Die Notizen des Doktor Freud
- Deuticke
- Erschienen: Januar 2004
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- Wien; Frankfurt am Main: Deuticke, 2004, Titel: 'Die Notizen des Doktor Freud', Seiten: 181, Originalsprache
Originelle Ausgangsidee ohne passenden Schluss
Georg Federer, Kriminalbeamter in Wien, gerät zu seinem zweiten Fall wie die Jungfrau zum Kind. Der Ermittler, der bislang sein Leben beim Psychoanalytiker Doktor Bergasser auf der Couch offen legte, wird jäh seines medizinischen Beistandes beraubt, denn dieser wird in seiner Praxis ermordet. Und ausgerechnet Federer selbst entdeckt die Leiche in einem Zustand benebelter Sinne.
Die Polizeimaschinerie beginnt zu laufen. Aber sie wird durch die Wiener Gesellschaft für Psychoanalyse behindert, die eisern die Herausgabe vertraulicher Dokumente des Ermordeten zu verhindern weiß. Doch sie hat nicht mit den Kollegen Federers gerechnet, die sich auch nicht ganz legaler Methoden bedient, um an die Patientenliste des Arztes zu gelangen. Zwei Männer waren bei Doktor Bergasser in Behandlung. Einer davon hat ein Alibi, der andere ist Georg Federer. Und er hat kein Alibi. War er der Mörder seines Psychoanalytikers? Die Kollegen sind davon überzeugt und er selbst ist sich auch nicht ganz sicher. Ihm bleiben vierundzwanzig Stunden, in denen er klären muss, was die Mitglieder der Wiener Gesellschaft für Psychoanalyse, eine intime weibliche Bekanntschaft, Gustav Mahler und seine italienische Dauerfreundin Cecilia mit dem Mord zu tun haben, und ob er selbst schuldig oder unschuldig ist.
Der Psychoanalytiker Hans-Otto Thomashoff bleibt in seinem zweiten Krimi mit dem Wiener Ermittler Georg Federer bei seinen Leisten und das tut diesem Buch bis zum bitteren Ende gut. Seelische Zerrüttung und intrigantes Machtspiel unter Ärzten zeichnen ein Bild typischer Vereinsmeierei, gepaart mit dem unverwechselbaren und teilweise skurrilem Flair der Stadt Wien. Diese Mischung zwischen ewig gestrigem Kulturgehabe und modernem Medizinanspruch macht aus "Die Notizen des Doktor Freud" mehr als einen simplen Krimi.
Wie schon in seinem Erstling "Keiner sah den anderen" besticht der Text auf den 181 Seiten durch gut recherchierte Sach- und Ortskenntnis und eine gut herausgearbeitete Charakterisierung der handelnden Personen. Federer ist so gar nicht der Superbulle, sondern ein nicht immer ganz alltagstauglicher, kauziger Polizist, der aber in keiner Phase die schwermütige Tristesse seiner skandinavischen Kollegen aufweist. Ob er sich nun mit seinem Hund Marilyn das Bett teilt oder eine Unbekannte während eines Mahlerkonzerts die Hand unterhalb seiner Gürtellinie zu gar nicht konzertanten Streicheleinheiten verwendet, nichts wirkt aufgesetzt und zufällig. Plausibel werden step by step alle Punkte abgehandelt, nur das Ende kann mit dem restlichen Roman nicht Schritt halten. Thomashoff produziert ein Open End und lässt den Leser mit dem Finale aus Gustav Mahlers Dritter Symphonie "Was mir die Liebe erzählt" unbefriedigt zurück.
Der Kriminalroman aus Verlag Deuticke liest sich in allen Belangen frisch und leicht, versteht es auch die Spannung rund um Federers Handeln kontinuierlich aufzubauen, reißt aber am Schluss leider deutlich ab und verhindert damit eine Höchstwertung für dieses Buch. Die originelle Ausgangsidee bewegt sich leider hin zur Vermutung, dass Herrn Thomashoff entweder kein passender Schluss eingefallen ist oder er mit Absicht dem Leser eine Eigeninterpretation aufdrängen will. Persönlich hat mich diese Art einen Krimi zu beenden, wenig begeistert.
Hans-Otto Thomashoff, Deuticke
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