Ein temporeicher Krimi, dem es aber etwas an Tiefe mangelt.
Leif und Hamudi sind ein eingespieltes Team. Es ist nicht der erste Einbruch, den beide zusammen begehen. Bereits seit einigen Tagen spähen sie das Haus des 53-jährigen Postmitarbeiters Dirk Pankewitz am nördlichen Stadtrand von Berlin aus. Doch was eine Routinearbeit sein sollte, endet fatal. Als Leif im Keller hinter einem Schrank auf ein geheimes Verlies stößt, in dem eine Frau gefangen gehalten wird, will er nur raus aus dem Haus. Doch plötzlich steht Pankewitz mit einem Brecheisen vor ihm. Als Hamudi ihm zur Hilfe eilt, wird dieser brutal erschlagen. Während Leif entkommen kann, flieht der Postbote mit der im Keller eingesperrten Unbekannten.
Als Kriminalhauptkommissarin Mara Eisfeld, die gerade erst zur neuen Leiterin der 9. Mordkommission im Berliner LKA befördert wurde, vor Ort eintrifft, findet sie Hinweise darauf, dass es sich bei der unbekannten Geisel um die vor zehn Jahren als Teenager spurlos verschwundenen Katharina Stellkamp handelt. Eisfeld war damals kurzzeitig an den Ermittlungen beteiligt. Seitdem lässt sie der Fall nicht mehr los. Deshalb setzt sie nun alles daran, die junge Frau zu finden und aus der Gewalt ihres Entführers zu befreien.
Autor und Regisseur
Steffen Weinert, geboren 1975, absolvierte sein Studium an der Filmakademie Baden-Württemberg und war lange Zeit als Drehbuchautor und Filmregisseur tätig. Sein Kurzfilm „Der Aufreißer“ lief auf über 60 nationalen und internationalen Filmfestivals und hat mehr als 20 Preise gewonnen. Sein Langfilmdebüt „Finn und der Weg zum Himmel“ wurde unter anderem auf den Festivals in Shanghai, Stuttgart und Biberach gezeigt, sowie im SWR und BR ausgestrahlt. Sein zweiter Spielfilm, das Drama „Das Leben meiner Tochter", kam 2019 in die deutschen Kinos. Mittlerweile schreibt Weinert aber hauptsächlich Romane. Nach zwei humorvollen Büchern startet er mit der LKA-Ermittlerin Mara Eisfeld nun seine erste Krimi-Reihe.
Tempo statt Tiefgang
Man merkt dem Debütkrimi des in Landsberg am Lech geborenen Autors an, dass Steffen Weinert ursprünglich aus dem Bereich Film kommt und zunächst Drehbücher schrieb. Der Roman besitzt Tempo und eine stringente, kurzweilige Handlung. So kommt keine Langweile auf, wenn Mara Eisfeld und ihr Team Jagd auf den brutalen Kidnapper macht. Allerdings besitzt die Handlung auch Leerstellen, die in einem Film äußerst sinnvoll sind, im Roman aber gefüllt werden sollen. So erscheint das Handeln der Figuren nicht immer nachvollziehbar. Insgesamt fehlt es den Figuren noch an (psychologischer) Tiefe, obwohl Weinert sich Zeit nimmt, sie einzuführen. Dies gilt sowohl für die junge Ermittlerin, die aktuell mit Eheproblemen zu kämpfen hat und vollkommen unerwartet von einem auf den anderen Tag die Leitung einer Mordkommission erhält, aber vor allem für den Kidnapper. Warum hat er Katharina Stellkamp vor zehn Jahren entführt? Warum starb ein früheres Entführungsopfer? Was geht in dieser Person vor? So erfährt man nur zufällig durch einen Heimbewohner, dass der kleine Dirk mit elf oder zwölf Jahren wohl ein Nachbarmädchen für mehrere Tage in den Schuppen der Eltern einsperrte und sie wie ein Haustier hielt. Gegen Zahlung eines Schweigegelds an die Eltern des Mädchens gelang davon damals nichts an die Öffentlichkeit.
Sprache und Figurendarstellung
Autor Steffen Weinert wechselt durchaus die Perspektiven, zumeist in erlebter Rede. Aber dies geschieht mitunter sprachlich recht holprig, weil es auch nicht immer zur aktuellen Situation der Figuren passt. Insgesamt wirkt der Roman an einigen Stellen unfreiwillig komisch und überzeichnet, unter anderem bei der ARGUS-Reporterin Karlotta von Busse, die Druck auf die junge Ermittlerin ausübt und der immer wieder Informationen „durchgestochen“ werden (eines der Lieblingsworte des Autors). Manch eigenartiger Einfall des Autors lässt den Leser schmunzeln, wenn Eisfeld zum Beispiel selber gefangengenommen wird und ihr ein Knebel im Mund steckt. Die Ermittlerin wird nämlich von Panik ergriffen, weil sie kaum durch die Nase atmen kann: „Seit der Pubertät hatte sie damit Schwierigkeiten und musste hin und wieder den Mund zur Hilfe nehmen, um ausreichend Sauerstoff zu bekommen. Diagnose: gekrümmte Nasenscheidewand.“ Tja, eine OP habe sie bislang aber leider immer wieder aufgeschoben.
Fazit
Steffen Weinert gelingt mit seinem Debüt ein insgesamt gelungener Kriminalroman, der aber eher vom Tempo und einer unterhaltsamen Handlung als von einer tiefer gehenden Figurendarstellung lebt. Spannend ist der erste Fall um Ermittlerin Mara Eisfeld aber alle mal.
Steffen Weinert, Knaur
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