Der Tod wirft lange Schatten
- Edizioni E/O
- Erschienen: Januar 2006
- 14
- Wien: Zsolnay, 2005, Seiten: 384, Originalsprache
- Rom: Edizioni E/O, 2006, Titel: 'Le lunghe ombre della morte', Seiten: 333, Übersetzt: Valentina Tortelli
- München: dtv, 2007, Originalsprache
Verwirrender zusammengebaut als notwendig
Durch die ersten hundert Seiten muß man sich förmlich hindurchquälen. Heinichen wirft dem Leser zunächst mal jede Menge verschiedener Handlungsstränge hin. Namen werden zu Beginn kaum genannt. Und irgendwann merkt man dann, dass der Autor nicht nur von Ort zu Ort, sondern auch in den Zeiten wild hin und her springt. Dies dient jedoch nicht der Dramaturgie, sondern sorgt allenfalls für Verwirrung.
Ich möchte hier keinesfalls den Inhalt des Buches sortieren oder Zusammenhänge aufzeigen. Eine kurze Zusammenfassung ist auch gar nicht möglich, denn der rote Faden fehlt zugunsten kleinerer Stories, die das Geschehen realistischer machen, aber auch den Lesefluß hemmen. Wenn Heinichen mit dem Aufbau und der Schreibweise bezweckt hat, dass der Leser dem Werk ungeteilte Aufmerksamkeit zollt, so möchte ich das nicht verhindern.
Wie so mancher italienische Ermittler in Kriminalromanen hat auch Kommissar Proteo Laurenti eine Familie. Jedoch geht es da nicht ganz so harmonisch zu wie bei manch anderem Autor. Neben Ehefrau Laura hat Laurenti auch noch eine Geliebte, die sich jedoch ziemlich rar macht. Die beiden erwachsenen Töchter wechseln ihre Partner so schnell, dass Laurenti dem kaum folgen kann. Der Sohn, ein begnadeter Koch, hat mehr damit zu tun, die Bevölkerung Triests vom Verzehr von Fleisch fernzuhalten.
Zerrissen wie die Landschaft
Dann war da noch Mia, aus Australien angereist, um sich um ihr Erbe von der verstorbenen Tante zu kümmern. Außer einem Haus ist daraunter noch ein Lager, das Mia vollgestopft mit Waffen vorfindet. Um Mia werben zwei Männer: der undurchsichtige Notariatsgehilfe Calisto und Angelo, der Sohn von Mias Nachbarin. Dann wird eine männliche Leiche an der felsigen Küste entdeckt.
Der pensionierte Gerichtsmediziner Galvano, den Heinichen-erprobte Leser bereits kennen- und schätzen gelernt haben, tut sehr geheimnisvoll und kümmert sich um eine junge taubstumme Frau, die für eine brutale Drückerbande arbeitet.
Trotz fast durchweg positiver Kritiken konnte mich "Der Tod wirft lange Schatten" nicht sonderlich begeistern. Ganz im Gegensatz zu Heinichens früherem Roman "Die Toten vom Karst", in dem er die seine Leser in die gleiche felsige Landschaft um die italienische Hafenstadt Triest führt. Das Buch wirkt auf mich ebenso zerrissen wie der Karst selber, so daß Spannung immer nur kurzzeitig aufflackert.
Die Hauptfiguren entwickeln sich weiter
Die Atmosphäre ist wieder großartig eingefangen, die Charaktere gut herausgearbeitet. Heinichen hat sehr viel in seinen Roman hineingepackt. Polizei, Carabinieri und Geheimdienste verfolgen nicht immer die gleichen Interessen, und auch die Vergangenheit der geschichtsträchtigen Stadt spielt wieder eine große Rolle. Doch der Aufbau des Plots ist für mich leider verwirrender als es notwendig gewesen wäre.
Positiv hervorheben möchte ich die Entwicklung der Hauptfiguren. Anders als bei manch anderen Serienautoren tut sich da etwas. Proteo Laurenti wirkt dadurch, dass er nicht der große Sympathieträger ist, glaubhafter als die meisten Serienermittler. Heinichens Krimis wirken ebenso italienisch wie die Camilleris oder Leons: es wird gut und oft gegessen, doch nimmt das hier eher eine Nebenrolle ein. Nicht alles kann aufgeklärt werden, Korruption ist an der Tagesordnung und manches reicht weit in die Vergangenheit zurück.
Veit Heinichen, Edizioni E/O
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