Tatbestand - Vol. 4
- Pidax
- Erschienen: Dezember 2024
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Alles etwas hausbacken, aber lebhaft inszeniert.
Der Verlag Pidax kümmert sich tapfer um nicht oder schlecht erhältliche Hörspiele und bringt sie preiswert auf CD und in den Streaming-Diensten zu Gehör. Tatbestand ist eine Hörspielreihe aus den Beständen des Rundfunks der DDR. Sie lief mit insgesamt 40 Folgen von 1973-1989 und war ausgesprochen populär. Die Kriminalhörspiele der DDR haben ja bis heute keinen schlechten Ruf und tauchen regelmäßig bei Pastewka auf. Tatbestand hatte allerdings einen erzieherischen Charakter. Alle Fälle basieren auf realen Ereignissen und ihren Gerichtsakten und werden von einem Staatsanwalt ausführlich kommentiert. In gewisser Hinsicht also True-Crime. Für manchen Autor war es der Start für eine erfolgreiche Zukunft. In der letzten Folge ist der bekannte Schauspieler Ulrich Mühe zu hören. Pidax packt die 40 Folgen in jeweils eine CD mit 8 Hörspielen und einer Laufzeit von etwa 380/90 Minuten. Jeder Fall ist in sich abgeschlossen.
Die Hörspiele
Die eigentlichen Kriminalfälle dauern meist zwischen 15 und 30 Minuten. Dann folgt der langatmige Kommentar des Staatsanwaltes, den man getrost überspringen kann. Die Fälle sind unterschiedlichster Art, überwiegend im Bereich der Kleinkriminalität, meist in Zusammenhang mit der Arbeit und mit viel Verständnis für die handelnden Personen. Man hört deutlich, dass es eigentlich in der DDR keine Übeltäter gegeben haben kann. Das Kollektive und Kollegen auch eine Mitverantwortung für ihre Abweichler haben, ist auch im kapitalistischen Westen eine wichtige Erinnerung. Ein schönes Beispiel gibt der erste Fall „Ein Teller Makkaroni“. Inhalt:
„In der Konfliktkommission in einem Berliner Elektrogerätewerk (VEB Elektromat) wird der Fall einer vorsätzlichen Körperverletzung untersucht. Im Verlaufe der Ermittlungen werden Mängel in der Betriebsleitung bezüglich der Verpflegung in der Kantine während der Nachtschicht und Schulprobleme beim Sohn des Beschuldigten aufgedeckt.“
Alles etwas hausbacken, aber lebhaft inszeniert, meist ohne Erzähler. Der Hörer taucht klanglich und sprachlich in die Alltags-und Arbeitswelt der DDR, die Dialoge klingen als seien sie Live-Mitschnitte, einschließlich der Dialektfärbung. Eine Erinnerung an die hochqualifizierte Sprechkunst in der DDR. Musik gibt es nur am Anfang, die Soundkulisse ist immer szenentypisch. Alles unpolitisch und ohne West-Bashing, aber auch ohne Spannung, weil ja klar ist, dass die Täter erwischt werden. Also eine True Crime Serie in der DDR, bevor es als Podcast Mode wurde.
Beeindruckend, dass die Dramaturgie bei so vielen wechselnden Autoren ein durchgängiges gleiches Hörbild erzielt hat. Über die ausführliche juristische Kommentierung des Staatsanwaltes deckt man besser den Mantel des Schweigens. Er wird nichts bewegt haben, die Fälle erzählen ihre eigene Geschichte.
Fazit
Die Hörspiele sind eher für den Sammler eingefleischter Sprach-Liebhaber geeignet, der tapfer über die Dialoglastigkeit hinweghört. Ehemalige DDR-Bürger werden nostalgische Freude haben. Bei den Streaming-Diensten funktioniert ja auch ein Reinhören.
Diverse Autoren, Pidax
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