Das neunte Opfer
- Goldmann
- Erschienen: Januar 2004
- 3
- New York: Simon & Schuster, 2002, Titel: 'Nine', Seiten: 369, Originalsprache
- München: Goldmann, 2004, Seiten: 544, Übersetzt: Ariane Böckler
Böse Buben
Dass die verwöhnten Söhnchen der Superreichen Jet-Setter in Malibu, Palm Beach und anderen Nobelvororten von Los Angeles offenbar von Moral und Anstand nicht viel halten (oder vielleicht nie davon gehört haben), haben uns ja schon einige Autoren glauben machen wollen. Besonders eindringlich kann dies ein Brett Easton Ellis in seinen New Age Romanen vermitteln, die wie ein einziger Drogentrip zu lesen sind. Jan Burke kommt im Vergleich zu Ellis mit einem eher nüchternen, aber nicht weniger Gewaltbehaftetem Werk daher. Eindeutige Aussage: Geld verdirbt den Charakter.
Alex Brandon vom LASD wird zu einem erstaunlichen Mord gerufen. Ein Top-Drogenhändler und Killer hängt erstochen an Seilen über seiner Badewanne. Mit seinem Blut wurde eine große 9 auf den Spiegel geschmiert. Kurz später zwei weitere Opfer, neben ihnen die Zahlen 8 und 7. Was alle Opfer gemeinsam haben: sie stehen auf der Top Ten der meistgesuchten Gewaltverbrecher der USA. Brandon muss den Tätern schnell auf die Spur kommen, denn der Ruf der Polizei und des FBI stehen auf dem Spiel, da die Öffentlichkeit, getrieben von der Sensationspresse, mehr und mehr Sympathie für die Täter aufbringt.
Die ersten drei Morde ähneln denen, die der Stiefvater von Kit Logan vor über 10 Jahren beging. Kits bester Freund Gabe ist auch (wenngleich er eigentlich unschuldig ist) auf der Top Ten des FBI und seit Jahren untergetaucht. Gabes Schwester Meghan weiß nicht, wo er sich aufhält, befindet sich aber auf der Flucht, weil sie sich beobachtet fühlt. Kit hilft ihr, ihre Beobachter abzuschütteln und fährt mit ihr auf sein Anwesen in Malibu. Die Mordserie, die sich weiter fortsetzt, die Angst um Gabe und die Tatsache, dass Meghan nicht vom FBI, sondern von einem alten Schulfreund beschattet wurde, lassen Kit eigene Nachforschungen starten. Er befürchtet, eine Gruppe von ehemaligen Schülern ihres Internats könnte hinter den Morden stecken. Und auch Alex Brandon begegnet immer wieder die Internatsschule Sedgewick in seinen Ermittlungen. Bei den ultrareichen Bürschchen hat wohl einiges in der Erziehung versagt.
Zunächst einmal zum Titel. "Das neunte Opfer" ist wohl die denkbar schlechteste Übersetzung des Originaltitels "Nine". Das neunte Opfer aus der FBI Top Ten ist nämlich ein Killer, der ungefähr eine Seite vor seiner Erschießung zum ersten mal in Erscheinung tritt. Übrig ist dann nur noch (natürlich) Gabe, der (natürlich) viel zu unrecht auf dieser Liste auftaucht. Also eigentlich das zehnte Opfer? Warum bleibt man nicht bei einer wortgetreuen Übersetzung des Originaltitels und verfremdet so den Sinn des ganzen?
Ansonsten liefert die Amerikanerin Burke mittelprächtige Durchschnittsunterhaltung. Die Beschreibungen der Opfer sind recht detailliert und dadurch gewaltreich. Wünschenswert wäre es gewesen, wenn sie ebenso gründlich bei der Beschreibung ihrer Charaktere vorgegangen wäre. Hier bedient sie sich nämlich einfach sämtlicher Schablonen, die die Leser schon aus der Feder anderer amerikanischer Autoren, die Krimi-Dutzendware verfassen. Tauglich für eine Verfilmung allemal, da die Verkörperung ihrer Protagonisten wohl keine Probleme für mittelklassige Absolventen unbekannter Schauspielschulen darstellen dürfte.
Hintergründe und Motive - puh - schwer greifbar und wohl auch nur schwer nachvollziehbar. Warum können ein paar reiche Jungs die gemeinsten Kriminellen des Landes ausfindig machen, während das FBI im Dunkeln tappt? Wie können sie die eigenen Sicherheitsvorkehrungen (u.a. Leibwächter) der Kapitalverbrecher ausschalten und so hinterhältigsten Killern spielend das Lebenslicht ausknipsen? Wie können sie berechnen, dass ausgerechnet Detective Brandon auf diesen Fall angesetzt wird. Ist wirklich jede Information und jeder Mensch, der sich ihnen in den Weg stellt, käuflich? Dem Leser wird wirklich einiges an Toleranz abverlangt.
Hinzu kommt eine atemberaubend schöne Frau, einmal Sex (ohne diese schöne Frau...), ein bis zwei plötzliche Wenden in der Handlung, ein ultimativer Showdown zwischen Gut und Böse und die ein oder andere Grausamkeit, die für den besonderen Nervenkitzel sorgen soll. Nein, einen bleibenden Eindruck kann dieses Buch nicht hinterlassen, und wenn, dann sicher nicht im positiven Sinne. Bleibt für Jan Burke zu hoffen, dass sich für den Stoff vielleicht ein Produzent und ein Regisseur finden, die das ganze doch noch zu einem Film verwursten.
Jan Burke, Goldmann
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