Miss Lizzie

  • Haffmans
  • Erschienen: Januar 1995
  • 23
  • New York: St. Martin’s Press, 1989, Titel: 'Miss Lizzie', Seiten: 342, Originalsprache
  • Zürich: Haffmans, 1995, Seiten: 332, Übersetzt: Ursula-Maria Mössner
  • München: dtv, 1996, Seiten: 332
  • München: dtv, 2006, Seiten: 332
  • München: dtv, 1998, Seiten: 332
  • Hamburg: Hoffmann & Campe, 2008, Seiten: 2, Übersetzt: Janine Sachau, Bemerkung: gekürzt
Miss Lizzie
Miss Lizzie
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Thomas Kürten
76°1001

Krimi-Couch Rezension vonAug 2003

Kein Jugendbuch! ... Oder doch?

Der Fall Lizzie Borden ist einer der bekanntesten in der Kriminalhistorie der Vereinigten Staaten. Die junge, harmlos wirkende Frau aus guten Hause, die des Mordes an ihren Eltern angeklagt und von einem Geschworenengericht freigesprochen wurde, obwohl eine Vielzahl von Indizien für ihre Täterschaft sprach, wird immer wieder als Paradebeispiel für die Beeinflussbarkeit einer Jury herangezogen. Walter Satterthwait baut um diese historische Figur einen liebevoll erzählten Plot, handelnd von einer Frau, die von der Vergangenheit eingeholt wird, und einem jungen Mädchen, das begeistert von ihr Kartentricks lernt und darüber ihre einzige Freundin wird.

Die 13-jährige Amanda lebt in einem Sommerhaus an der Ostküste der USA, wo sie sich mit ihrer Nachbarin, eben jener Lizzie Borden, anfreundet. Von den Leuten im Ort wird Miss Lizzie gemieden, aber die liebenswerte und resolute Frau hat sich an einen solchen vorurteilsvollen Umgang mit ihrer Person gewöhnt. Als Amanda eines Mittags aus einem Tagschlaf erwacht, herrscht gespenstische Ruhe im Haus. Ihre verhasste Stiefmutter liegt tot im Gästezimmer - erschlagen mit einer Axt. Und sofort erwachen bei allen Bewohnern des Ortes die Ressentiments gegenüber der damals vermeintlich zu unrecht freigesprochenen Lizzie Borden. Wer sonst sollte jemanden mit einer Axt ermorden können?

Nun, Alternativen gibt es einige: Amandas Vater, der sich von seiner Frau scheiden lassen wollte. Ihr Bruder, der kurz vor der Tat noch einen heftigen Streit mit seiner Stiefmutter hatte. Amanda selbst, deren Verhältnis zur Stiefmutter auf gegenseitiger Verachtung beruhte. Es gab überdies noch einige Personen in der kleinen Stadt, die der Toten nicht gerade wohl gesonnen waren. Miss Lizzie engagiert kurz entschlossen den jungen Anwalt Slocum und Detektiv Bogey, um sich selbst zu verteidigen und die wahren Hintergrunde der Tat zu ergründen.

Vorurteile und Freundschaften

Eine beschaulich erzählte Geschichte, die neben der eigentlichen Krimihandlung von Vorurteilen und Vorbehalten, aber eben auch von einer ganz besonderen Freundschaft berichtet. Während Amanda sich nämlich gegenüber Lizzie Borden unbekümmert verhält und die Anfeindungen ihrer gesamten Umgebung gegenüber der energischen und rüstigen lieben Oma von nebenan vehement kritisiert, ja regelrecht mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln für ihre Freundin kämpft, ist sie die Person mit den größten Vorurteilen gegenüber allen anderen Personen, die im Verlauf der Handlung auftreten. Zum einen werden die auftretenden Männer unmittelbar nach ihrem Aussehen in Kategorien wie Heiratskandidat oder Stinker eingeordnet, zum anderen ist die neue Frau an Papas Seite nur aufgrund Nennung ihres Namens auf Position 1 der Liste der am meisten verachteten Personen des Universums gerückt. Herrlich, wie der Autor die Natürlichkeit und Naivität eines pubertierenden Mädchens einfängt und durch die Wahl der Erzählperspektive verstärkt.

Denn die Handlung wird aus Sicht der Amanda erzählt. Und darin liegt wohl die virtuoseste Leistung des Autors, denn obwohl er rückblickend erzählt (immer wieder lassen kleine Einschübe darauf schließen, dass die Geschehnisse schon sehr weit zurück liegen) bringt er es fertig, Amandas Schilderungen und Gedankengänge absolut authentisch wirken zu lassen. Er verwendet eine leicht zugängliche Sprache und charakterisiert auch darüber alle auftretenden Personen vorzüglich. An dieser Stelle sei ein großes Kompliment an die Übersetzerin Ursula-Maria Mössner, die die in der Sprache offenbar werdenden unterschiedlichen sozialen Hintergründe der auftretenden Personen sehr gut ins Deutsche übertragen hat.

Guter, aber durchschaubarer Krimiplot

Als ich dieses Buch in einer großen Düsseldorfer Buchhandlung suchte, schickte man mich von der Krimi- in die Kinderbuchabteilung. Dass ich ein Buch, in dem Lizzie Borden eine Hauptrolle spielt, zwischen Pippi Langstrumpf und Räuber Hotzenplotz finden sollte, versetzte mich in Erstaunen, um nicht zu sagen blankes Entsetzen. Heute würde meine Reaktion sicher gemäßigter ausfallen, denn ich finde es durchaus auch für Jugendliche und junge Krimileser geeignet. Es bietet einen guten Einstieg ins Genre, kann aber auch wahren Krimiratten gut gefallen.

Der wahre Täter wird an einer Stelle in der Mitte des Buches für solche Krimiratten etwas zu deutlich verraten, dennoch kann Satterthwait mit einigen überraschenden Wendungen die Frage nach der Aufklärung immer noch bis zum Ende offen halten. Die Empfehlung dieses Romans liegt eher in der sehr eingänglichen Erzählweise und der imposant aufgebauten Aussage über den Kern einer Freundschaft anhand einer sehr tragischen historischen Figur. Denn für Satterthwait bedeutet wahre Freundschaft, nicht über den anderen zu richten.

Miss Lizzie

Walter Satterthwait, Haffmans

Miss Lizzie

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