Der Tod kommt in Schwarz-Lila
- Leda
- Erschienen: Januar 2004
- 42
- Leer: Leda, 2004, Seiten: 352, Originalsprache
- Leer: Leda, 2007, Seiten: 383, Originalsprache
Die deutsche Antwort auf Mankell?
Das Buch: eher unauffällig aufgemacht. Der Titel: reisserisch, aber nicht unbedingt Neugierde erweckend. Der Autor: ein No-Name. Der Verlag: klein und wenig prominent in den Buchhandlungen vertreten. Und doch kann es sich lohnen, genauer und vielleicht auch zweimal hinzuschauen. So wie in diesem Fall, wo Ulrich Hefner mit seinem Erstling Der Tod kommt in Schwarz-Lila eines der interessantesten und vielversprechendsten Krimi-Debüts des Jahres hingelegt hat.
Zwischen Deichen, Dünen und dem platten Wangerland geschieht eher selten Aufsehen erregendes
Kommissar Martin Trevisan von der Kripo Wilhelmshaven lebt und arbeitet eigentlich in einem beschaulichem Landstrich. Zwischen Deichen, Dünen und dem platten Wangerland geschieht eher selten Aufsehen erregendes. Bis zum Juni 2000. Den da wird ein Vogelfotograf ermordet in den Dünen der Nordsee-Insel Wangerooge aufgefunden. Vom Täter fehlt jede Spur, Rudolf Gabler, so der Name des erfolgreichen Fotografen, konnte in den letzten Sekunden seines Lebens allerdings noch ein Foto schießen. Leider zeigt es nur eine obskure Farbmischung aus Schwarz und Lila, was Kommissar Trevisan und Team wenig weiterhilft. Lediglich die Tatwaffe lässt Rückschlüsse auf den Tathergang zu: etwas spitzes aus Metall. Ein Pfeil?
Wenig später versetzt ein Dreifach-Mord das Wangerland in Angst und Schrecken. Auf einem auf der Nordsee treibenden Fischkutter werden die Leichen der Besatzung und des Kapitäns gefunden. Die Matrosen wurden ebenfalls mit einem spitzen, metallenen Gegenstand umgebracht. Für Kapitän Hansen hatte der Mörder weniger übrig. Bewußtlos geschlagen ertränkt er den Schiffsführer im eigenen Netz unterm eigenen Schiff.
Auf der Suche nach einem Zusammenhang
Warum hat der Kapitän eine "Sonderbehandlung" verdient? Wie kam der Mörder überhaupt aufs Schiff auf hoher See? Und hat der Dreifach-Mord etwas mit dem umgebrachten Vogel-Liebhaber von Wangerooge zu tun? Fieberhaft begibt sich die Mordkommission um Martin Trevisan auf Spurensuche, findet auch einen schwarzen Fleck im Leben Gablers - aber Hansen? Ein unbescholtener, liebenswürdiger Mensch, so scheint es. Auch wenn sich kein Zusammenhang aufdrängt sind sich die Ermittler mit der geifernden Presse einig: Im Wangerland geht ein brutaler Serienkiller um.
Dieser Verdacht erhärtet sich erbarmunglos, als mit dem Familienvater Horst Grevenstedt die nächste Leiche im wahrsten Sinne des Wortes auftaucht. Verschnürt in einem Fischernetz treibt Grevenstedt im eigenen Bootsschuppen, sorgfältig vertäut, damit er nicht von der Strömung weggetrieben wird. Wie auch Kapitän Hansen fehlt Grevenstedt ein Teil des kleinen Fingers. Und wie Kapitän Hansens ist Grevenstedts Weste blütenweiß. Die Ermittler tappen im Dunkeln, doch soll es bei fünf Leichen nicht bleiben - und auch die Profilerin vom LKA kann nur wenig dazu beitragen, dem Täter auf die Schliche zu kommen.
Erster Eindruck: Kurt Trevisan oder Martin Wallander?
Ulrich Hefner, selbst Polizist, weiß wovon er schreibt. Und er tut dies detailliert, ohne zu langweilen. Spannend, ohne zu übertreiben. Deutlich, ohne sich an Gewaltorgien zu ereifern. Einfühlsam, ohne ins Kitschige abzurutschen. Für einen Erstling ist Der Tod kommt ins Schwarz-Lila bemerkenswert sicher geschrieben, sauber strukturiert und gekonnt aufgebaut.
Kleiner Wermutstropfen: Hefner ist kein Freund von Schachtelsätzen, die Sprache ist wie für ein Police Procedural aber angemessen knapp und klar, so gut wie nie ausgeschmückt. Wenn, dann erinnern diese Stellen an einen Großen (oder besser: Erfolgreichen) der zeitgenössischen Krimi-Landschaft:
"Trevisan verzog das Gesicht. Er war froh, als sich Beck verabschiedete. Als er die fragenden Mienen seiner Kollegen sah, zuckte er mit den Schultern.
Es war kurz vor fünf und draußen ließ der Regen nach."
Die Parallelen häufen sich - nicht zum Nachteil
Erkannt? Falls nicht - es gibt weitere Parallelen. Kommissar Trevisan ist vom Charakter her ein eher ruhiger, gelegentlich grummeliger Mann, den es trotz plagenden Nierenschmerzen nicht zum Arzt zieht. Der seine bei ihm wohnende pubertierende Tochter vernachlässigt, seine Ex-Frau und auch seine derzeitige Partnerin selten sieht, da ihn der Job komplett vereinnahmt. Der schon gar nicht mehr begründen kann, warum er Polizist geworden ist.
Klingelt´s? Vielleicht, wenn Sie auf die Struktur des Romans achten. Die Schilderung der Polizeiarbeit wird regelmäßig durch einen Perspektivwechsel ins dunkle Seelenleben des Mörders unterbrochen. Freilich: Der Killer ist den Ermittlern immer einen Schritt voraus, bis zum Finale bleibt diesen nichts anderes übrig, als Tatorte zu besichtigen.
Klar, das liest sich wie ein deutscher Mankell mit einem ostfriesischen Kurt Wallander. Nur heißt dieser eben Martin Trevisan, ergießt sich glücklicherweise nicht ganz so penetrant in seinem Selbstmitleid und grübelt auch weitaus weniger über den Niedergang der Gesellschaft nach.
Hefner schreibt den besseren Polizeiroman
Darüberhinaus hat Ulrich Hefner mit Der Tod kommt in Schwarz-Lila mit Sicherheit auch den besseren Polizeiroman abgeliefert als Mankell mit seinen Wallander-Krimis. Weniger spektakulär, sicherlich näher an der Realität und immer viel strenger am Plot.
In so fern ist es legitim, sich am erfolgreichen Schweden zu orientieren und sich einige handwerkliche Dinge anzueignen. Und dass Ulrich Hefner nicht eine Zeile darauf verschwendet, die speziellen Eigenarten der Ostfriesen und den Schönheiten des Wangerlandes zu beschreiben, ist mehr als begrüßenswert. Regionalkrimi-Schublade zu, Polizeiroman-Schublade auf und Der Tod kommt in Schwarz-Lila ganz nach oben legen.
Showdown zwischen Sand und Sanddorn
Die Charaktere stimmig, das Motiv des Mörders schlüssig und durchaus originell, gekonnt geschrieben, die Auflösung sinnvoll und einem Serienkiller-Finale angemessen spannend - Showdown zwischen Sand und Sanddorn. Wer als Wallander-Fan sehnsüchtig auf Nachschub wartet, ist mit diesem "Inselkrimi" (Untertitel) bestens beraten. Nicht vermessen kann man behaupten: Ulrich Hefner ist der bessere Mankell und Martin Trevisan der bessere Kurt Wallander. Ein wenig mehr Abgrenzung in den Figuren, ein bisschen mehr Eigenständigkeit im Stil - und Ulrich Hefners Karriere als Krimi-Autor dürfte nichts mehr im Wege stehen. Wir freuen uns auf ein Wiedersehen mit Trevisan & Co.!
Ulrich Hefner, Leda
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