und ein eigenes Detektivbüro in Baltimores Stadtteil Butchers Hill eröffnet. Ihr erster Kunde ist Luther Beale, besser bekannt unter dem Spitznamen "Schlachter von Butchers Hill", da er vor 5 Jahren einen Jungen erschoss, der sein Auto demolierte. Luther will sein Gewissen erleichtern und den 4 Kindern, die Augenzeugen dieses Verbrechens waren, finanzielle Entschädigung zukommen lassen. Das Leben hat es mit den Jugendlichen jedoch nicht gut gemeint; das Zwillingspärchen ist Cracksüchtig, ein Junge wird als Gewaltverbrecher von der Polizei gesucht und ist untergetaucht. Der vierte Junge scheint die Kurve gekriegt zu haben, ist an einem Eliteinternat unter der Protektion eines Jugendbeauftragten des Staates Maryland. Auch an ihn kommt Tess nicht so einfach ran. Und plötzlich, bevor Tess das großzügige Angebot unterbreiten kann, werden die Zwillinge ermordet aufgefunden.
Parallel übernimmt Tess den Auftrag einer Mary Brown, ihre vermisste Schwester Susan King zu finden. Kein Problem für die Privatdetektivin, aber nachdem sie die Wahrheit heraus gefunden hat, bekommt sie einen Folgeauftrag: Susan Kings uneheliche Tochter wurde vor 13 Jahren zur Adoption freigegeben. Tess soll ihr bei der Suche helfen. Über Selbsthilfegruppen bekommen die beiden schnell heraus, dass die Agentur, die das Kind damals vermittelte, wohl nicht ganz sauber war. Die Spur des Kindes verliert sich.
Das System mit Füßen getreten
Butchers Hill ist kein typischer Amerikanischer Krimi mit einer Unzahl unerwarteter Wendungen und (wie es vielleicht der Titel vermuten lassen mag) literweise Blut. Ganz im Gegenteil, die Aufmacherstory um den Kindesmörder Beale tritt eigentlich hinter die Erzählung der Suche nach Susan Kings Tochter zurück. Der Autorin Laura Lippman scheint es ein sehr hohes Anliegen gewesen zu sein, die Missstände und Missbrauchsmöglichkeiten in den amerikanischen Jugend- und Sozialhilfeprogrammen zu schildern. Das ist ihr sehr gut gelungen. Sei es das Abkassieren geldgeiler Pflegeeltern oder die Machenschaften zweifelhafter Adoptionsagenturen, sie bringt die kriminellen Aktivitäten und Profitmacherei zu Lasten der kleinsten und wehrlosesten Mitglieder der Sozialgemeinschaft, nämlich Kindern und Säuglingen, auf den Punkt. Darüber hinaus bringt sie Ressentiments zwischen unterschiedlichen sozialen Schichten, Religionsgemeinschaften und Rassen in die Handlung ein.
Der Anteil, den in Lippmans Roman die Entwicklung der Protagonistin und deren Privatleben einnehmen, ist wohldosiert, verglichen mit anderen amerikanischen Romanen aber eher hoch. Lippman schafft auch hier die Waage zu halten und den Leser nicht mit einer Überdosis Familienepos zu ermüden. Butchers Hill ist eine stimmige, runde Erzählung. Wer sich das Ende nicht verkitschen will, der spart sich einfach den Epilog, denn hier schmalzt die Autorin dann doch zu sehr auf. Aber wenn die letzten 5 Seiten überflüssig sind und der Rest gut ist, bleibt unter dem Strich für Tess Monaghan's dritten Fall immer noch eine Empfehlung stehen.
Laura Lippman, Rotbuch
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