Verlassen
- Kiepenheuer & Witsch
- Erschienen: Januar 2025
- 2


Durchhalten lohnt sich.
Eva Björg Ægisdóttir setzt ihre „Mörderisches Island-Serie“ fort. „Verlassen“ ist bereits das vierte Buch aus dieser Reihe. Und, wie man ganz am Ende erfährt, eigentlich der Beginn, denn wir gehen in die Vergangenheit, in der Elma noch nicht zum Team der Ermittler aus Akranes gehört.
Tödliches Familientreffen
Die Familie Snæberg hat in der Fischindustrie ein Vermögen verdient. Ihren Namen kennt in Island so gut wie Jeder. Auch die Gesichter hinter dem Namen sind bekannt, vor allem die der jüngeren Generation, die sich auf den sozialen Medien nicht zurückhält. Jetzt trifft sich der Clan in einem Nobelhotel, um dem 100.Geburtstag des bereits verstorbenen Firmengründers zu begehen. Doch Reichtum schützt nicht vor Problemen und so endet die Feier ganz anders als geplant. Jemand verschwindet im Schneesturm und wird am nächsten Tag tot aufgefunden. Die Ermittler Sævar und Hörður aus Akranes müssen jeden verdächtigen und stoßen während der Ermittlungen auf Geheimnisse, die lange verborgen wurden.
Ermittler nehmen nur eine Nebenrolle ein
Eva Björg Ægisdóttir lässt nicht die Ermittler zu den Protagonisten des Buches werden, sondern verschiedene Angehörige der Familie Snæberg. Sie erzählen in einzelnen Kapiteln aus der Ich-Perspektive und im Präsens aus den Tagen vom Eintreffen bis zum Fiasko im Hotel. Dazwischen wird immer in die Gegenwart zu den beiden Ermittlern aus Akranes geschaltet. Sehr lange ist nicht klar, wer überhaupt das Opfer ist, was natürlich die Spannung erhalten soll. Doch das gelingt der Autorin nur bedingt. Die Schilderung der Tage vor dem Auffinden des Opfers sind zäh und haben mit einem Krimi nicht wirklich viel zu tun.
Familientragödie
Die berichtenden Familienmitglieder gehören zwar zu einer der wohl reichsten Familien Islands, haben aber alle ziemlich profane Allerweltsprobleme. Es wird zu viel getrunken, die Ehepaare haben sich auseinandergelebt, die Kinder machen Probleme und haben selbst die üblichen und die Geschwister, die die Firma leiten, denken in erster Linie ans Geld und dann erst an die Menschen. Zu diesem ganzen Konglomerat kommen noch die Besitzer des Hotels und ihre Angestellten, von denen Irma eine prominente Figur abgibt, denn sie berichtet auch aus ihrer Perspektive. Das Ganze mutet eher wie eine Familientragödie an. Jedenfalls über eine sehr lange Strecke des Buches. Natürlich werden hier verschiedene Spuren gelegt, aber die gehen in den ganzen persönlichen Dramen der Familie fast unter. Erst sehr spät kristallisiert sich heraus, worauf die Autorin hinauswill und das hat es dann in sich.
Die Spannung kommt - aber sehr spät
Vielleicht ist man als Krimi-Fan versucht, das Buch nach ein paar Kapiteln enttäuscht aus der Hand zu legen. Doch das wäre verfrüht und schade, denn die Spannung kommt, wenn auch extrem spät. Eva Björg Ægisdóttir hätte vielleicht gut daran getan, diverse Spuren schon früher offen zu legen und damit die Spannung eher anzukurbeln, doch nun muss man eben länger lesen, bis man das Buch nicht mehr aus der Hand legen möchte. Zum Schluss erfährt man, wer getötet wurde und natürlich auch warum. Das fulminante Finale ist allerdings ein wenig unrealistisch, aber dennoch packend, denn die Katastrophe spielt sich auf mehreren Ebenen ab. Das versöhnt dann wieder mit der langen Anlaufphase, in der man sich mit viel Alkohol, einer dysfunktionalen Familie und Teenagern mit speziellen Problemen auseinandersetzen muss. Und die Schilderung der einmaligen Landschaft mit Lavafeldern und Bergen, dazu das einmalige Hotel, das sich in die dunkle Landschaft einfügt, lassen das Kopfkino angehen und geben dem Familientreffen und der daraus resultierenden Katastrophe den richtigen Rahmen.
Fazit
Ein Krimi, der gefühlt ewig wie ein Familienroman erscheint. Die Spannung lässt lange auf sich warten, doch dann wird die Geschichte noch richtig packend. Für Fans der Reihe natürlich ein Muss, aber ansonsten nicht wirklich ein Highlight.

Eva Björg Ægisdóttir, Kiepenheuer & Witsch
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