Gletschergrab
- Lübbe
- Erschienen: Januar 2005
- 69
- Bergisch Gladbach: Lübbe, 2005, Seiten: 365, Übersetzt: Coletta Bürling & Kerstin Bürling
- Reykjavík: Mál og menning, 1999, Titel: 'Napóleonsskjölin', Originalsprache
- Augsburg: Weltbild, 2006, Seiten: 365
Altlast eines Autors
Nach den überragenden Erfolgen von Todeshauch und Nordermoor kommt, was kommen musste. Die "Altlasten" des Autors werden auf den deutschen Markt geworfen. Dan Browns Diabolus lässt freundlich grüßen.
"Gletschergrab" ist Indridasons erstes Buch ohne seinen Protagonisten Erlendur und ist zudem kein klassisch strukturierter Krimi, sondern ein Thriller, in dem ein Ereignis aus der Vergangenheit die Geschehnisse der Gegenwart nachhaltig beeinflusst.
1945 stürzt ein deutsches Flugzeug über dem größten Gletscher Islands, dem Vatnajökull, ab. Bereits nach kurzer Zeit übernehmen die amerikanischen Streitkräfte die Rettungsarbeiten unter Führung von Captain Miller. Dessen aufopfernde Bemühungen scheitern jedoch, da der Gletscher das Flugzeug scheinbar in sich verschlungen hat. Erst 1999 entdeckt der amerikanische Geheimdienst das Flugzeugwrack mittels Satellitenaufnahmen. General Vytautas Carr zögert nicht lange und schickt den auf geheime Missionen spezialisierten und wegen seiner brutalen Methoden umstrittenen Ratoff nach Island und beauftragt ihn mit der Bergung des Flugzeuges.
Kristin, Mitarbeiterin des Isländischen Aussenministeriums, hat unterdessen Stress mit Randolf, der ihr und dem Ministerium Versagen und Zusammenarbeit mit der russischen Mafia vorwirft, nachdem er Millionenverluste bei Geschäften mit Russland gemacht hat. Nachdem Kristin Randolf zu verstehen gibt, dass er für seine Entscheidungen selber verantwortlich sei, verlässt dieser wütend und drohend ihr Büro. Kurz darauf meldet sich ihr Bruder Elias, der sein neues Handy testen will.
Er befindet sich mit einer Rettungsmannschaft auf dem Weg zum Gletscher. Als er sich mit seinem Freund Johann von der Truppe entfernt, um einen neuen Motorschlitten zu testen, stoßen sie auf die von Ratoff geführten Rettungsarbeiten. Elias teilt seine Entdeckung Kristin mit, doch als er von bewaffneten Männern berichtet, reißt die Verbindung plötzlich ab. Ratoff verhört Elias um zu erfahren, wer alles von den Bergungsarbeiten weiß und stößt bei der Prüfung des Handys auf Kristins Telefonnummer. Kurz darauf tauchen in Kristins Wohnung David und Simon auf, um sie zu töten.
Doch in letzter Minute erscheint der noch immer wütende Randolf in Kristins Wohnung und bei der entstehenden Verwirrung wird er kurzerhand erschossen. Kristin aber gelingt die Flucht und schwört sich, den merkwürdigen Arbeiten der Amerikaner nachzugehen. Auch will sie wissen, ob ihr Bruder tatsächlich tot ist, wie David und Simon behaupteten. Ihr früherer Freund Steve, ein amerikanischer Soldat auf dem Stützpunkt, soll ihr dabei helfen...
Warum das Buch 1999 nicht in deutscher Sprache erschienen ist, wird schnell verständlich. Hier steht nicht die fein ausgedachte, grandios erzählte Geschichte mit lebendigen Personen im Vordergrund, sondern Action und Tempo. Dies an sich ist zwar keineswegs verwerflich, aber das hat man bei anderen Autoren schon deutlich besser gelesen. Dieser vermeintliche Pageturner hat mitunter seine Schwächen, was angesichts der Grundidee und damit der Auflösung der Frage, um was es bei dem Flug seinerzeit ging - besser gesagt, woraus die Fracht bestand - sehr schade ist.
Ein Defizit ist beispielsweise die Übersetzung bzw. das Lektorat. Anders ist kaum verständlich, warum an mehreren Stellen nahezu gleich lautende Sätze innerhalb weniger Absätze doppelt auftauchen. Auch sind, wie bereits angesprochen, die Charaktere sehr beliebig ausgewählt und allzusehr mit den üblichen Klischees überzogen. Ein tumber, sadistischer Geheimdienstler (Ratoff), dessen ebenso skrupelloser wie ehrgeiziger Chef (Carr), zwei des Denkens offensichtlich unfähige Erfüllungsgehilfen (David und Simon) und eine durch nichts und niemanden zu erschütternde Allroundheldin Kristin. Die Auflösung des Buches ist angesichts des Kinoerfolges von "Der Untergang" - sagen wir - interessant, wenngleich bereits vor Beginn des Buches ein folgender Hinweis steht:
"´Operation Unthinkable´ war der Codename für Churchills Plan, mit deutscher Unterstützung am Ende des Zweiten Weltkrieges die Sowjetunion anzugreifen."
Arnaldur Indriðason, Lübbe
Deine Meinung zu »Gletschergrab«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!