Der rote Punkt
- Goldmann
- Erschienen: Januar 2004
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- München: Goldmann, 2004, Seiten: 384, Originalsprache
Extraportion rote Soße
Victor ist ein harmlos wirkender Pressefotograf, der aus irgendeinem Grund mit der Masseurin Zyna in einem italienischen Luxushotel eine Internetbetrügerei gestartet hat. Er braucht das
Geld schon allein, um die horrende Hotelrechnung zahlen zu können. Außerdem ist er treu sorgender Vater seiner siebzehnjährigen Tochter Phil, die wohl in letzter Zeit nicht gerade den besten Umgang pflegte. Irgendwie war ihr Freund Tony in Drogengeschäfte verwickelt. Jetzt hat Victor sie in ein Internat nach Kanada geschickt, denn in Europa war sie nicht mehr sicher. Tony ist nämlich tot, gekillt von dem Drogenschieber Erdem, der sich für den Tod seines Bruders Musti an dem kleinen Dealer rächen wollte. Tatsächlich war es jedoch Phil, die Musti tötete. Und es kommt auch noch heraus, dass Erdem den Auftragskiller Gwizdek, zufällig Vater von Masseurin Zyna, ermordet hat, kurz bevor ihm selber die Attac-Aktivistin Lidia einen Holzpfahl in den Bauch rammen konnte. Auch Victor und Phil waren bei der Schießerei dabei. Was aber wohl niemand vermutet hätte, Erdem hat überlebt und sinnt auf Rache.
Das ist der Hintergrund in Thomas Kasturas zweitem Roman "Der rote Punkt". Die aus der Perspektive des Victors als Ich-Erzähler geschilderte Handlung beginnt still und langsam, aber in jedem der ersten zehn Kapitel wird eine weitere düstere Seite in Victors Vergangenheit offenbart, dass es dem Leser fast den Atem verschlägt und man nur noch mühsam rekapitulieren kann, was sich alles bereits ereignet hat. Der nette Mann von nebenan, der ziemlich naiv und unbeholfen eine gefälschte Auktion im Internet durchführen will, bekommt mit jeder Seite neue, unsympathischere Züge.
Das LKA will Victor als Lockvogel für Erdem
Im Hotel begegnet Victor den Beamten Nondas und Batu vom hessischen LKA, die auf eigene Faust eine Überwachung Erdems durchführen. Sie wissen von dem geplanten Betrug und setzen Victor unter Druck. Er muss sie auf eine Kundgebung des rechtspopulistischen Politikers Ferro begleiten, für den Erdem nun als Leibwächter arbeitet. Ferro war der Geliebte von Victors Ex-Frau, als diese vor 10 Jahren bei einem Autounfall ums Leben kam.
Auf der Kundgebung kommt es zu einer Gegenveranstaltung der Attac-Bewegung und zufällig kann Victor auf Video festhalten, wie ausgerechnet Lidia von einem Leibwächter betäubt und entführt wird. Und dann meldet sich seine Tochter, die eine Nachricht von Erdem erhalten hat. Der Showdown kündigt sich an.
Starker Tobak, was Thomas Kastura da seinen Lesern bietet. Wer gedacht hat, es gäbe keinen guten Hard-Boiled aus deutscher Feder, der darf sich eines besseren belehren lassen. Intensiv schildert der Autor eine ungewöhnliche Vater-Tochter Beziehung, geprägt von einer teils fragwürdig moralistischen, teils egozentrischen Grundeinstellung Victors. Dabei wird die Selbstgerechtigkeit und sein Mangel an Werten dem Leser eigentlich über das ganze Buch verteilt unter die Nase gerieben. Erstaunlich, wie Tochter Phil mit ihren 17 Jahren mit Schwerverbrechern umgeht. Einen jugendlichen Leichtsinn mag man ihr unterstellen, ihre Handlungen wirken in der Summe aber wesentlich abgeklärter. Erstaunlich auch die Kraft der anderen beiden starken Frauen, Lidia und Zyna, im Nahkampf, wohingegen Victor wie ein vertrocknetes Gänseblümchen wirkt. Merkwürdig, auf welchen Typ Frau der Mann zu stehen scheint.
Junge Frauen im Blutrausch
Die zweite Hälfte des Buches bietet eine Reihe von Gewaltszenen und nicht weiter gezählte, namenlose Tote. Zusammen mit den Menschen, die schon vor dem Einsetzen der Handlung in die ewigen Jagdgründe eingingen, fließt da eine ganze Menge Blut. Wer also vor allzu gewaltsamen Schilderungen zurückschreckt, der wird an "Der rote Punkt" kein Vergnügen finden. Wem es dann in erster Linie auf Action ankommt, den wird dann vielleicht auch nicht stören, dass einige Ungereimtheiten im Gang der Handlung auftauchen. Gerade die Person Zyna und ihr plötzliches Auftauchen sei hier erwähnt, oder aber auch die plötzliche und doch sehr befremdend wirkende Charakterwandlung einer Hauptfigur. Die Tatsache, dass man sich die Vorgeschichte sehr mühsam selber zusammen reimen muss, ist der Leselust auch nicht gerade zuträglich. Wie geriet Victor überhaupt in diese Verstrickungen, wie konnte seine Tochter Phil in die schlechten Kreise geraten und was hatte der Killer Gwizdek eigentlich mit dem ganzen zu tun?
Action und Nervenkitzel bietet das Buch in Hülle und Fülle. Wer sich zur Abwechslung mal von einem deutschen Autor fesseln lassen will, der sei mit "Dem rote Punkt" (eine Anspielung auf den Punkt, den ein Laserstrahl in der Zielvorrichtung einer Beretta projiziert) gut beraten. Gut, es holpert einige male und der Autor ist bemüht, dem gesamten Geschehen eine Logik zu verpassen. Aber auch wenn diese Logik an einigen Stellen ein wenig vage erscheint, der guten Unterhaltung tut das keinen größeren Abbruch.
Thomas Kastura, Goldmann
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