Eisstation Zebra

  • Lichtenberg
  • Erschienen: Januar 1965
  • 4
  • London: Collins, 1963, Titel: 'Ice Station Zebra', Seiten: 255, Originalsprache
  • München: Lichtenberg, 1965, Seiten: 386, Übersetzt: Paul Baudisch
  • München: Heyne, 1969, Seiten: 255
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Michael Drewniok
80°1001

Krimi-Couch Rezension vonOkt 2004

Dramen auf und unter dem Nordpoleis Eisstation Zebra - der Film

"Zebra" nennt sich die britische Wetterstation, die Anfang der 1960er Jahre nur 300 km "unterhalb" des Nordpols errichtet wurde. Weil sie mit den Eismassen treibt, ändert sich ständig ihre Position. Das ist fatal, denn SOS-Rufe verkünden der Welt, dass ein Feuer die Brennstoffvorräte von "Zebra" vernichtet hat. Den Forschern droht ein grausames Ende in Eis und Schnee, wenn sie nicht schnell gerettet werden.

Die Möglichkeiten sind beschränkt. Während die Sowjets (scheinbar) hilfsbereit, aber vergeblich den gewaltigen Eisbrecher "Dwina" ins Eis schicken, soll das US-amerikanische Atom-U-Boot "Dolphin" unter die Polarkappe tauchen und an einer hoffentlich freien Stelle unweit der Station auftauchen.

Zwar begibt sich Fregattenkapitän James D. Swanson ohne Murren auf die gefährliche Mission. Übel stößt ihm freilich die Anwesenheit des geheimnisvollen Dr. Neil Carpenter auf. Angeblich ist dieser ein auf Frostschäden spezialisierter Arzt. Doch der schweigsame Mann kennt als Brite viel zu viele Details der "Dolphin", die doch das streng geheime Prunkstück der amerikanischen U-Boot-Flotte sein sollte.

Kalter Krieg an wahrlich eisiger Front

Tatsächlich lügt Carpenter den Kapitän an. "Zebra" ist durch einen dummen Zufall in den Brennpunkt des Kalten Kriegs zwischen den Supermächten geraten. Ein sowjetischer Spionagesatellit ist mit vielen Fotos sorgfältig verborgener westlicher Raketenstützpunkte ausgerechnet hier abgestürzt. Diesen Film wollen die USA und Großbritannien gar zu gern an sich bringen. Leider konnten die Sowjets einen Spion in die Station einschleusen. Der hat "Zebra" sabotiert, als er von einigen Forschern ertappt wurde.

Ein Wettlauf mit der Zeit in bedrohlicher, lebensfeindlicher Umgebung setzt ein. Selbst wenn die "Dolphin" es schafft, durch den tückischen Eispanzer zu brechen, lauert in der Station der noch immer unbekannte Agent, der vor Mord nicht zurückschreckt. Man wird ihn mit den ahnungslosen "Zebra"-Überlebenden retten - und somit an Bord der "Dolphin" holen, wo er sein schändliches Werk fortsetzen kann ...

Ein Sherlock Holmes in Schnee & Eis

West gegen Ost in einer agentenreichen Episode des Kalten Kriegs zwischen den ehemaligen Supermächten USA und UdSSR, die ausgerechnet auf und unter dem Eis des Nordpols spielt: Was die Inhaltsangabe eines Thrillers zu sein scheint, beschreibt tatsächlich einen lupenreinen "Whodunit"-Krimi urbritischer Prägung. Nicht einmal die finale Versammlung aller Anwesenden, in deren Runde sich der Mörder verborgen hält, unter den strengen Augen des ermittelnden Detektivs fehlt. Sie spielt allerdings nicht in einer Bibliothek oder in einem Schlosssaal, sondern in der Offiziersmesse eines Atom-U-Boots statt, das gerade das Polarmeer kreuzt.

Die ungewöhnliche Variation bekannter Elemente funktioniert vorzüglich. Autor MacLean legt es eindeutig auf die Fahndung nach dem Täter im Dunkeln ab. Man merkt es daran, dass der eigentliche Auslöser des Geschehens - der ominöse Spionagefilm - nur nebenbei Erwähnung findet. Im Laufe der Handlung erfindet Ermittler Carpenter der Täuschung willen gleich mehrere andere Erklärungen, die genauso ihren Zweck erfüllen.

Statt dessen wandelt Carpenter auf den Spuren von Sherlock Holmes. Er sucht und sichert Indizien, wertet sie aus, engt den Kreis der Verdächtigen kriminalistisch ein. Das Reizvolle an diesem eigentlich bekannten Tun ist die Umgebung, in dem es sich abspielt: "Zebra" ist eine abgelegene Station im Treibeis des Nordpols, die "Dolphin" ein U-Boot, das unter die Eiskappe, d. h. dorthin, wo noch nie ein Mensch zuvor war, fährt.

Da haben wir zum einen gleich zwei dieser isolierten Orte, die für einen zünftigen "Whodunit" so wichtig sind. Ob in "Zebra" oder an Bord der "Dolphin": Hier halten sich die Männer auf, die uns der Verfasser nach und nach vorstellt. Von außen kann der Mörder nicht kommen. Er muss einer der Anwesenden sein.

Poesie einer tödlich fremden Welt

Darüber hinaus liefern sowohl die Eiswüste als auch der Eisozean MacLean zahlreiche Möglichkeiten, sein Krimispiel mit Abenteuerelementen anzureichern. Er macht gern und geschickt Gebrauch davon. "Eisstation Zebra" verwöhnt mit stimmungsvollen Beschreibungen einer fast außerirdisch wirkenden Welt. Am Nordpol gelten in jeder Beziehung andere Regeln und manchmal keine Gesetze. MacLean kann uns das überzeugend begründen.

Mr. MacLean spielt fair

Er vernachlässigt darüber hinaus nie die eigentliche Kriminalgeschichte. Neil Carpenter erzählt sie uns aus der Ich-Perspektive. Theoretisch wissen wir Leser genauso viel - oder eben wenig - wie er. Erschwerend kommt freilich hinzu, dass Carpenter dauernd die Unwahrheit spricht, um seinen unsichtbaren Gegner zu täuschen - und uns Leser, die wir uns das gern gefallen lassen, denn MacLean spielt fair: Ganz klassisch vermittelt er uns die notwendigen Hinweise auf den wahren Täter. Wenn wir aufmerksam gelesen haben, können wir ihn gemeinsam mit Carpenter im Schlusskapitel entlarven. Wie jeder gute Detektiv der "Goldenen Ära" des "Whodunit" listet Carpenter (in Vertretung von MacLean) die bisher verstreuten Indizien auf, um sie anschließend zu einer Beweiskette zu knüpfen. Diese ist - auch das steigert den Unterhaltungswert - in jedem Glied stabil, als sie sich um den Hals des Schuldigen legt.

Harte Jungs mit goldenen Herzen

Auf und unter dem Polareis ist kein Platz für Weicheier. Autor MacLean lässt dies seine Protagonisten mehr als einmal betonen. Folglich überrascht es nicht, dass er uns Lesern eine ganze Parade eisenharter Kerls präsentiert, die vor lauter Kraft, Tüchtigkeit und Wagemut kaum laufen können.

"Eisstation Zebra" ist folglich ein sogenannter "Männerroman". Dies verdeutlicht anschaulich auch die Abwesenheit jeglicher Weiblichkeit. MacLean ist da konsequent (und sicherlich auch erleichtert: er kommt gern ohne Frauenfiguren aus ...) - zeitgenössische Polarstationen und Atom-U-Boote sind in der Tat frauenfreie Zonen. (Hollywood schmuggelte dagegen gern mindestens eine ansehnliche Dame in die oft verfilmten MacLean-Werke ein, aber das ist eine andere Geschichte ...)

MacLeans Recken sind ziemlich austauschbar. Das ist nicht schlimm, denn hier geht es um eine spannende Geschichte, nicht um psychologische Tiefgründigkeit. Mit kräftigen, einfachen Strichen werden Profis in diversen Krisen geschildert, denen sie stets gewachsen sind; jedenfalls hat der Leser nie den Eindruck, dass sich Forscher und U-Boot-Leute jemals überfordert fühlen. Selbst der Tod wird als "Berufsrisiko" akzeptiert.

Die Roten sind an allem schuld!

Jeder nur menschenmögliche Widerstand gegen die sowjetisch-rote Gefahr ist selbstverständlich und Ehrensache. Darüber gibt es in einem Thriller aus dieser Zeit keine Diskussion. Der verräterische Film muss gefunden und "gerettet" werden. Deshalb kennt Carpenter auch keine Skrupel, seine Leidensgefährten und bald Freunde, mit denen er buchstäblich im gleichen Boot sitzt, zu belügen und zu manipulieren. Sobald diese den wahren Grund kennen, legt sich sogleich ihr Zorn; sie "verstehen" dass es um des Siegs der guten (= westlichen) Sache so sein musste.

Ebenso verständlich wird im historischen Rückblick die heute etwas befremdliche "Hurra-USA"-Haltung MacLeans. Fast ängstlich enthält er sich jeder Kritik am Verbündeten, auf den er um der Handlung willen nicht verzichten kann: Großbritannien besitzt leider kein Atom-U-Boot, und ohne geht es in dieser Geschichte nicht. Neil Carpenter ist freilich ein Engländer und die Hauptperson. (Hollywood ersetzte ihn später natürlich durch einen Amerikaner ...)

"Eisstation Zebra" ist insgesamt kein raffinierter, vielschichtiger Roman, sondern "nur" grundsolides erzählerisches Handwerk. Zwar ist die "Dolphin" heute längst nicht mehr das ausführlich geschilderte technische Wunderwerk, aber die Geschichte, durch die sie taucht, ist bemerkenswert frisch geblieben. "Eisstation Zebra" lässt sich heute ebenso vergnüglich lesen wie vor mehr als vier Jahrzehnten. Das wird wohl auch so bleiben.

Für die Verfilmung von "Ice Station Zebra" scheute Hollywood 1967 weder Kosten noch Mühen. Unter der Regie von John Sturges, der eine lange Kette klassischer Abenteuerfilme inszeniert hat, entstand nach einem Drehbuch von Douglas Heyes und Harry Julian Fink allerdings eher ein Spektakel als spannende (oder einträgliche) Unterhaltung. Allzu träge schleppt sich das mehr als zweieinhalb Stunden lange Werk über weite Strecken hin. Darüber hinaus ersetzte der Thriller weitgehend den "Whodunit". Die bösen Russen griffen nun "Zebra" direkt an, was die Gefahr eines internationalen Konflikts (= des III. Weltkriegs) heraufbeschwor, die umständlich und mit viel "Frieden! Frieden!"-Blabla abzuwenden war.

Heute kann man das freundlicher sehen. Es gefällt die charmante Ausstattung, die zwischen Pomp und Pappe schwankt. Nostalgisch stimmt die grimmige Atmosphäre des ungebrochenen Kalten Kriegs, in die sich pathetisch, aber vorsichtig versöhnliche "Alle Menschen sind Brüder (sogar mancher Sowjet-Kommunist)"-Klischees mischen. Erstaunen erregt die Entscheidung, die Hauptrolle ausgerechnet Rock Hudson zu übertragen, der indes mehr sein konnte als ein Mann für leichte Komödien. Auch sonst spielen mit Lloyd Nolan, Patrick McGoohan oder Ernest Borgnine keine "Stars", aber kompetente Schauspieler.

Eisstation Zebra

Alistair MacLean, Lichtenberg

Eisstation Zebra

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