Goldrausch

  • Gmeiner
  • Erschienen: Januar 2004
  • 9
  • Meßkirch: Gmeiner, 2004, Seiten: 376, Originalsprache
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Peter Kümmel
75°1001

Krimi-Couch Rezension vonApr 2004

Weckt Vorfreude auf vielleicht kriminalistisch anspruchsvollere Fälle

Eigentlich hatte er seinen freien Tag und zudem Besuch von einer attraktiven Frau. Doch da bekantlich Mörder auf so etwas keine Rücksicht nehmen, wird es nichts mit dem Dire Straits-Konzert, das Wolfram Tannenberg - genannt "Tanne" -, Leiter der Kaiserslauterer Mordkommission, für diesen Abend eingeplant hatte.

Im Industriepark ist ein Brand ausgebrochen. In den Räumen einer Softwarefirma findet man eine Leiche, die nicht dem Feuer zum Opfer gefallen ist, sondern der man bereits vorher brutal den Schädel eingeschlagen hat. Identifiziert wird die Tote als Susanne Niebergall, CFO und Mitgesellschafterin der Firma. CFO, das sagt Tanne natürlich gar nichts, und so wird er aufgeklärt, das es sich um den "Chief Financial Officer" oder deutscher die "Chef-Buchhalterin" gehandelt hat. Der einzige Verdächtige für Tanne ist der CEO - der Chief Executive Officer - oder ganz banal der Chef der Firma: Siegfried von Wandlitz.

Zusammen mit seinem Anwalt hat sich von Wandlitz bei Tanne nicht nur mit Sprüchen wie

 

"Meine Frau bringt oft Schuhe zum Roten Kreuz. Wir sogenannten Besserverdienenden haben ja schließlich eine karitative Verantwortung gegenüber Menschen, die vom Schicksal nicht so verwöhnt wurden wie wir."

 

äußerst beliebt gemacht, so daß der Kommissar sich bei seinen Ermittlungen auf ihn eingeschossen hat und nur noch danach sucht, wie er ihm die Tat beweisen kann. Was Tanne an anderer Arbeit in die Quere kommt, das wälzt er auf seine Mitarbeiter ab. Doch diese haben wichtigere Dinge im Kopf als ihre Arbeit. Der Neue Markt boomt, und nicht nur Kollege Armin Geiger hat erkannt, wie er das schnelle Geld verdienen kann. Nebenberuflich ist er Anlageberater bei Midas-Power-Investments, fährt jetzt Porsche und kassiert Provisionen von dem Geld, dass seine Kollegen auf seinen Rat hin investieren.

Der Mord an einem Obdachlosen ist nur eine lästige Pflicht für Tanne, bis er plötzlich Zusammenhänge zwischen den beiden Fällen zu erkennen glaubt.

Mit dem Hauptkommissar Tannenberg hat Franzinger eine Figur geschaffen, mit der man sich identifizieren kann und in der vermutlich einiges von ihm selbst steckt. Altersmäßig ist er wohl so kurz vor den fünfzig angesiedelt. Er ist Witwer und hat den Tod seiner Frau vor sieben Jahren noch immer nicht überwunden. Er wohnt zusammen mit seinen Eltern im Haus und sonntags gibts bei Mama Mittagessen. Beruflich ist er so, wie ein Kommissar nicht sein sollte: unbedacht und übereilt in seinen Äußerungen und Handlungen. Er lässt kein Fettnäpfchen aus und so wird schon mal ein Verdächtiger zuerst verhaftet und erst danach die Fingerabdrücke verglichen statt umgekehrt. Nicht umsonst trägt er aufgrund seines aufbrausenden Wesens den weiteren Spitznamen "Wotan". Wenn er Mordanschläge auf Hunde verübt, dann macht ihn das sicherlich nicht bei jedem Leser sympathisch. Doch es gibt auch noch Tannes andere sentimentale Seite, wenn er bei Sissi- oder Winnetou-Filmen vor dem Fernseher weint oder Ausflüge in die eigene Vergangenheit unternimmt, als kommunistische Stammtischparolen an der Tagesordnung waren und die Mao-Bibel gelesen wurde.

Den Boom am Neuen Markt zur Jahrtausendwende hat der Autor ein paar Jährchen in die Zukunft verlegt (zumindest zahlt man schon mit Euro). Das Streben nach dem großen Geld bildet die Quintessenz seines Romans. Dabei lässt er seine gut herausgearbeiteten Charaktere so manche mehr oder weniger sinnreiche Weisheiten von sich geben.

 

"Aktienkurse steigen immer dann, wenn mehr Idioten als Aktien auf dem Markt vorhanden sind - und sie fallen, wenn es mehr Aktien als Idioten gibt."

 

Wie die Geschichte mit den Investitionen für so manchen Kleinanleger geendet hat, das wissen wir schließlich noch aus der jüngsten Historie.

Doch nicht nur die wie Sterne aufflackernden und wieder verglühenden Technologiefirmen bekommen ihr Fett weg. Auch mit der Deutschen Bahn scheint Franzinger nicht so zufrieden zu sein und das Mißmanagement beim 1. FC Kaiserslautern hat er auch erkannt. Und daß es zwischen Vorder- und Hinterpfälzern eine traditionelle Rivalität gibt, weiß man jetzt auch als Nicht-Pfälzer.

Franzingers leicht überzeichnete Charaktere sind treffend dargestellt und einprägsam. Sein humorvoller Schreibstil ist flüssig und leicht lesbar. Trotz fast 400 Seiten lässt sich das Buch schnell verschlingen. Wie stilvoll der Autor zu schreiben vermag, zeigt schon die Eingangssequenz, in der er aus der Beschreibung des Trinkens einer Tasse Espresso einen wahren Genuss macht.

Soviel Lob für "Goldrausch" - warum dann keine absolute Spitzenwertung? Nun, wir sollten nicht vergessen, dass das Werk unter der Rubrik Kriminalroman und nicht nur unter Unterhaltungsroman läuft. Der Fall an sich ist nicht sehr spektakulär, die Auflösung des Ganzen doch sehr dem Zufall überlassen und eine wichtige Begebenheit bleibt sogar unaufgelöst. Die Liebe zum Detail, die Franzinger bei so vielen kleinen Begebenheiten zeigt, lässt er leider etwas vermissen, wenn es um polizeiliche Ermittlungsarbeit geht.

Trotz dieser Mißstände bietet Goldrausch angenehme und absolut kurzweilige Unterhaltung. Hauptkommissar Tannenberg und sein Freund Dr. Schönthaler dürften sich bei vielen Lesern schnell Sympathien erarbeitet und Vorfreude auf neue vielleicht kriminalistisch anspruchsvollere Fälle geweckt haben. In diesem Ermittlungsteam steckt noch jede Menge Potential für weitere Bücher. Neben Monika Geier hat die Pfälzer Krimilandschaft mit Bernd Franzinger nun ein zweites Aushängeschild.

Goldrausch

Bernd Franzinger, Gmeiner

Goldrausch

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