Ein Grinsen aus Elfenbein
- Amsel
- Erschienen: Januar 1954
- 2
- New York: Knopf, 1952, Titel: 'The Ivory Grin', Seiten: 240, Originalsprache
- Berlin: Amsel, 1954, Titel: 'Nichts als ein Skelett', Seiten: 231, Übersetzt: Dietrich Bogulinski
- Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1968, Titel: 'Bis auf die Knochen', Seiten: 155, Übersetzt: Charlotte Hamberger
- Zürich: Diogenes, 1976, Seiten: 204
- Beltershausen: Verlag und Studio für Hörbuchproduktionen, 2002, Seiten: 5, Übersetzt: Christoph Lindert
Immer wieder ein detektivisches Highlight
Die ebenso undurchsichtige wie unsympathische Una Larkin beauftragt Privatdetektiv Lew Archer, eine junge Frau namens Lucy Champion zu suchen, da diese ihr angeblich Schmuck entwendet habe. Schnell erkennt Archer, dass dies nur ein Vorwand ist, doch seine Neugier ist geweckt. Als er Lucy findet, fliegt diese soeben aus ihrem Zimmer bei der Familie Norris, da sie sich nach Ansicht der Hausherrin zu sehr für ihren Sohn Alex interessiert. Sie findet eine Unterkunft in einem Wohnwagenpark, wo sie wenig später von Archer mit durchgeschnittener Kehle aufgefunden wird. Da unmittelbar nach Archers Ankunft auch Alex Norris vor Ort erscheint und nach Eintreffen der Polizei die Flucht ergreift, wird dieser von Lieutenant Brake umgehend der Tat verdächtigt und wenig später verhaftet.
„Muss ich darauf antworten? Lassen Sie mich mal Ihren Ausweis sehen."
„Ich bin Privatdetektiv und arbeite mit der Polizei zusammen."
„Für wen arbeiten Sie denn?"
„Mein Klient will ungenannt bleiben."
„Sehen Sie. Berufsgeheimnis. Ist bei mir dasselbe."
Für Archer ging die Verhaftung ein wenig zu schnell und ist nur dadurch zu erklären, dass Alex ein Farbiger ist. Archer will nun die Wahrheit erfahren und stößt dabei in ein wahres Wespennest aus Lügen, Intrigen und Verrat. Dabei werden nicht viele der handelnden Personen lebend aus der Geschichte herauskommen...
Ross Macdonald war ein wichtiger Mitbegründer des modernen Detektivromans.
Ross Macdonald gilt zu Recht als einer der wichtigsten Autoren in der Entstehungsgeschichte des Detektivromans. Was er allein in diesen rund 200 Seiten dünnen Roman hineinpackt, wie er die Handlung derart verdichtet und dennoch einen packenden Plot mit etlichen überraschenden Wendungen und viel Sprachwitz erschafft, ist selbst über sechzig Jahre nach Erscheinen der Erstausgabe („The Ivory Grin", 1952) ein Erlebnis. Anfangs erscheint die Handlung etwas fad, kommt nur langsam von der Stelle und lässt zunächst einen irritierten Leser zurück, der genau wie der Protagonist und Ich-Erzähler rätselt, um was es denn bei der Suche nach Lucy Champion überhaupt geht? Immer mehr Personen werden mit der Zeit ins Spiel gebracht, darunter ein höchst undurchsichtiger Privatdetektiv. Es ist ein wenig wie auf einer Achterbahn: Zunächst nimmt das Fahrzeug bedächtig seinen Betrieb auf, treibt langsam auf etliche Höhepunkte zu, von denen es dann mit umso mehr Tempo hinab geht.
„Können Sie sie beschreiben?"
„Wenn ich die richtigen Worte finde ... Sie war eine junge Aphrodite, eine Venus von Velasquez mit dem Kopf einer nordischen Göttin."
„Versuchen Sie's noch einmal, Mr. Wilding, aber bleiben Sie auf dem Teppich."
„Eine nordische Aphrodite, dem baltischen Meer entstiegen. Sie war vollkommen – solange sie den Mund nicht aufmachte. Dann wurde einem schmerzhaft klar, dass sie ihr Englisch in einem mehr als barbarischen Milieu gelernt haben musste."
Nicht selten droht man im vorliegenden Fall den Überblick zu verlieren. Man muss schon konzentriert bei der Sache sein, denn der Autor schlägt zahlreiche Volten. Temporeich und sprachgewaltig überzeugt vor allem aber Lew Archer, der sein Herz am rechten Fleck hat und in Ein Grinsen aus Elfenbein auch mit dem mehr oder weniger offen gezeigten Rassismus seiner Zeit konfrontiert wird, den er selber ablehnt. So beinhaltet das Buch neben einem spannenden Krimiplot zudem eine kleine Gesellschaftskritik, wobei Formulierungen wie „Negerin" oder „Negermädchen" nicht immer abwertend gemeint, sondern mitunter dem Sprachgebrauch der damaligen Zeit geschuldet sind.
Freunde der „klassischen Kriminalliteratur" kennen Ross Macdonald natürlich ebenso wie Dashiell Hammett und Raymond Chandler. Wer Macdonald (noch immer) nicht kennt, sollte ihn alsbald „entdecken".
Ross Macdonald, Amsel
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