Angstspiel
- Heyne
- Erschienen: Januar 2004
- 51
- New York: Atria Books, 2003, Titel: 'Fear itself', Seiten: 327, Originalsprache
- München: Heyne, 2004, Seiten: 430, Übersetzt: Sepp Leeb
- München: Heyne, 2006, Seiten: 430, Übersetzt: Sepp Leeb
Eine lieblose Fortsetzung
Das Spiel mit der menschlichen Angst ist schlimm, mitunter pervers. Das wissen nicht nur Thriller-Autoren, sondern auch Simon Childs, Serienkiller in Jonathan Nasaws Nachfolger von Die Geduld der Spinne . Den Namen an dieser Stelle bereits zu verraten, ist angesichts dieses zusammengeschusterten Romans kein Spannungskiller. Nasaw selbst tötet schon auf den ersten Seiten jede Miträtsellust im Keim, schöpft vielmehr die Spannung daraus - ähnlich wie im Vorgänger - wie nun FBI-Special Agent Pender dem Killer das Handwerk legen kann. Ein "Page-Turner" wird daraus leider nur auf den ersten 180 Seiten. Da hat das Buch seinen Bruch und man wäre trotz der in der Tat originellen Idee nicht enttäuscht, endete es bereits an dieser Stelle.
Konfrontation mit den schlimmsten Alpträumen
Doch kurz zum Inhalt: Ed Pender steht als Serial-Killer-Experte vor dem Ende seiner Laufbahn, die an multipler Sklerose erkrankte Linda Abruzzi ist als seine Nachfolgerin auserkoren. Pender, des FBIs schlechtgekleidetster Ermittler, nimmt jedoch noch ein letztes Mal die Spur auf, als er von merkwürdigen "Selbstmorden" in Kalifornien erfährt. Bereits jetzt weiß der Leser, was gespielt wird, bzw. was Simon Childs, spielt: das Angstspiel. Childs kidnappt seine Opfer und foltert sie, indem er sie mit ihren schlimmsten Alpträumen konfrontiert. Ein unter Flugangst Leidender stürzt ab, ein Schwuler mit einer Phobie vor Vögeln wird in einer Art Voliere eingesperrt. Childs ergötzt sich an der Angst seiner Opfer, die er nach dem "Angstspiel" natürlich nicht weiterleben lassen kann. Das Perfide daran: Childs hat auf eigene Faust eine Selbsthilfe-Website für Phobiker im Internet auf die Beine gestellt - die ihn freilich mit "Nachschub" bestens versorgt...
Soweit die Originalität. Dass eine nahestehende Person des Fahnders und er schließlich selbst ins Visier des Mörders gerät, hat man schon fast erahnt. Auch dass die Morde sich an Brutalität übertrumpfen, gehört zum Handwerk des Thriller-Autors. Das ist aber auch nicht das Störende am "Angstspiel", denn an sich liest es sich genau so gut (oder schlecht, je nach Gusto) wie jeder andere 08/15-Thriller. Bis auf die Tatsache, dass "Angstspiel" im Vergleich zum fulminanten Auftakt der Ed Pender-Reihe einen schalen Eindruck hinterlasst, ja man fast meinen könnten, dem Autor wäre die Lust am eigenen Roman vergangen.
Flapsige Sprache - nur ein Abklatsch
Schon von Anfang irritiert die flapsige Sprache Nasaws. Zwei Hemdknöpfe am Gegenüber offen? Drei? Nein, doch zwei. Hin und wieder ein paar Äußerungen Penders, der sich auch als Verbal-Rambo gut machen würde.
"Die Geduld der Spinne" war psychologisch hochklassig, "Angstspiel" hingegen nicht mal ein Abklatsch. Die Figur Simon Childs´ ist unter den zahlreichen Killern im Thriller-Genre wirklich keine Bereicherung - Motiv, Werdegang und Rachlust kennt der Leser aus zig Hannibal & Co.-Romanen. Warum Jonathan Nasaw nun auch noch eine Schwester mit Down-Syndrom und eine FBI-Agentin mit MS einbauen musste, wird nur er wissen.
Auch wird nur er wissen, warum er den Spannungsbogen nach 180 Seiten auf 0 sinken lässt. Dann steigt das Adrenalin, Seite um Seite, Mord um Mord um in einem sowas von einfallslosem, unbefriedigendem Finale zu gipfeln, wo nur noch die Frage bleibt: Das war´s? Mehr nicht? Und nun?
Schlussendlich stimmt gar nichts mehr
Man wird den Eindruck nicht los, dass Nasaw eine gute Idee hatte (den Phobiker-Hasser), dann aber unter Zeitdruck (oder Verlagsdruck) schnell einen Nachfolger von "Die Geduld der Spinne" stricken musste, wo bis auf das beabsichtigte Muster schlussendlich gar nichts mehr stimmte.
So sehr, wie ich von "Die Geduld der Spinne" gepackt war, lässt mich "Angstspiel" kalt. Und so überraschend, wie Nasaw sich auf die Liste der Must-Read-Thriller katapultiert hat, ist er nun im Riesenkessel der B-Autoren versunken. Schade um die Idee, schade um die Figur Ed Pender und schade um den Autor Jonathan Nasaw, von dem man viel mehr erwarten durfte als diese lieblose Fortsetzung.
Jonathan Nasaw, Heyne
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