Die Besucherin
- Goldmann
- Erschienen: Dezember 2024
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Hat sie? Und wenn ja – wie viele?
Linda Davidson besucht ihre beste Freundin Carol. Beide kennen sich seit der Schulzeit und haben alle Höhen und Tiefen in ihren langen Leben gemeinsam gemeistert. Doch jetzt leidet Carol an Demenz, erkennt Linda nur noch selten. Bei einem ihrer Besuche im Pflegeheim lernt Linda Jenny kennen. Auch sie ist dement, aber trotz ihrer 93 Jahre noch ganz mobil. Und sie erzählt Linda, dass sie mehrere Menschen umgebracht hat. Stimmt das oder entspringt diese Geschichte ihrer Fantasie? Dann stirbt ein alter Mann auf der Station von Jenny und Carol auf merkwürdige Weise und Linda kommt ins Grübeln. Die Suche nach der Wahrheit wird zu einem Geduldsspiel und zu einem Wettrennen gegen die Zeit.
Joy Fielding
Zu Joy Fielding muss man fast nichts mehr sagen. Vielen Krimi-Fans ist die kanadische Autorin ein Begriff. Seit Jahrzehnten begeistert sie mit ihren Büchern, die sich meist spannend mit den Abgründen der Gesellschaft beschäftigen. Sie bevorzugt Frauen als Protagonistinnen, die sich mit physischer und psychischer Gewalt, Problemen in Ehe und Familie oder eben auch im weiteren Umfeld auseinandersetzen müssen. Ich muss zugeben, dass „Die Besucherin“ das erste Buch von Joy Fielding ist, das ich lese. Und ich muss auch zugeben, dass es mich bei Weitem nicht, wie fest angenommen, überzeugt hat.
Wenig spannende Geschichte
Das Buch wird auf dem Cover weder als Thriller noch als Krimi bezeichnet, was schon auf das Spannungsniveau der Geschichte schließen lässt. Und so ist es dann auch – was Linda mit Jenny erlebt, ist interessant und stellenweise auch ganz packend, aber ein Spannungsbogen, der in ungeahnte Höhen führt, ist einfach nicht da. In unendlich langen Dialogen, mit oft wenig essentiellem Inhalt, geht es immer einen Schritt vor und zwei zurück – wie es in einem Gespräch mit einer Demenzkranken wohl auch nicht ungewöhnlich ist. Dadurch entstehen sogar manchmal humorvolle Szenen, die zwischen dem ganzen Negativen auch mal zum Schmunzeln animieren.
Neben den Fragen rund um Jenny muss sich Linda auch noch mit familiären Problemen auseinandersetzen, die sie noch mehr belasten seitdem Carol nicht mehr die Unterstützerin an ihrer Seite ist. Diese Probleme und auch die Folgen, welche Erkrankungen und Tod in der Familie mit sich bringen, schildert Fielding in einem wenig forderndem Stil aber doch sehr eindringlich. Doch das Ganze gibt eben nicht genug für eine packende Geschichte her, vor allem wenn man spätestens ab der Hälfte des Buches weiß, worauf das Ganze hinausläuft. Der Schluss ist dann auch wenig überraschend und man fragt sich schon, ob man es hier mit einem gesellschaftskritischen Roman oder einer simplen Familiengeschichte zu tun hat.
Persönliche Sichtweise
Die ganze Geschichte wird aus Sicht von Linda Davidson im Präsens erzählt. Diese Perspektive macht alles um einiges persönlicher, schränkt die Sicht auf die Dinge aber auch sehr ein. Allerdings machen Lindas Gedanken hier so einiges wett, denn gerade ihr familiäres Umfeld lässt sie doch verzweifeln. Lindas Zerrissenheit zwischen dem Drang ihre Tochter zu schützen und dem Bewusstsein, sich nicht in deren Ehe einmischen zu dürfen, schildert Fielding prägnant. Wieder einmal lebt eine ihrer Geschichten von den Problemen einer weiblichen Protagonistin. Diese werden durch die demenzerkrankten Carol und Jenny noch erweitert, indem Fielding den Schmerz der Familienangehörigen und Freunde anschaulich schildert und durch Lindas Ich-Perspektive noch mehr greifbar macht.
Fazit
Ein interessantes Buch, aber kein sehr spannendes. Der vorhersehbare Plot lebt mehr von den Schilderungen des Lebens mit Demenzerkrankten als von einem packenden Krimifall. Dennoch werde ich mich wieder an ein Buch von Joy Fielding wagen, denn ihr jahrzehntelanger Erfolg lässt hoffen, dass sie es eigentlich besser kann.

Joy Fielding, Goldmann
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