Der Kavalier der späten Stunde (Commissario Montalbano 06)
- Lübbe
- Erschienen: Januar 2002
- 12
- Palermo: Sellerio, 2001, Titel: 'L'odore della notte', Seiten: 221, Originalsprache
- Bergisch Gladbach: Lübbe, 2002, Seiten: 251, Übersetzt: Christiane von Bechtolsheim
- Bergisch Gladbach: BLT, 2003, Seiten: 253
Unverwechselbar ein Camilleri
Commissario Montalbano gerät per Zufall in eine Situation, deren Folgen er zu Beginn nicht absehen kann. In der Agentur "König Midas" gibt es einen Aufstand der Rentner, die Emanuele Gargano ihr Geld anvertraut haben und nun auf die Auszahlung der versprochenen Rendite warten. Doch Gargano ist seit Tagen verschwunden, in der Agentur hält nur die Empfangsdame Mariastella die Stellung, die sehnsüchtig auf ihren Chef wartet und nicht einen Gedanken daran verschwendet, dass da etwas nicht mit rechten Dingen zugehen könnte. Mit einem Trick gelingt es Montalbano, die Gemüter zu beruhigen.
Obwohl seitens des leitenden Beamten der Ermittlung die Theorie vertreten wird, dass der "Finanzspezialist" von der Mafia beseitig wurde, weil er deren Geld in dunkle Kanäle hat verschwinden lassen, ist Montalbano der Meinung, dass mehr dahinterstecken muss. Er wähnt Gargano zunächst auf einer Südseeinsel, wo er das aus dem Schneeballsystem ergaunerte Geld verjubelt. Als er jedoch herausfindet, dass ein Angestellter der Agentur nicht auf der Dienstreise nach Deutschland ist, wie er überall verkündet hat, wird er hellhörig. Und obwohl dieser Fall nicht zu seinem Aufgabenbereich gehört, steckt er seine Nase immer tiefer hinein.
Montalbano macht was er will
Der Commissario ist eigenwillig. Er scheint eine besondere Stellung innezuhaben, denn er widersetzt sich Befehlen und er erfindet Ausreden, damit nicht bei seinem Vorgesetzten erscheinen muss etc., ohne dass er bis jetzt Konsequenzen befürchten musste. Zudem kann man seine Art der Ermittlung durchaus als unkonventionell bezeichnen. Camilleri schildert seinen Protagonisten lebendig und voller Gefühl, so man ihm abnimmt, dass es irgendwo einen Montalbano gibt. Gekonnt verbindet der Autor den eigentlichen Kriminalfall mit einem Blick auf Sizilien und seine Bewohner, so dass man am liebsten gleich die Koffer packen würde. Auch der Humor kommt wie in den anderen Büchern nicht zu kurz. Das Telefonat mit seinem Mitarbeiter Catarella gibt es dieses Mal in leicht abgewandelter Form:
""Pronto?"
"Ah Dottori Dottori!", keuchte Catarellas Stimme gequält. "Sind Sie das persönlich selber?"
"Nein."
"Wer ist denn dran?"
"Arturo, der Zwillingsbruder des Commissario."
Warum benahm er sich dem armen Kerl gegenüber so idiotisch? Wollte er etwa seine schlechte Laune an ihm auslassen?
"Echt?", fragte Catarella bewundernd. "Entschuldigen Sie, Herr Zwilling Arturo, aber wenn der Dottori irgendwie im Haus ist, sagen Sie ihm dann, dass ich ihn sprechen muss?"
Montalbano ließ ein paar Sekunden verstreichen. Vielleicht konnte er die Geschichte, die ihm spontan eingefallen war, bei Gelegenheit noch brauchen. Er schrieb "mein Zwillingsbruder heißt Arturo" auf einen Zettel und meldete sich wieder."
Anders als bei Donna Leon geht es etwas nüchterner zu, obwohl es an Beschreibungen von Landschaften und Essen nicht mangelt. Dennoch meint man, Camilleri schreibt einfacher, weniger ausführlich, aber auf keinen Fall einfallsloser. Seine Geschichten sind nicht überladen, bringen es auf den Punkt. "Der Kavalier der späten Stunde" ist ein ruhiges Buch, das Camilleris unverwechselbaren Schreibstil sehr gut zur Geltung bringt. Doch zuviel Montalbano am Stück könnte ermüdend wirken, daher sollte er in kleinen Dosen genossen werden.
Andrea Camilleri, Lübbe
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