Gänsehaut

  • Scherz
  • Erschienen: Januar 1966
  • 2
  • New York: Alfred A. Knopf, 1964, Titel: 'The Chill', Originalsprache
  • Bern; München; Wien: Scherz, 1966, Seiten: 183, Übersetzt: Gretel Friedmann
  • Zürich: Diogenes, 1976, Seiten: 229, Übersetzt: Gretel Friedmann
  • Marburg/Lahn: Verl. und Studio für Hörbuchproduktionen, 2003, Seiten: 5, Übersetzt: Christoph Lindert, Bemerkung: ungekürzte Lesung
  • Zürich: Diogenes, 2014, Seiten: 416, Übersetzt: Karsten Singelmann
Gänsehaut
Gänsehaut
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Thomas Kürten
84°1001

Krimi-Couch Rezension vonJan 2004

Drei Morde in drei Jahrzehnten

Immer wieder schön, wenn aufgrund von Neuauflagen die alten Klassiker von Ross MacDonald wieder in die Regale der Buchhandlungen hierzulande kommen. Da der Schweizer Diogenes die Rechte an vielen Klassikern wie Chandler, Hammett und auch MacDonalds Ehefrau Margaret Millar hält und sich um die Pflege solcher Dauerbrenner gut kümmert, steht seit Februar 2007 die 14. Auflage von "Gänsehaut" in den Regalen der Buchhandlungen.

Unter dem Originaltitel "The Chill" war MacDonald mit diesem Roman für den Golden Dagger der British Crime Writers Association nominiert. Und tatsächlich ist "Gänsehaut" ein guter Kriminalroman, in dem MacDonald seine Stärken wieder einmal voll ausleben kann.

Das Drama einer jungen Ehe

Am Rande eines Gerichtstermins wird Lew Archer vom jungen Alex Kincaid angesprochen. Dieser hatte gerade geheiratet, als ihn seine junge, bildhübsche Frau Dolly auch schon wieder verließ. Nun beauftragt er Archer mit der Suche nach Dolly und ist auch durch den hohen Tagessatz von 100 US-Dollar nicht abzuschrecken. Zunächst passt ein Stein auf den anderen: Der Detektiv spricht mit Hotelangestellten, Besuchern und Mitarbeitern einer Werkstatt und findet schließlich Dolly als Studentin (natürlich Psychologie, es ist ja ein MacDonald-Roman) an einer nahen privaten Hochschule. Einen Job hat sie inzwischen auch gefunden als Fahrerin der Mutter des Dekans der Universität. Zurück zu Alex will sie allerdings nicht, da sie behauptet, schwere Schuld zu tragen. Die junge Frau ist nämlich traumatisiert, seit sie vor über 10 Jahren als kleines Mädchen erleben musste, wie ihre Mutter erschossen wurde.

Eigentlich ist Archers Arbeit ja damit erledigt, aber nur wenige Stunden später hat Dolly Blut an ihren Händen und bezichtigt sich abermals, Schuld an einem Mord zu sein. Für die Polizei wird sie schnell die Hauptverdächtige für die Ermordung ihrer Hochschuldozentin, zumal die Tatwaffe in ihrer Wohnung sichergestellt wurde. Mit Hilfe eines renommierten Psychologen schafft es Archer, den Zugriff der Polizei vorerst zu verhindern. Weil er von der Unschuld Dollys überzeugt ist, versucht er im Auftrag des jungen Ehemannes, Beweise hierfür zu finden. Bald stößt er auf einen dritten Mordfall, der sogar schon über 20 Jahre her ist. Aber Mord verjährt nicht...

Schwacher Einstieg, starkes Ende

Manchmal wundert man sich, wie einfach das Detektiv-Leben sein kann. Wie rasch Archer eingangs die junge Dolly findet und dass sie sogar noch in der gleichen Stadt ein offenbar ganz normales Leben lebt, wirft die Frage auf, ob Alex Kincaid in den vorangegangenen Wochen blind durch die Gegend gelaufen ist. Die ersten Seiten sind gerade für einen MacDonald sehr schwach geraten: X kennt Y, Y war neulich bei Z und hat was gesehen, Z weiß, wo die Gesuchte ist. Aber hier hat sich der Autor offenbar nur warm geschrieben. Was danach kommt, ist wieder ein echter MacDonald in Bestform. Tief muss er in der Familiengeschichte wühlen, um gut verborgene Geheimnisse ans Tageslicht zu holen.

Besonders beklemmend ist ihm dabei der Charakter der Dolly Kincaid gelungen. Die schwere Psychose, in die sie gerät, sowie die schwere Belastung, die Dolly durch ihre andauernde Schuldbeteuerung für ihre Umwelt darstellt, gehen unter die Haut. Die Behandlung durch den Psychologen und die Rückschlüsse, die daraus für die Polizeiarbeit entstehen, sind typisch für MacDonald. Immer wieder steht bei ihm im Vordergrund nicht die pure Beschreibung eines Charakters, sondern die Ergründung, warum ein Mensch zu dem geworden ist, was er ist. In diesem Zusammenhang ist die Enttarnung des Mörders und seiner Motive als wahrer Geniestreich zu werten. Hier schafft es MacDonald tatsächlich, seinen Lesern zu einer wahren Gänsehaut zu verhelfen.

Gänsehaut

Ross Macdonald, Scherz

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