Der Tod ist nicht fair
- Heyne
- Erschienen: Januar 1977
- 4
- London: Faber & Faber, 1938, Titel: 'Death Is no Sportsman', Seiten: 318, Originalsprache
- München: Heyne, 1977, Titel: 'Das Geheimnis des Anglers', Seiten: 125, Übersetzt: Hans Maeter
- Zürich: Diogenes, 1994, Seiten: 337
Ein Miträtsel-Krimi verfasst von einem Meister seines Fachs
Man sage nicht, das Schicksal träfe nie den Richtigen, wenn es wieder einmal hart zuschlägt. In diesem Fall war es allerdings ein wohlgezielter Schuss in den Schädel, der den ungeliebten Geschäfts- und Lebemann Sir Peter Packer aus dem Leben riss.
Er hatte bis dato für viel Unfrieden gesorgt in seinem kleinen Heimatort, der völlig zu Unrecht den eindrucksvollen Namen Didford Magna trägt, die Frau betrogen und der flatterhaften Dorfschönheit ein Kind angehängt, die Mitbürger durch seinen Hochmut, sein hochfahrendes Wesen und das dünkelhafte Beharren auf überkommenen Adelsprivilegien verärgert und die Angeltouristen erzürnt, indem er ein Sägewerk direkt am fischreichen Fluss Didder erbauen ließ.
Dabei lebt Didford Magna praktisch von seinen Sommergästen, unter denen die vier Inhaber der Fischereirechte für besagten Wasserlauf eine Sonderstellung einnehmen, kommen sie doch schon seit langen Jahren regelmäßig hierher. In der letzten Zeit sind sie mehrfach mit Sir Peter aneinandergeraten, der ihnen den Zugang zum Didder über sein Land untersagt hat. Das Sägewerk hebt die Urlaubsqualitäten des Ortes auch nicht gerade, und dann hat sich auch noch Jimmy Rendel, das jüngste Mitglied des Angler-Quartetts, unglücklich in die schöne Marian, Sir Peters Gattin, verliebt.
Groß ist daher die Schar der Verdächtigen, als Inspektor Mallett von Scotland Yard die Ermittlungen aufnimmt. Sie nimmt sogar an Zahl noch zu, als dieser nach und nach die Geheimnisse von Didford Magna aufdeckt. Schließlich scheint sich jeder Bewohner des Weilers zum Zeitpunkt des Mordes zumindest in der Nähe des Tatorts aufgehalten zu haben. Dennoch ist die Aufklärung der Untat eine echte Überraschung, denn mit d i e s e m Mörder hat wirklich niemand rechnen können...
Warum denn immer nur zu Agatha Christie oder Dorothy Sayers greifen, wenn es gilt, einen angenehm verregneten Winterabend bei einem guten Schluck mit einem englischen Rätselkrimi von altem Schrot und Korn zu verbringen? Wie Cyril Hare mit dem vorliegenden Werk nachdrücklich unter Beweis stellt, haben auch andere Autoren richtig gute Thriller geschrieben.
Dem literaturhistorisch Interessierten sei vermerkt, dass "Der Tod ist nicht fair" ein "Whodunit" ("Wer hat's getan?")-Thriller aus der Spätphase des "Goldenen Zeitalters" der klassischen angelsächsischen Detektive ist. Ein Mord wird begangen, eine übersichtliche Gruppe verdächtiger Personen präsentiert. Die Indizien werden den Lesern sämtlich offengelegt, damit sie dem Täter gemeinsam mit dem ermittelnden Privatdetektiv oder Inspektor auf die Spur kommen können. Womöglich sind sie sogar schneller als er, was wiederum Rückschlüsse auf das Talent des "Whodunit"-Schöpfer gestattet, denn natürlich muss es sein Bestreben sein, das Rätsel möglichst bis auf die letzte Seite zu retten, um es dann höchstpersönlich und gefälligst einleuchtend aufzuklären. Faule Tricks und falsche Spuren sind dabei verpönt bzw. werden den zynischen "Hard Boiled"-Schnüfflern im Trenchcoat überlassen, die der II. Weltkrieg hervorbringen wird und für die Lug' und Trug zur Selbstverständlichkeit geworden ist.
Aber Cyril Hare erweist sich 1938, als die Welt noch in Ordnung und beschaulich war, als Vertreter der 'reinen' Form. Mit unnachahmlicher Eleganz kreiert er die kleine, heile Welt des urenglischen Landidylls, bevölkert von treuherzigen Bauersleuten, rotgesichtigen Dorfpolizisten, jovialen Junkern, bodenständigen Pfarrern und ähnlich skurrilen Typen, deren größte Sorge es normalerweise ist, wenn die Fische nicht beißen wollen, ein Knopf im Klingelbeutel gefunden wird oder der beste Jagdhund Bauchweh hat. Mord kommt hier nicht dramatisch und blutig, sondern dezent und primär als Denksportaufgabe daher. Immer bleibt die Form gewahrt, und wenn zuletzt der Mörder gen Galgen abtransportiert wird, akzeptiert er sein Schicksal - als Sportsmann eben, so wie wir die Briten kennen und schätzen.
Ganz so einfach ist es freilich nicht. Die aufmerksame Lektüre von "Der Tod ist nicht fair" verrät, dass es zwischen einem ´echten' "Whodunit" und den modernen Nachdichtungen, die heute so beliebt sind, gewisse Unterschiede gibt. Während die Epigonen das Gewicht gar zu eindimensional auf möglichst skurriles Personal und gemütliches Zeitkolorit legen, ist Hares Didford Magna kein der Gegenwart enthobenes Brigadoon, das nur alle einhundert Jahre für eine Nacht aus dem Krimihimmel auftaucht und so seine behagliche Behäbigkeit fern jeder modernen Eile und Unsicherheit konserviert. In Didford Magna leben auch keine Schachfiguren auf dem Brett eines allwissenden Autorengottes, sondern Menschen mit recht realistischen Sorgen und Nöten: Es verschafft einem Schriftsteller halt einen nicht aufzuholenden Vorsprung, die Welt, die man beschreibt, aus eigenem Erleben zu kennen, statt sie künstlich völlig neu erschaffen zu müssen.
Cyril Hare, Heyne
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