San Francisco Blues
- Argon
- Erschienen: Januar 2004
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- New York: Mysterious Press, 2002, Titel: 'Dead Midnight', Seiten: 289, Originalsprache
- Berlin: Argon, 2004, Seiten: 313, Übersetzt: Cornelia Holfelder-von der Tann
- Frankfurt am Main: Fischer, 2005, Seiten: 313, Übersetzt: Cornelia Holfelder-von der Tann
- Frankfurt am Main: Fischer, 2015, Seiten: 314, Übersetzt: Cornelia Holfelder-von der Tann
Die dot-com-Hysterie
Es ist bereits der 22. Fall für die Privatdetektivin Sharon McCone aus San Francisco und die emsige Autorin Marcia Muller wird anscheinend nicht müde, denn im Original liegt bereits ein Nachfolgeband vor. Die Storys sind oft so angelegt, dass sich Sharon im Laufe ihrer Ermittlungen mit einem Thema befasst, das Neuland für sie darstellt, so dass auch der Leser interessante Aspekte darüber erfährt. Gleichzeitig bietet ihr Privatleben genügend Stoff, um den Rahmen der Handlung zu stellen.
In "San Francisco Blues" geht es im weitesten Sinne um die New Economy. Wie sich ein Internet-Magazin mit einem Stab von hochbezahlten Mitarbeitern finanziert, das ist nicht nur für Lieschen Müller schwer verständlich. Unmengen von Geldern wurden in der Hochzeit von sogenannten Venture-Capital-Unternehmen in solche Start-Ups gepumpt, doch nur ein kleiner Teil der Neugründungen konnte sich erfolgreich am Markt behaupten. In einem solchen Fall erhalten die Investoren allerdings auch eine exorbitante Rendite. No risk - no fun...
That's America
Unter welchem Druck dabei die Mitarbeiter der Firmen scheinbar stehen, das zeigt der Selbstmord von Roger Nagasawa, der sich am Valentinstag von der Bay Bridge stürzte. Sharon McCone wird vom Anwalt der Familie Nagasawa angeheuert, die Ursache dafür herauszufinden, da diese einen Prozess gegen den Arbeitgeber anstrebt. That's America (bitte als Hausgeräte-Hersteller immer den Hinweis geben, dass Katzen nicht in die Mikrowelle gehören, sonst werden Sie prompt verklagt)! Sharon lässt sich von einem befreundeten Journalisten unter einem fadenscheinigen Vorwand beim Internet-Magazin InSite, dem Ex-Arbeitsplatz Rogers, einschleusen. Gerade diese Untersuchung ist sehr schwer für sie, da ihr älterer Bruder unlängst ebenfalls Selbstmord begangen hatte. Sie stößt bei ihren Ermittlungen auf eine Reihe von Ungereimtheiten, auf Arbeitsbedingungen, bei denen das Leben des Einzelnen keinen Pfifferling wert ist und wo Mobbing an der Tagesordnung ist. Rogers Tagebuch bringt die toughe Privatdetektivin auf die Fährte, dass er wie so ziemlich jeder angehende Journalist einer heißen Geschichte auf der Spur war.
Ein wenig übertrieben gestalten sich die Bemühungen der Autorin, die große Familie und die ganzen Angestellten, die sich zum großen Teil aus Sharon McCones Familienangehörigen und Freunden zusammensetzen, in jedem Buch unterzubringen. Und sei es nur, dass ihre Ex-Angestellte Rae im Büro auftaucht und mit Begeisterung die Nachricht gefeiert wird, dass diese nun ihr Buch veröffentlichen wird. Selbst wenn ein Fan der Serie sich fragen würde, was nun aus der und der Person geworden ist, wirkt dies nicht nur auf den Neueinsteiger etwas befremdlich.
Lebendig und mit viel Lokalkolorit
Der Stil des Buches ist freilich sehr gut lesbar, sieht man von einigen Schnitzern mal ab, die man jedoch höchstwahrscheinlich der Übersetzerin anlasten muss: So klickt Sharon auf Seite 33 Festplattenikone an, auf Seite 242 waren an vielen Workstations (=Arbeitsplätzen?) die Schubladen herausgezogen und auf Seite 243 findet sie Zirkulare (=Umläufe). Die Think Tanks und das Appellationsgericht erwähne ich nur nebenbei, wobei ich persönlich auch hier eine gebräuchlichere Übersetzung bevorzugt hätte.
Die Vermittlung der Fakten rund um die New-Economy ist der Autorin sehr gut gelungen. Es wirkt keineswegs bemüht oder angestrengt, wie sie die Hintergrundinformationen in die Geschichte einbindet, da ihre Heldin die wissenswerten Details im Rahmen ihrer Recherche aus mehreren Quellen zusammenträgt. Auch ansonsten wird die Handlung sehr lebendig geschildert und mit viel Lokalkolorit garniert, was für jemanden, der noch nie in San Francisco war, zumindest recht anschaulich ist und viel Atmosphäre transportiert. Im lockeren Stil lässt Marcia Muller ihre Protagonistin selbst erzählen, so dass man immer ganz nah dran ist.
Nach "Gefährliche Stille", dem Vorgänger, den ich etwas enttäuschend fand, ist Marcia Muller mit "San Francisco Blues" ein Schritt in die richtige Richtung gegangen. Sie hat hier zwar keinen Mega-Roman erschaffen, von dem man noch Jahre sprechen wird, aber gute Unterhaltung für zwischendurch bietet der Krimi allemal.
Marcia Muller, Argon
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