Der Richter aus Paris

  • Hoffmann & Campe
  • Erschienen: Januar 2003
  • 3
  • Hamburg: Hoffmann & Campe, 2003, Seiten: 253, Originalsprache
  • München; Zürich: Piper, 2005, Seiten: 253, Originalsprache
  • München; Zürich: Piper, 2007, Seiten: 253, Originalsprache
Der Richter aus Paris
Der Richter aus Paris
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Peter Kümmel
83°1001

Krimi-Couch Rezension vonAug 2003

Harmonische Einheit aus Fiktion und Fakten

Wir kennen Ulrich Wickert als einen hervorragenden Journalisten. Lange Jahre war er ARD-Korrespondent in Paris. Und jetzt schreibt er plötzlich Kriminalromane? "Der Richter aus Paris" trägt den Untertitel "Eine fast wahre Geschichte". Also doch hauptsächlich Journalismus und ein klein wenig Fiktion? Nun, was an der Story wahr ist und was erfunden, das verrät uns Herr Wickert natürlich nicht, doch ist er zumindest dadurch, dass er seine Handlung um Tatsachen herum aufgebaut hat, drum herum gekommen, einen gänzlich neuen Plot zu konstruieren.

Als Frankreich-Liebhaber ist der Autor allgemein bekannt, und so verwundert es nicht, dass auch die Handlung seines Buches in Frankreich angesiedelt ist. Jaques Ricou ist zwar Untersuchungsrichter in Paris, doch führen ihn seine Ermittlungen im Fall des ermordeten Generals de Montagnac weit weg, nämlich auf die französische Antilleninsel Martinique, deren karibisches Flair gut rüber gebracht wird.

Ricou hatte bereits vor dem Tod des Generals in dessen Kreisen jahrelang ermittelt. Denn der General hatte die Kassen seiner Partei mit Schmiergeldern gefüllt. Das Vertrackte an der Sache aber ist, dass auch der Staatspräsident als ehemaliger Parteivorsitzender in die dunklen Geschäfte involviert war und das Innenministerium es nun gar nicht gerne sieht, dass ein kleiner Untersuchungsrichter dem ersten Mann im Staat ans Bein pinkeln will. Und so droht Ricou auch Gefahr aus den eigenen Reihen.

Als Mordverdächtigen hat sich Ricou den fast 90-jährigen Gilles Maurel, Plantagenbesitzer auf Martinique, auserkoren. Drauf gekommen ist er nicht von alleine, sondern weil ihm dies ein Vögelchen gezwitschert hat. In der Karibik angekommen kommt der Richter gerade pünktlich zur Trauerfeier für den Verdächtigen. Doch für den Richter ist dies natürlich kein Grund, die Ermittlungen einzustellen. Schon gar nicht, wenn der Verdächtige eine so hübsche junge Witwe zurücklässt.

Wickert führt den Leser sofort mitten ins Geschehen - nämlich die Trauerfeier -, um anschließend aufzurollen, was den Richter überhaupt dorthin geführt hat und lässt ihn dann die weiteren Recherchen bis zum überraschenden Ende begleiten.

Mit den Fakten, die Wickert aufbereitet hat, fesselt er den Leser ebenso wie mit der Fiktion. Die Stärke des Buches aber liegt vor allem darin, dass er es schafft, aus den ganzen Zutaten eine harmonische Einheit zu bilden. Geldwäsche anschaulich erklärt, so daß auch der Durchschnittsbürger endlich einmal versteht, wie man die vielzitierten "Schwarzgelder" problemlos in die Parteienkasse einfließen lässt. Dazu noch Geschichtsunterricht par excellence: ein jeder hat schon vom Indochina-Krieg gehört. Doch wann war der eigentlich? Und wer kämpfte gegen wen und warum? Wickerts Bericht über die Kolonialherrschaft der Franzosen wirft wahrlich kein gutes Licht auf die Grande Nation. Auch Einzelschicksale des Unabhängigkeitskrieges in Algerien lassen den Leser manches Mal schaudern. Doch nicht nur dorthin zielt die Kritik des Autors. Auch Frankreichs viel genutzte Amnestien sind ihm in so manchen Fällen ein Dorn im Auge.

Hat man auf den ersten Seiten noch die sachlich ruhige Tagesschau-Stimme Wickerts als Erzähler im Ohr, so gibt sich dies recht schnell, denn sein Schreibstil ist keineswegs so trocken, wie man nach dem etwas zähen Beginn vermutet. Sogar ein wenig Humor kann man dem Buch nicht absprechen.

Und was so journalistisch und historisch begonnen hat, wird dann gegen Ende hin auch noch zum richtigen Krimi, bei dem sich Wickert für den Schluß noch eine echte Überraschung aufgehoben hat. Um sein Publikum noch mehr zu fesseln, hätte der Autor seinen Protagonisten dem Leser etwas eingängiger näher bringen können. Daß er dies nicht tat, passt aber zur etwas distanzierten Erzählweise. So fiebert der Leser dann zwischendurch sogar mehr mit dem Verdächtigen mit, als dessen erschütternde Erlebnisse in Südostasien durch sein Tagebuch erzählt werden.

Als Fazit kann man festhalten, dass Ulrich Wickerts Krimi-Debüt rundum gelungen ist.

Der Richter aus Paris

Ulrich Wickert, Hoffmann & Campe

Der Richter aus Paris

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