Schneesterben
- Kunstmann
- Erschienen: Januar 2003
- 5
- München: Kunstmann, 2003, Seiten: 315, Originalsprache
- München: Goldmann, 2005, Seiten: 317, Originalsprache
Eine Geschichte, die den Leser gefangennimmt
2. Platz beim Deutschen Krimipreis 2004, auf was habe ich mich da nur eingelassen? Ist es nicht besonders schwierig, ein Buch zu rezensieren, das schon einen Preis gewonnen hat?
Die Geschichte beginnt langsam. Wir befinden uns in Klein-Roda und sofort fragte ich mich: Wo um Himmelswillen ist das denn? Ich hatte so eine Ahnung, bevor es zum ersten Mal im Buch erwähnt wird und muss allerdings zugeben, dass diese Ahnung unterstützt wurde von der Tatsache, dass die Autorin in Frankfurt gelebt hat. Klein-Roda - ein fiktiver Ort - liegt in Hessen, vielleicht im Taunus? Egal, der Beschreibung nach hätte ich diesen Ort auch Hessen gesteckt, aber natürlich hätte sich das Ganze auch in der Pfalz abspielen können. In Klein-Roda ist das Dorfleben noch intakt. Was man so intakt nennt, wenn die Frauen auf dem Dorfplatz tratschen und wenn Auswärtige oder sogenannte Zugezogene fast keine Chance haben, in der Gemeinschaft Fuß zu fassen - im Gegenteil, sie werden misstrauisch beäugt. Zunächst gibt es nur ein Thema: Der kleine David ist nach einer Operation gestorben und fast alle sind sich einig, dass der Kinderarzt Dr. Thomas Regler Schuld daran trägt. Regler war nicht nur der behandelnde Arzt im Krankenhaus in Feldern, nein, er hat auch noch ein Wochenendhaus in Klein-Roda.
Irgendwann wird Krista Regler, seine Frau, unterkühlt in ihrem Auto entdeckt und ins Krankenhaus gebracht. Und als der Schnee schmilzt, vielleicht eine Woche später, wird ein Toter in einer Feriensiedlung bei Usingen gefunden. Es stellt sich heraus, dass es sich um den Kriegsberichtserstatter Michael Hansen handelt. Krista Regler wird verhaftet und gibt sogleich zu, dass sie ihn überfahren hat. Für Staatsanwältin Karen Stark aus Frankfurt ein glasklarer Fall, doch für die Verteidigerin nicht: Krista Regler kann keine genaue Aussage darüber machen, wie die anderen Verletzungen am Opfer zustande kamen, ihr Mann dagegen umso besser...
Die ersten Kapitel lesen sich ehrlich gesagt zäh, der Stil ist gewöhnungsbedürftig. Anne Chaplet springt immer wieder hin und her, man begleitet Thomas Regler oder Karen Stark, am häufigsten jedoch Paul Bremer, einen Freund von Karen Stark, der neben den Reglers in Klein-Roda wohnt. Er muss am eigenen Leib spüren, was es heißt, ein Auswärtiger zu sein, nachdem er sich schon so gut in die Gemeinschaft integriert fühlte. Dass ich mich anfänglich schwer tue, liegt aber nicht nur an den Sprüngen, sondern auch den detaillierten Beschreibungen des Dorflebens, die zwar dieses sehr authentisch erscheinen lassen, aber dennoch kein deutliches Bild von den Dorfbewohnern bei mir hervorrufen können. Obwohl die Figuren sicherlich lebensnah geschildert werden, fehlt in der Tat das Bild vor Augen. Immer wieder denke ich: In dem Dorf möchtest du nicht leben.
Aber die Spannung steigert sich und irgendwann gerät man unwillkürlich in den Bann der Geschichte. Den Klappentext möchte ich an dieser Stelle loben, er verrät nicht zuviel. Im Gegenteil, ich verstehe nun nach Vollendung der Lektüre, was leise angedeutet wird. Nicht im tiefsten Traum hätte ich mir das nach den ersten Kapiteln vorstellen können. Natürlich kommt irgendwann die Ahnung, aber das Detail, welches die Autorin auf den letzten Seiten enthüllt, das ahne auch ich erst kurz zuvor und halte meine Gedanken an dieser Stelle noch für kühn. Es klingt zwar platt, aber alle Puzzleteilchen, die dem Leser vorher noch im Kopf herumschwirren, werden gekonnt verknüpft - eine Geschichte, die einen nachhaltigen Eindruck bei mir hinterlassen hat und die man nicht so schnell vergisst. Die Atmosphäre könnte einem Schwarz-Weiß-Film entspringen, ein Vergleich, der leider nicht aus meiner Feder stammt, dem ich aber voll und ganz zustimmen möchte.
Ob nun "Schneesterben" den Deutschen Krimipreis verdient hat, das maße ich mir nicht an zu beurteilen. Von den wenigen deutschen Krimis, die ich in letzter Zeit gelesen habe hat er mich jedoch am meisten gefangengenommen, nicht so locker und frech wie der eine, nicht so skurril wie der andere, aber eindeutig einnehmend im Wesen, wenn auch nach Startschwierigkeiten.
Anne Chaplet, Kunstmann
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