Ein Roman, der leider mehr Schatten als Licht besitzt.
1. Mai 1986. Im kleinen Dorf Katzenbrunn, das vor allem für seine psychiatrische Klinik bekannt ist, findet wie in jedem Jahr die Waldkerb, ein traditioneller Jahrmarkt, statt. Auch der dreizehnjährige Nikolaus Kämmerer freut sich, dass endlich etwas Leben ins ansonsten trostlose, verschlafene Nest im Odenwald kommt. Doch trotz des Trubels auf dem Festplatz verschwindet der Junge mit einem Mal spurlos. Seit 1969 sind nunmehr fünf Kinder aus dem Dorf als vermisst gemeldet worden - und keines ist je wieder aufgetaucht
Als der bislang letzte Junge 1976 verschwand, versprach der ermittelnden Kriminalkommissar Hans J. Stahl der trauernden Mutter, den Sohn zu finden. Ein Autounfall verhinderte seiner Zeit aber, dass er im Fall weiter tätig werden konnte. Doch seit damals lässt das Verschwinden des Jungen dem Ermittler keine Ruhe. Nun - mit 72 Jahren und längst im Ruhestand - beschließt Stahl, die Suche wieder aufzunehmen und auf eigene Faust zu ermitteln. Doch die Dorfgemeinschaft scheint etwas zu verbergen und lehnt jede Unterstützung ab. Während der ehemalige Kommissar den wenigen Spuren nachgeht, verschwindet ein weiterer Junge. Stahl weiß, dass ihm die Zeit davonläuft, wenn er die Kinder noch lebend finden möchte
Darmstädter Autor
Ivar Leon Menger ist Schriftsteller, Diplom-Designer, Werbetexter, Hörspielautor und Regisseur. Bekannt wurde er durch seine erfolgreichen Hörspielserien „Ghostbox“ und „Monster 1983“, für die er mit der Goldenen Schallplatte ausgezeichnet wurde. 2022 erschien bei dtv sein Thrillerdebüt „Als das Böse kam“, das in mehrere Sprachen übersetzt wurde, ein Jahr darauf sein zweiter Thriller „Angst“. Nur legt er mit dem dritten Thriller „Finster“ nach.
Schwächere Figurendarstellung
Der Plot des Romans klingt zunächst vielversprechend und spannend: In einem kleinen Dorf verschwinden seit Jahren immer wieder Kinder. Doch hier stutzt man bereist als Leser. Warum interessiert dies außer einem pensionierten Kriminalkommissar niemanden? Es gibt zwar Suchplakate, aber keine Polizei, die dies nachhaltig untersuchen würde.
Der ehemalige Ermittler Hans J. Stahl erinnert etwas an Dürrenmatts Kommissär Matthäi („Das Versprechen“), da beide es sich zur Lebensaufgabe machen, den Verbrecher zu überführen anstatt einen ruhigen Lebensabend zu verbringen. Und beide versprechen den Müttern der Kinder, den Täter zu finden. Damit enden allerdings bereits die Gemeinsamkeiten, denn Mengers Roman - und damit auch seinem Protagonisten - fehlt es im Vergleich zum großen Schweizer Schriftsteller und Dramatiker an moralischer Tiefe und Komplexität. Stahl selbst bleibt ebenso unnahbar wie die anderen Figuren. Dies macht ein Mitfiebern deutlich schwerer. Die Dorfbewohner vermitteln das Bild einer recht einfältigen, naiven Landbevölkerung. Dabei bewegen sich die Protagonisten mitunter doch sehr am Rande zu einer Persiflage. Menger bietet eine Sammlung eigenwilliger, in ihrem Auftreten insgesamt überzogen dargestellter Figuren und bedient dabei so manch gängiges Klischee. Statt für Spannung sorgen diese Figuren daher oftmals eher für unfreiwillige Belustigung. Insgesamt betrachtet wirkt das Verhalten vieler Dorfbewohner zu unglaubwürdig bzw. wenig nachvollziehbar. Einzig der „Greifer“, der sich die Kinder aus Katzenbrunn holt, ist eine gelungene, weil düstere und anwidernde Figur. Aber auch diese bleibt insgesamt noch zu oberflächlich und der pensionierte Kommissar, der irgendwann zumindest einen Verdacht hat, wer der Täter ist, wird nicht wirklich zu einem Gegenspieler
Multiperspektivität
Autor Ivar Leon Menger bietet zahlreiche Erzählperspektiven. Dies ist ein Gewinn für den Roman, ergibt sich daraus doch die Möglichkeit, den Fall aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten. Allerdings klingen die verschiedenen Stimmen trotz unterschiedlichen Alters und Geschlechts doch alle irgendwie gleich. Auch legt der Autor mit ihnen zu viele falsche Fährten und der Roman mäandert teilweise vor sich her, ohne wirklich einen Spannungsbogen aufzubauen. Obwohl der ehemalige Ermittler Stahl selber immer wieder betont, dass die Zeit drängt, geht alles doch recht gemütlich zu. Hinzu kommt, dass man vieles einfach zu früh erfährt (z.B. was mit den Kindern geschieht).
Zwar erinnern Begriffe oder Ereignisse an die 80er-Jahre (ständig wird an das Unglück in Tschernobyl erwähnt), die Atmosphäre der damaligen Zeit stellt sich aber weniger ein.
Allerdings gelingt Menger auch ein richtiger Clou, wenn deutlich wird, wer tatsächlich der „Greifer“ ist. Es klingt aber schon wie eine Bevormundung seiner Leserschaft, wenn der Autor in der Danksagung (auch mit einem Beispiel) erklärt, was man über den Thriller sagen bzw. nicht sagen darf. Auf keinen Fall solle man die Auflösung verraten! Da schenkt jemand seinen Lesern doch recht wenig Vertrauen.
Fazit
„Finster“ ist ein kurzweiliger, aber insgesamt nur mäßig spannender Thriller, der den eigentlich guten Plot viel zu wenig nutzt und mit einer doch recht hölzernen Figurendarstellung daherkommt. Die Geschichte erscheint doch eher unrund und Fragen bleiben offen. Ein Roman, den man lesen kann, aber nicht muss.
Ivar Leon Menger, dtv
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