Olympisches Feuer
- Hoffmann & Campe
- Erschienen: Januar 2000
- 20
- Stockholm: Ordupplaget, 1998, Titel: 'Sprängaren', Seiten: 376, Originalsprache
- Hamburg: Hoffmann & Campe, 2000, Seiten: 3, Übersetzt: Ulrike Kriener
- Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2001, Seiten: 399
- Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2003, Seiten: 398
Mal was Neues: Eine Zeitungsredakteurin als Protagonistin eines Kriminalromans
Stockholm hat den Zuschlag erhalten, die Olympischen Spiele im Jahr 2004 ausrichten zu dürfen. Die Organisation und die Bauarbeiten laufen auf Hochtouren.
Die Chefin der Polizeiredaktion der Stockholmer Abendpresse, Annika Bengtzon, wird am 18. Dezember nachts um 3.22 Uhr vom Nachtchef der Zeitung aus dem Schlaf geklingelt. Bei einem Bombenanschlag wurde die Tribüne des neuerbauten Victoriastadions zerstört. Sofort fährt sie zusammen mit einem Fotografen zum Tatort. In einem langen 20-Stunden-Arbeitstag recherchiert sie die Hintergründe des Attentats, bei dem ein Mensch getötet wurde. Durch einen Verbindungsmann bei der Polizei erhält Annika die Information, dass sämtliche Alarmsysteme im Stadion ausgeschaltet waren und keine Tür aufgebrochen wurde. Also kam als Täter nur ein Insider in Frage. Da sie ihren Informanten nicht preisgeben darf, muß sie zunächst ihre Theorie intern gegen Kollegen durchsetzen, die von einem Terroranschlag ausgehen.
Erst am nächsten Tag stellt sich heraus, dass es sich bei der Leiche um Christina Furhage, die Chefin der Olympia-Organisation handelt, die bei allen überaus geschätz und beliebt war. Annika findet heraus, dass diese bereits früher Drohungen erhalten hatte und unter einer geheimen Adresse lebte. Sie hält das Geschehen für einen gezielten Mordanschlag.
Zwei Tage nach dem ersten Anschlag geschieht ein weiteres Bombenattentat in einer kleinen Trainingshalle. Dabei wird der Vorarbeiter der Baustelle getötet. Nun scheint Annikas Ansicht eines gezielten Mordes widerlegt. Doch sie recherchiert weiter und sucht nach Verbindungen zwischen den beiden Toten.
Mal was Neues: Eine Zeitungsredakteurin als Protagonistin eines Kriminalromans. Gar kein so dummer Einfall. Denn die Journalisten sind oft genau so hautnah am Geschehen dran wie die ermittelnden Polizisten. Es muß ja nicht immer ein Hobbydetektiv sein, der klüger als die Polizei ist und jeden Fall im Handumdrehen aufklärt. Annika Bengtzon fungiert hier nicht als Detektivin, sondern wirklich nur als Journalistin, die jede sich bietende Möglichkeit nutzt, um an Informationen zu kommen, die sie für ihre Arbeit verwerten kann.
Überaus realistisch wird dabei das Geschehen in der Zeitungsredaktion geschildert. Machtkämpfe unter den Mitarbeitern und Mobbing sind an der Tagesordnung und eine Frau als Vorgesetzte können die meisten der männlichen Kollegen nicht gut ertragen und so wird intrigiert, was das Zeug hät. Einzig nicht ganz so realistisch wirkt der immer verständnisvolle Chefredakteur, der ganz auf der Seite von Annika Bengtzon steht und jeden Angriff gegen sie sofort niederschmettert.
Dramaturgisch hat Liza Marklund ihren Roman sehr gut aufgebaut, auch wenn er zunächst doch recht zäh beginnt, bis sich ein gewisser Lesefluß einstellt. Die Sprache wirkt ein wenig holprig, die erste Hälfte der etwa 400 Seiten reisst den Leser noch nicht so mit, doch danach wird es schwierig, das Buch noch aus der Hand zu legen, so sehr ist man in das Geschehen integriert. Die Autorin versteht es, die schriftstellerischen Stilmittel eines guten Spannungsaufbaus sinnvoll einzusetzen. Ein Mitratekrimi ist es jedoch nicht unbedingt, denn der Täter ist schon relativ bald seinem Erscheinen dem Leser bekannt.
Die Darstellung der handelnden Personen hat Liza Marklund sehr genau gestaltet. Nicht nur die Protagonistin wird im Verlaufe des Buches immer vertrauter, sondern auch die anderen Redaktionsmitglieder glaubt man schon bald gut zu kennen. Ungewöhnlich auch, wieviel Gefühle die Personen zeigen dürfen. So vergießt sogar mancher Mann im Roman schon mal Tränen, sei es aus Trauer um eine geliebte Person oder auch nur deshalb, weil er in Zukunft ohne den Dienstwagen auskommen muß. Liebe, Hass, Trauer, Eifersucht, Wut oder Macht. Alle diese Gefühle kommen nicht zu kurz.
Doch nicht nur die Charaktere der lebenden Personen entwickeln sich, sondern auch die Toten sind nicht so, wie man zunächst glaubt. Nach und nach erfährt nicht nur Annika, sondern auch der Leser immer mehr und das Bild der Figuren ändert sich teilweise grundlegend.
Einziges größeres Manko für mich die zur Dramaturgie wohl wichtige persönliche Einbeziehung der Protagonistin in das Verbrechen, die nicht sehr glaubhaft wirkt.
Die schwedischen Kriminalromane haben schon ihren besonderen Flair. Gesellschaftskritik in Krimis kennt man ja auch schon von Mankell. Liza Marklund ist hier ein realistischer Roman geglückt, der zudem auch sehr spannend ist. Trotz einiger Schwächen ist mir das Buch knappe fünf Sterne wert. Aber warum müssen schwedische Krimis fast immer im Winter spielen? Da friert man ja selber schon beim Lesen.
Liza Marklund, Hoffmann & Campe
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