Mit Blindheit geschlagen

  • Kiepenheuer & Witsch
  • Erschienen: Januar 2004
  • 7
  • Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2004, Seiten: 420, Originalsprache
  • Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2006, Seiten: 411, Originalsprache
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Thomas Harbach
80°1001

Krimi-Couch Rezension vonSep 2004

Erweitert ungemein unterhaltsam den geschichtlichen Horizont

Der gelernte Lektor Christian von Ditfurth hat in den neunziger Jahre mit einer Reihe von populärwissenschaftlichen Texten sich kritisch mit der politischen Geschichte der beiden deutschen Staaten und der wiedervereinigten Bundesrepublik auseinandergesetzt. Inzwischen ist er mit fünf Veröffentlichungen ein bekannter und vielseitiger Romanautor geworden, dessen erste Arbeit Die Mauer steht am Rhein noch Züge des Forschers und des aufkommenden Autors vereinigte.

Wie schon in seinen historischen Alternativweltromanen steht auch im zweiten Stachelmannkrimi für den Historiker von Ditfurth nicht in erster Linie die Frage nach dem Täter sondern die Suche des Motivs im Vordergrund.

Dabei ist der an Rheuma erkrankte, von Frauen - insbesondere seiner Kollegin Anne- enttäuschte und mit seinem Leben als Junggeselle nicht zufriedene Stachelmann nicht der Prototyp eines Ermittlers, sondern wie vom Autor beabsichtigt eine liebenswerte schrullige Parodie eines Historikers und verzweifelnden Universitätslehrer. In Mit Blindheit geschlagen ist Stachelmann dieses Mal Ermittler in eigener Sache, denn er gilt als Tatverdächtiger, als ein neuer Kollege ermordet wird. An dessen erstem Tag landet Stachelmann mit seiner attraktiver Frau Ines im Bett. Als sie ihn zwei Tagespäter bittet, nach ihrem plötzlich verschwundenen Mann in Berlin zu suchen, beschleicht ihn ein ungutes Gefühl. Als der Historiker nach seiner Rückkehr auch noch dessen Leiche in seinem Auto findet, droht seine geordnete Welt zusammenzubrechen...

Der Roman lebt von der Figur Stachelmanns. Mit einem Auge für Details entwickelt von Ditfurth den Charakter aus dem ersten Roman weiter. Einzelne Züge erkennt der aufmerksame Leser wieder, andere ergänzen das Bild. Dabei erdrückt allerdings die Figur fast alle anderen handelnden Personen und insbesondere seine eigentliche Liebe Anne wird auf eine Stichwort gebende, aber hilfsbereite Mutter mit anstrengendem Säugling reduziert.

Stachelmanns Heimat Lübeck ist passend und kenntnisreich in Szene gesetzt, doch einige Bemerkungen - wie Neustadt ohne den Hinweis auf die Phychatrische Klinik - sind für Außenstehende erklärungsbedürftig, ansonsten gehen sie in den immer gut lesbaren und natürlichen Dialogen unter.

In einer handlungstechnisch geschickten Parallelmontage laufen die Ereignisse um diesen Ermittler wider Willen und das Schicksal einer Gruppe von ehemaligen DDR-Fluchthelfern bis zur unvermeidlichen direkten Konfrontation zusammen. Ohne den Leser mit trockenem historischem Stoff zu langweilen befasst sich der Autor - wie z.B. auch in seinem Roman Der Consul - mit einem wenig erforschten Teil neuerer deutscher Geschichte.

Dabei schildert von Ditfurth mit brutaler Offenheit die verschiedenen Methoden der Stasi-Organe. Das zermürbende und ständige Eindringen in Stachelmanns Privatsphäre sei hier stellvertretend für eine Reihe von lesenswerten Szenen herausgestellt.

Im Gegensatz zu einigen Krimiautoren, die ältere Hobbydetektive in den Mittelpunkt stellen, verzichtet der Autor nicht auf Gewalt. Sie ist ein Teil der Gesellschaft, dringt unmittelbar und unvorsehbar ein und hinterlässt deutliche Spuren.

Neben den für einen Krimi notwendigen Spannungselementen und einem lebendig beschriebenen durch und durch natürlichen Protagonisten erweitert der Autor ungemein unterhaltsam den geschichtlichen Horizont seiner Leser.

Mit Blindheit geschlagen

Christian von Ditfurth, Kiepenheuer & Witsch

Mit Blindheit geschlagen

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