Unter die Haut

  • Bastei Lübbe
  • Erschienen: Januar 1990
  • 4
  • New York: Putnam, 1989, Titel: 'Skin Tight', Seiten: 319, Originalsprache
  • Bergisch Gladbach: Bastei Lübbe, 1990, Seiten: 443, Übersetzt: Michael Kubiak
  • Baden-Baden; Zürich: Elster, 1997, Seiten: 424
  • München: Goldmann, 2001, Seiten: 509
  • München: Goldmann, 2006, Seiten: 509
Unter die Haut
Unter die Haut
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Michael Drewniok
85°1001

Krimi-Couch Rezension vonJul 2003

Das meint Krimi-Couch.de: Zwischen die Augen und unter die Gürtellinie

Er ist nicht der Mann, mit dem man sich unbedingt anlegen sollte: Mike Stranahan, ehemals Soldat in Vietnam, dann Ermittler für die Staatsanwaltschaft von Dade County im US-Staat Florida. Nachdem er im Dienst und in Notwehr drei Menschen und zuletzt einen korrupten Richter erschossen hat, beschloss die Behörde, ihn lieber mit einer guten Pension nach Hause zu schicken. Gerade vierzig Jahre alt geworden, bewohnt Stranahan seitdem im "Stelzendorf" an der Biscayne Bay und damit direkt am Wasser ein altes Haus auf hohen Pfählen und lebt nach seiner fünften Scheidung recht vergnügt in den Tag hinein.

Da lebt die Vergangenheit ausgerechnet in der Gestalt von 'Dr.' Rudy Graveline wieder auf. Der ebenso geldgierige wie unfähige Schönheitschirurg hat bereits eine blutige Spur durch einige Bundesstaaten gezogen. Im Norden ist ihm der Boden zu heiß geworden, aber in Florida ist er endlich auf jenes Umfeld aus Bestechlichkeit, Dummheit und Eitelkeit gestoßen, das es ihm ermöglichte, nicht nur sein unheilvolles medizinisches Werk fortzusetzen, sondern sogar eine eigene, äußert gut gehende Privatklinik namens "Whispering Palms" zu gründen, in der sich die Reichen und Berühmten von echten oder eingebildeten Schönheitsfehlern befreien lassen können.

Nur noch selten greift Graveline selbst zu Skalpell und Fettabsauger. Er ist vorsichtig geworden, seit er vor vier Jahren einen Routine-Eingriff verpfuscht hat und ihm die junge Vicky Barletta auf dem Operationstisch gestorben ist. Mit Hilfe einflussreicher Freunde hat Graveline dies vertuscht und die Leiche verschwinden lassen. Doch jetzt droht alles wieder ans Licht zu kommen: Der eingebildete TV-'Reporter' Reynaldo Flemm ist auf den Barletta-Fall aufmerksam geworden und will ihn in seiner primitiven, aber bei der Proleten-Fraktion des Publikums sehr beliebten Krawallshow präsentieren. Noch schlimmer: Die Mordkommission könnte die Untersuchung wieder aufnehmen! Zwar zeigt die Staatsmacht wie üblich wenig Neigungen in dieser Richtung, doch Graveline weiß, dass einen der damaligen Ermittler der ungelöste Fall noch heute wie ein Stachel im Fleisch schmerzt. Sein Name: Mike Stranahan!

Graveline gerät in Panik und heuert einen Killer an. "Tony der Aal", eine freundliche Leihgabe der örtlichen Mafia, geht allerdings seinen Job mit mehr Elan als Intelligenz an und wird von Stranahan unter Zuhilfenahme eines ausgestopften Schwertfisches ins Jenseits befördert. Der nächste Gegner ist von anderem Kaliber: Blondell Tatum, genannt "Chemo", dessen Gefühlskälte eindrucksvoll durch seine Physiognomie widergespiegelt wird, die der des Frankenstein-Monsters gleicht.

Dass immer neue Mordanschläge auf ihn verübt werden, reisst Stranahan aus seiner Frührentner-Lethargie. Er nimmt als Privatmann die Ermittlungen auf, was ihn der Verpflichtung enthebt, dabei den Buchstaben des Gesetzes Folge zu leisten. Rasch entspinnt sich an der sonnigen Küste Südfloridas eine blutige Komödie der Irrungen und Wirrungen, in der auch Stranahans 'Haustier' - ein mannsgroßer Barrakuda - kräftig mitmischt...

Die Welt ist schlecht: Selten ist dieser Stoßseufzer so überzeugend in Worte gegossen worden wie in "Unter die Haut", einer weiteren Runde im Kampf Carl Hiaasens gegen die allgegenwärtige Dreifaltigkeit der modernen menschlichen Zivilisation - Dummheit, Gier und Ignoranz.

In Florida scheinen sich diese wenig erfreulichen Wesenszüge besonders prächtig zu entwickeln. Vielleicht kann Hiaasen aber auch einfach seinen Heimvorteil ausspielen: Er kennt diesen Teil der Vereinigten Staaten wie seine Westentasche, und das schließt die von der Tropensonne kaum beschienenen Bereiche ausdrücklich mit ein.

"Unter die Haut" zeigt Carl Hiaasen auf der Höhe seines Könnens. Mit unnachahmlicher Eleganz, die in der deutschen Übersetzung erfreulich gut erhalten blieb, breitet der Autor ein Panorama ruchloser Menschen aus, die ausnahmslos mehr oder weniger Dreck am Stecken haben. Sie alle erhalten entweder ihre Strafe, die in der Regel ziemlich grauslich, aber immer unerwartet ausfällt, oder werden vom Schicksal auf eine Weise belohnt, die dieses in jedem Fall als recht hinterlistig outet... Nicht so recht ins wüste Bild will sich nur die Figur der Produzentin Christina Marks fügen, die Hiaasen ein wenig zu 'normal' angelegt hat, so dass sie manches Mal wie eine Spielverderberin dasteht.

Das ändert jedoch überhaupt nichts am Lesespaß, den man sich nicht entgehen lassen sollte: Carl Hiaasen ist in diesem unseren Lande weiterhin ein Geheimtipp, was primär bedeutet, dass seine Werke zwar veröffentlicht, aber selten neu aufgelegt werden. Während jeder schimmelige Schinken aus der Anne Perry- oder Elizabeth George- Kammer für Junkfood-Leser zig-fach aufgewärmt wird, müssen echte Feinschmecker leider darben.

Unter die Haut

Carl Hiaasen, Bastei Lübbe

Unter die Haut

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