Straßenpizza
- Piazza
- Erschienen: Januar 2000
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- New York: Simon & Schuster, 1997, Titel: 'Roadkill', Seiten: 252, Originalsprache
- München: Piazza, 2000, Seiten: 284, Übersetzt: Ulrich Blumenbach
- München: Heyne, 2002, Seiten: 284
"I'm proud to be an asshole from El Paso"
(K. Friedman)
Kinky Friedman, laut amerikanischer Women´s Lib - Bewegung "Chauvi - Schwein des Jahres 1974", Exzentriker, Macho, Selbstdarsteller, fleißigster Arbeiter am eigenen Kult - Status, macht sich folgerichtig selbst zum Protagonisten seiner Bücher. Kinky spielt Kinky. Und der ist ein ehemaliger Countrysänger und ein etwas abgewrackter Detektiv.
In diesem Buch erlebt er zunächst seinen Blues: Seit längerer Zeit ohne Aufträge, ohne Freundin, nur mit Katze, Whisky, Espressomaschine und Zigarren haust er in seinem Loft in New York. Da erscheint ihm im Spiegel "Der Zigeuner seine eigenen Seele" und schlägt einen Tapetenwechsel vor. Er muss einfach raus aus der Stadt. Wie früher, wieder auf Tour gehen. Ein Anruf bringt die Entscheidung: Es ist Lana Nelson, die Kinky sogleich mit ihrem Vater Willie Nelson verbindet. Der ist eine wahre Legende in der Country Music. Willie schlägt Kinky vor, ihn auf seinem Tourbus, der Honeysuckle-Rose, zu begleiten.
Mit Country-Legende Willie Nelson stimmt etwas nicht
Doch kaum an Bord, merkt Kinky, dass etwas nicht stimmt. Willie Nelson ist nicht mehr der alte, er hat offensichtlich ein Problem. Sein Bandkollege Ben Dorsey bestätigt Friedman, dass rätselhafte Dinge geschehen, seit die Honeysuckle Rose einen Indianer überfahren und getötet hat (Daher der nicht sehr originelle Titel "Straßenpizza", im Original heißt das Buch "Roadkill"). Nelson war immer ein großer Freund der Indianer und ist öffentlich für ihre Anliegen eingetreten. Das Opfer war sogar ein echter Medizinmann, er fürchtet daher die Rache der Indianer. Seine Angst steigert sich, als ihm ein aus Wildleder gefertigter indianischer Zauberbeutel zugespielt wird und Drohbriefe eintreffen. Dann wird ein Bandmitglied in Indianerart angeschossen, der Anschlag galt aber Willie Nelson. Ein weiterer Bandkollege wird bei einem Autounfall mit Fahrerflucht getötet.
Kinky startet seine Ermittlungen, doch er ist von der Indianergeschichte nicht so ganz überzeugt und recherchiert auch bei Willies zahlreichen Exfrauen, der Mafia und der Polizei. Ein Konzerttermin in New York nähert sich und Kinky weiß, das der Killer dort erneut zuschlagen möchte, diesmal wird Willie Nelson das Opfer sein. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt...
Das Kultobjekt, der unflätige Rüpel, der alkoholisierte Philosoph
Kinky Friedman ist ein Kultobjekt, und er weiß, was er seinem Publikum schuldig ist. Er ist der Macho, der unflätige Rüpel, der alkoholisierte Philosoph. Er erfüllt die in ihn gesteckten Erwartungen fast mit einer paradoxen Bravheit. Er pöbelt, zieht über Frauen her, über die Polizei, die Kirche und ihre Päpste, die Country Music-Szene, den Faschismus, streut gelegentlich eine Bemerkung über Hitler ein, also alles das, womit man als böser Bub seine Eltern erschrecken kann.
Dabei läuft er aber Gefahr, dass man seine Bücher nur als originelle Sprüchesammlung liest, sozusagen von Zitat zu Zitat eilt und von der eigentlich sehr dünnen Handlung nicht viel mitbekommt. Denn Humor hat er. Ich gebe zu, dass manches sehr originell formuliert ist, Friedman ist dort am Besten, wo er seine Wortkanonaden wie aus dem Stegreif quasi aus dem Ärmel schüttelt. Dabei passieren ihm aber schon mal Banalitäten, Zwangswitze, Binsenweisheiten oder vordergründige Sentimentalitäten.
Erstaunliche Gedankentiefe in einigen Abschnitten
Seinen Sprachfluss ordnet er in kurze, überschaubare, formal etwas bieder gestrickte Kapitel. Streckenweise liest sich das Buch auch wie eine Hommage an Willie Nelson, zu dem der Autor offenbar eine tiefere Beziehung hat. Aber eines hat mich doch überrascht: Gelegentlich gibt es Abschnitte von einer erstaunlichen Tiefe der Gedanken, von einer direkten, unverfälschten Betrachtung der Dinge und kräftigen, unmittelbaren Formulierungen. Etwa das Kapitel über Bob Dylan, über Pater Damien, die Szenen mit Willie Nelson oder die Indianermythen. Da wünschte ich mir schon, Friedman könnte einmal über seinen Schatten springen, aber sein literarisches Talent ist ihm wahrscheinlich völlig egal.
Immerhin erreicht er etwas, was anderen nie gelingen wird: Originalität und Unverwechselbarkeit. Und das ist doch schon gar nicht so wenig.
Kinky Friedman, Piazza
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