Am seidenen Faden
- Goldmann
- Erschienen: Januar 1997
- 26
- München: Goldmann, 1997, Seiten: 411, Übersetzt: Mechtild Sandberg-Ciletti
- München: Goldmann, 1999, Seiten: 411
- München: Goldmann, 2000, Seiten: 411
- München: Goldmann, 2001, Seiten: 411
- Augsburg: Weltbild, 2003, Seiten: 411
- München: Goldmann, 2004, Seiten: 411
- München: Goldmann, 2008, Seiten: 411
- Köln: Random House Audio, 2009, Seiten: 4, Übersetzt: Simone Thomalla
30 Kapitel warten auf ein Kapitel Spannung
Kate Sinclair führt ein geregeltes Leben mit einer glücklichen Familie. Sie hat eine gutgehende Praxis als Familientherapeutin, führt eine intakte Ehe mit ihrem Mann, dem Bauunternehmer Larry und hat zwei jugendliche Töchter, Sara und Michelle. Zusammen bewohnen sie ein schönes Haus in Palm Beach in Florida. Kate zog vor einigen Jahren von Pittsburgh nach Florida, um sich von ihrer Mutter und ihrer Schwester Jo Lynn zu lösen, doch mittlerweile leben auch diese in Palm Beach.
Und plötzlich läuft nichts mehr so, wie es sein soll. Kates beginnende Wechseljahre sorgen dafür, dass sie unausgeglichen und nervös ist. Mit ihrer Tochter Sara kommt sie einfach nicht mehr klar. Sara lehnt sich gegen ihre Eltern auf, schwänzt die Schule, schwindelt und kommt nachts nicht nach Hause.
Kates Mutter, die in einem Seniorenheim lebt, macht ebenfalls Probleme. Sie fühlt sich verfolgt, backt für ihre Mitbewohner Kuchen mit Spülmittel und löst schließlich fast eine Brandkatastrophe aus. Kate will es nicht wahr haben, erkennt aber, dass ihre Mutter vermutlich an der Alzheimerschen Krankheit leidet. Da ihre Mutter für das Seniorenheim nicht mehr tragbar ist, nimmt Kate sie bei sich zu Hause auf, bis sie ein Pflegeheim gefunden hat.
Der Alptraum beginnt für Kate aber so richtig, als ihre Schwester in der Zeitung das Bild von Colin Friendly sieht, der des Mordes an 13 Frauen angeklagt ist. Jo Lynn beschließt sofort, den mutmaßlichen Massenmörder zu heiraten. Von seiner Unschuld ist sie natürlich überzeugt. Als die Gerichtsverhandlung beginnt, ist Jo Lynn täglich im Gerichtssaal anzutreffen. In aufreizender Aufmachung lenkt sie die Aufmerksamkeit aller auf sich. Jo Lynn überredet ihre Schwester, sie zur Verhandlung zu begleiten. Dort trifft Kate ihren alten Schulfreund Robert wieder. Als dieser sie zum Essen einlädt, willigt sie widerstrebend ein. Robert macht ihr das Angebot, bei seinem Radiosender eine Sendung zu moderieren. Kate ist drauf und dran, Roberts Avancen zu verfallen und ihre Ehe aufs Spiel zu setzen.
Als Colin Friendly schließlich zum Tode verurteilt wird, ist Kate zumindest in dieser Hinsicht erleichtert, doch ihre Schwester setzt ihren Willen durch und heiratet ihn trotzdem im Gefängnis. Nicht nur das: sie nimmt gegen Kates Einwilligung deren Tochter Sara als Trauzeugin mit.
Joy Fielding hat diesen Roman in der Ich-Form geschrieben. Nach einem einleitenden Kapitel, aus dem sich noch nicht viel ersehen lässt, das aber als mißglückter Versuch, Vorab-Spannung zu erzeugen, zu erkennen ist, erzählt die Therapeutin Kate Sinclair rückblickend chronologisch einen Teil ihres Lebens, in dem sich für sie einiges grundlegend veränderte. Diese Erzählung ist dabei in annähernd gleichlange meist 12 Seiten umfassende Kapitel-Häppchen eingeteilt.
Kate Sinclair steht am Beginn der Wechseljahre. Infolge dessen ist sie leicht reizbar und unausgeglichen. Diesen Zustand bringt die Autorin zwar sehr gut rüber, als positiv kann ich das jedoch nicht beurteilen, denn das Geschehen aus Sicht dieser reizbaren Frau zu verfolgen, war für mich kein Lesevergnügen. Während des Lesens denkt man bei sich ständig "Frau, bleib ruhig" oder "Jetzt handle mal überlegt", doch wird man dabei in die hektische Atmosphäre hineingezogen. Was sicher beabsichtigt war, doch nicht jedermanns Sache ist.
386 Seiten lang plätschert das Geschehen so vor sich hin, ohne daß wirklich etwas Spannendes passiert. Ein wenig Humor hätte diesen Seiten sicherlich gut getan und sie akzeptabler gemacht. Dann passiert natürlich genau das, was der Leser schon die ganze Zeit erwartet hat. Und dies wird dann in insgesamt 19 Seiten Ruck-zuck abgehandelt, um das Buch dann mit dem Schlußkapitel ausklingen zu lassen. Einzig und alleine der Schlußgag versöhnt ein wenig für die vertane Zeit.
Der Roman ist eine Mischung aus realem Familienleben, wie es sich wenig aufregend in zahlreichen Familien abgespielt haben könnte sowie einer sehr unrealistischen Handlung, die den Verbrecher ins Spiel bringt. Die ganze Mischung dann als Psychothriller zu bezeichnen, finde ich ziemlich überzogen. Für mich ist "Am seidenen Faden" ein Buch, in dem alles daneben gegangen ist: eine Handlung, in der die Probleme der Protagonistin einfach nur nervig sind mit dem mißglückten konstruierten Versuch, Spannung hineinzubringen. Das Argument "Die Autorin baut durch das Warten auf ein Ereignis eine ungeheure Spannung auf", wie es gerne benutzt wird, ist hier absolut nicht nachzuvollziehen.
Der Schreibstil der Autorin ist sehr einfach und leicht und flüssig lesbar mit vielen kurzen Absätzen und sehr viel direkter Rede. Einzig störend wirken die Stellen, in denen die Fantasie etwas mit der Erzählerin durchgeht oder in denen sie träumt. So ist das Buch trotz fehlender Spannung leicht in wenigen Tagen zu lesen. Die Darstellung der Charaktere ist recht gut gelungen, wenn auch an einigen Stellen etwas oberflächlich.
Ich würde ja gerne dem Buch etwas Positives abgewinnen, mir fällt jedoch einfach nichts ein. Leider kann man dem Werk auch nicht den Hauch von Anspruch zubilligen, obwohl es da beim Thema Massenmörder und Todesstrafe doch gute Ansatzpunkte gegeben hätte.
Obwohl ich bisher meist Positives über Joy Fielding gehört habe, kann ich mich diesem Urteil nicht anschließen. Wer gerne Psychothriller liest, findet leicht spannendere Bücher. Als unterhaltsamer Familienroman ist das Werk einfach nur nervig. Auch, wenn dies mein erster Fielding-Roman war, kann ich schon jetzt behaupten, dass Joy Fielding für mich nicht zu den Top-Autoren gehört.
Joy Fielding, Goldmann
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