Auf höchsten Befehl
- Heyne
- Erschienen: Januar 1999
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- New York: William Morrow, 1998, Titel: 'High Crimes', Seiten: 341, Originalsprache
- München: Heyne, 1999, Seiten: 351, Übersetzt: Karin Dufner
- München: Heyne, 2000, Seiten: 363
- München: Heyne, 2002, Titel: 'High crimes. Im Netz der Lügen', Seiten: 363
Ein gut aufgebauter Justizthriller mit Schwächen
Nach ihrer Scheidung heiratete Claire vor drei Jahren den Immobilienmakler Tom Chapman, der sich nicht nur vorbildlich um sie sondern auch um Claires Tochter Annie kümmert. Als die drei gerade von einem Essen in einem Einkaufscenter kommen, werden sie plötzlich von zwei FBI-Beamten angesprochen, die einen Haftbefehl für Ronald Kubik haben. Während Claire das ganze noch für einen schnell aufklärbaren Irrtum hält, schlägt Tom einen der Beamten nieder und ergreift die Flucht. Kurze Zeit später durchsucht das FBI Claires Haus und erklärt ihr, dass Tom besagter Ronald Kubik ist, Sergeant beim Militär war und dort wegen Mordes und Fahnenflucht gesucht wird. Daraufhin bitte Claire den Privatdetektiv Ray Devereaux über Tom zu recherchieren. Der findet schnell heraus, dass es einen "Tom Chapman" erst seit 1985 gibt und dieser vorher laut seinen Informanten Geheimagent des Pentagon war. Obwohl Claire rund um die Uhr beschattet wird, gelingt ihr ein Treffen mit Tom.
Von Claire zur Rede gestellt berichtet Tom über seine Vergangenheit: Zur Zeit der Regierung Reagan versuchen die USA in Südamerika die Kommunisten zu besiegen, so auch in El Salvador. Als jedoch die von den USA unterstützten Guerilleros in einem Vorort von San Salvador das Feuer auf eine Menschenmenge eröffnen und dabei auch vier US-Marines töten, will die amerikanische Regierung die Täter zur Rechenschaft ziehen. Eine zwölfköpfige Special-Forces-Einheit, der auch Tom angehört, erhält den Hinweis, dass die Täter in einem kleinen Dorf zu finden sind. Während Tom am Rande des Dorfes nach einem Munitionsdepot gräbt fallen Schüsse. Alle 87 Einwohner wurden auf Befehl von Colonel Bill Marks umgebracht, der mittlerweile als Vier-Sterne-General Stabschef der Army ist. Um das ganze zu vertuschen wird Tom die Schuld gegeben, dem jedoch die Flucht aus dem Militärgefängnis gelingt. Seitdem baute er sich eine neue Existenz als Tom Chapman auf. Noch während Claire mit der neuen Situation umzugehen versucht, werden die beiden verhaftet.
Tom sitzt im Militärgefängnis und wartet auf seinen Prozess u. a. wegen Mordes in 87 Fällen. Ihm droht schlimmstenfalls die Todesstrafe. Während das Militär seinen besten Ankläger auffährt erhält Tom als Pflichtverteidiger einen Anfänger. Claire entschließt sich, ihren Mann mit Hilfe des auf Militärrecht spezialisierten Anwaltes Charles Grimes selber zu verteidigen.
Mit zunehmender Durchsicht der Unterlagen wachsen Claire und Grimes Zweifel an Toms Version der Geschehnisse. Sollten die zahlreichen Beweismittel nebst Zeugenaussagen tatsächlich alle gefälscht sein oder hat Tom etwas zu verbergen? Wer hat Claires Wohnung verwanzt, um ihre Beratungen mit Grimes abzuhören? Und warum bietet der Chef-Ankläger vor der Verhandlung einen merkwürdigen Deal an?
Was sich zunächst als Flucht- und Verfolgungsstory darstellt entwickelt sich nach einem Drittel des Buches zu einem gut aufgebauten Justizthriller. Die Duelle vor dem Militärgericht sind ebenso spannend wie unterhaltsam und wem Baldacci und Co. zu anstrengend sind, findet hier eine Alternative.
Leider krankt aber das Buch durchgehend an einem Makel: Alles wird nur sehr oberflächlich (und damit mitunter unrealistisch) beschrieben, Liebe zum Detail vermisst man schmerzlich. Als Claire erfährt, dass ihr Ehemann sie jahrelang hinsichtlich seiner Identität angelogen hat, sollte man eigentlich erwarten, dass ihr starke Zweifel an dessen Person kommen. Stattdessen ein kleiner Wutanfall und schon reicht seine Schilderung der damaligen Umstände aus, um ihm zu glauben. Beweise werden vor Gericht aus dem Hut gezaubert und obwohl die Verteidigung mitunter von der Beweisführung überrumpelt wird, gelingt es ihr in Kürze dieselben zu entkräften. Auch während des juristischen Schlagabtausches werden nur wenige Paragraphen zitiert, diese allerdings gerne mit Wiederholung.
Nein, dieser an für sich gute Plot hätte gut und gerne 100 oder 150 Seiten mehr vertragen können. So geht alles viel zu schnell und obwohl man das Buch nicht zur Seite legen mag, fehlt einem der nötige "Tiefgang". Die Lösung letztendlich wirkt stark konstruiert, da alle Seiten gelogen und manipuliert haben, außer (selbstredend) der Protagonistin/Verteidigung. Wer sich für eine Mischung aus Justiz, Militär, Spezialeinheiten, Geheimdienst, Ehre, Verrat und all dergleichen interessiert, findet hier kurzweilige Unterhaltung für ein verregnetes Wochenende, bei der man jederzeit hinsichtlich der Lösung (war Tom schuldig oder nicht) schwankt.
Joseph Finder, Heyne
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