Nevada Pass
- Lichtenberg
- Erschienen: Januar 1975
- 3
- London: Collins, 1974, Titel: 'Breakheart Pass', Seiten: 192, Originalsprache
- München: Lichtenberg, 1975, Seiten: 201, Übersetzt: Georgette Skalecki & Erika Nosbüsch
- München: Heyne, 1977, Seiten: 200
- München: Heyne, 1993, Seiten: 200
Pure, geradlinige Unterhaltung als interessante Mischung aus Kriminal-Thriller und Western Nevada Pass - der Film
Nevada im Winter des Jahres 1873. Durch die trostlose Eis- und Schneewüste kämpft sich ein Eisenbahnzug gen Westen. An Bord: Colonel Claremont und knapp 80 Soldaten, die im Fort Humboldt ihre an der Cholera erkrankten Kameraden verstärken sollen. Sie werden begleitet von Fairchild, dem Gouverneur von Nevada, und Marica, seiner Nichte, die zu ihrem Vater, dem Kommandanten des Forts, unterwegs ist.
Ein letztes Hindernis tut sich vor diesem Ziel auf: der Nevada-Pass - hoch, eisig, stürmisch. Kommt es hier zu einem Zwischenfall, wird so rasch niemand den Reisenden helfen können. Im Drecksnest Reese City am Fuß der Berge hält der Zug ein letztes Mal, um Holz und Verpflegung aufzunehmen. Hier kommt noch ein Passagier an Bord. US-Marshal Nathan Pearce soll den in Fort Humboldt festgesetzten Schmuggler, Aufrührer und Mörder Sepp Calhoun der Justiz überstellen.
Ausgerechnet in Reese City läuft ihm jetzt der steckbrieflich gesuchte Spieler, Revolverheld und Mörder Jack Deakon in die Arme. Den will er ebenfalls vor Gericht bringen. Auch Deakon muss die Gesellschaft daher "begleiten".
Die Fahrt zum Pass wird zu einer Kette von Katastrophen. Offensichtlich ist mindestens ein Saboteur an Bord, der mit allen Mitteln verhindern will, dass die Soldaten Fort Humboldt erreichen. Dieses ist längst von Calhouns Schurken und den mit ihnen im Bunde stehenden Paiute-Indianern unter ihrem kriegerischen Häuptling White Hand erobert und besetzt worden. Die Telegrafenleitung wird gekappt, Zugbremsen werden manipuliert, Waggons abgekoppelt. Der undurchsichtige Deakon schürt das stetig wachsende Misstrauen. Er ist nicht der, als welcher er sich ausgibt. Heimlich und unter großen Schwierigkeiten überprüft er den Zug und seine interessante Ladung und kommt einem Komplott auf die Spur.
Selbst wenn der Zug den Pass erreicht, erwarten ihn dort die Indianer und Calhouns Bande. Auf dem schmalen Gleis entbrennt im und auf dem Zug ein mörderischer Kampf, bei dem Freund und Feind nicht voneinander zu unterscheiden sind ...
In der ersten Hälfte Kriminal-, zum Finale hin Action-Thriller, beide beheimatet im Wilden Westen des 19. Jahrhunderts - eine ungewöhnliche Kombination, die indes reizvoll aufgeht. "Nevada Pass" ist zudem ein Unterhaltungsroman aus der "guten, alten Zeit", verfasst von einem Profi des Genres, d. h. sauber geplottet, gut besetzt und "altmodisch" entwickelt, was bedeutet, es gibt einen Auftakt, einen Mittelteil mit sich steigernder Spannung und ein rasantes Finale.
Autor MacLean scheut sogar die Nähe zum klassischen Kriminalroman nicht; "Nevada Pass" präsentiert sogar eine Skizze des Zuges, auf den sich der Hauptteil der Handlung konzentriert, sowie einen Lageplan von Fort Humboldt und Umgebung. So raffiniert wie der "Mord im Orientexpress" ist "Nevada Pass" natürlich nicht geraten, aber es beeindruckt doch die Akkuratesse, mit der MacLean seine turbulente Story in das historische Umfeld eingepasst hat.
Der Plot ist ohnehin komplexer als dies viele Kritiker zugeben mochten. MacLean kann und mag seine Nähe zum Agententhriller nicht leugnen. Gleich mehrere Parteien treiben im Zug zum Nevada-Pass ihr undurchsichtiges Spiel, in dem Menschenleben wenig zählen. (Übrigens hat MacLean dieses Prinzip auch im Kriegsroman "Where Eagles Dare" - dt. "Agenten sterben einsam" - 1967 erfolgreich eingesetzt.) Niemandem ist zu trauen, Profis leisten erfolgreich schmutzige Arbeit. Maclean nimmt seine Geschichte und seine Leser sehr Ernst. Entschärfend-zynische Witzeleien à la "Bad Boys II" gibt es nicht.
Jack Deakon = James Bond? Der Vergleich ist schlüssig, obwohl er generell einfach zu ziehen ist. Man nehme einen professionellen Troubleshooter in Regierungsdiensten, dem es nichts ausmacht mörderische Drecksarbeit ohne Ruhm und Ehre zu verrichten, weil er das für "richtig" hält - da haben wir unseren Bond-Model. Bei Bedarf kann ihn sein geistiger Vater mit einigen seelischen Macken schlagen; das macht ihn menschlicher und die Kritiker lieben das.
Diese Mühe hat sich MacLean erspart. Deakon ist vielleicht ein Profi, aber dann einer hart an der Grenze zum Psychopathen. Er wirkt nicht nur hart und emotionsarm, er ist es auch. Fällt einmal die Maske, kommt dahinter ein sehr unangenehmer Zeitgenosse mit arg ausgeprägten Killerinstinkten zum Vorschein. MacLean begründet dies damit, dass der Westen von 1873 in der Tat wild und folglich von emotional recht abgestumpften Menschen bewohnt war. Harte Winter, heiße Sommer, Seuchen, wilde Tiere, dazu Indianer, Galgenvögel, Unruhestifter: Da braucht es nach MacLean schon Männer wie Deakon, um dem Recht Geltung zu verschaffen.
Jack Deakon wurde als Figur geschaffen, die man als Leser bei ihren Aktivitäten begleiten soll. Was Deakon denkt und fühlt, ist für MacLean Nebensache. Die Story steht für ihn im Vordergrund. Deshalb fallen die übrigen Charaktere sogar noch flacher aus. Der Gouverneur, der Marshal, der Colonel, der Häuptling, der Bandit - sie benötigen im Grunde nicht einfach Namen. Auf der anderen Seite passt diese Austauschbarkeit durchaus zur Story, die ja vor doppelten Identitäten förmlich überquillt.
Die Leserin sei gewarnt, dass die energische Marica nur deshalb mit im Zug sitzt, weil sogar Alistair MacLean in den 1970er Jahren gelernt hatte, dass ein Roman (auch als Vorlage eines zukünftigen Films) mindestens eine weibliche Hauptrolle aufweisen muss. Ihre bloße Existenz ist aber auch alles, was MacLean ihr zugestehen möchte. Für den Fortgang der Handlung ist Marica absolut entbehrlich.
"Nevada Pass" wurde zum Bestseller und erregte umgehend das Interesse Hollywoods. MacLean kannte dort seine Pappenheimer und sorgte dafür, dass er selbst das Drehbuch schrieb, um allzu grobe Verfälschungen zu verhindern. Tatsächlich ist "Breakheart Pass", den Tom Gries 1975 inszenierte, ein schnörkelloses B-Movie der 1970er Jahre geworden. In der Rolle des mysteriösen Deakon sehen wir den oft unterschätzten Charles Bronson. Auch die übrigen Rollen wurden mit großartigen und guten Schauspielern der zweiten Hollywood-Garnitur (Ben Johnson, Richard Crenna, Jill Ireland, Charles Durning, Ed Lauter) besetzt.
Alistair MacLean, Lichtenberg
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