Das Haus in dem Gudelia stirbt

  • Pendragon
  • Erschienen: August 2024
  • 1
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Sabine Bongenberg
90°1001

Krimi-Couch Rezension vonSep 2024

Von denen, die schon lange gestorben sind…

Gudelia steht am Fenster ihres alten Hauses und sieht zu, wie das Hochwasser steigt. Zuletzt war die Katastrophenwarnung ausgegeben worden, alle Einwohner des kleinen Örtchens haben gepackt und sind davongelaufen. Gudelia allein ist hier geblieben. Sie kann ihr Haus nicht verlassen - es hängt doch so viel daran: Die Erinnerungen an ihre Ehe - war sie eigentlich jemals glücklich? Die schönen Momente mit ihrem Sohn - ach wie lange ist das schon her? Das Geheimnis, das niemand sehen darf - wird es sicher verschlossen bleiben? Gudelia weiß nur eines: Sie muss es um jeden Preis bewahren...

Wenn das Leben schon lange geendet hat...

Thomas Knüwer erzählt in seinem Auftaktroman vom Leben in einem kleinen Örtchen auf dem platten Land. Ein paar Dinge gibt es - der örtliche Laden, der Friseur, der Bauer, der auf einen Reiterhof umgesattelt hat und damit richtig viel Geld verdient. Man kennt sich, man mag sich nicht leiden, manchmal hilft man sich trotzdem. Die anrollende Hochwasserwelle stellt aber das normale Leben auf den Kopf. Im ganzen Chaos bleibt die alleinlebende 81-jährige Gudelia verlassen in ihrem Dorf zurück. Schon das vermittelt dem Leser ein schauriges Gefühl: Möglicherweise, haben die Nachbarn nur einfach gedacht, sie sei mit anderen geflüchtet - möglicherweise hat aber auch überhaupt niemand einen Gedanken an sie verschwendet.

Im Laufe der Geschichte erfahren wir aber, dass die Heldin nicht immer einsam war. Da waren ein Mann, ein Sohn, ein Leben, das keine dramatischen Höhepunkte aufwies aber gar nicht mal so schlecht war. Bis eben dieses Leben einstürzte. Thomas Knüwer erzählt hier so feinfühlig, dass jeder der - wie ich - auf dem Dorf groß geworden ist, sich in seine Jugend zurückversetzt fühlt. Früher gab es einige Dinge nicht - und gab es sie doch, dann gab es sie trotzdem nicht! Knüwer erzählt in der ersten Zeitachse des Romans, die im Jahr 1984 spielt, wie die Katastrophe über die kleine, ganz normale Familie herein- und die bisher (sicherlich nicht glückliche aber dennoch funktionierende) Ehe Gudelias zerbricht. Das Leben der Heldin, so wie sie es bisher kannte, endet 1984 - auch wenn der Körper noch immer weiter atmet und lebt.

Heldin, tragische Gestalt oder schlicht und ergreifend rachsüchtig und gemein?

Mit diesem Einschnitt aber ändert sich das Leben seiner Protagonisten. Gudelia versucht ihr Leben irgendwie weiter zu führen und nach allem was passiert ist, ist es maßgeblich, dass sie das Haus behält. Was aber tun, wenn der Ehemann anfängt, es im wahrsten Sinne des Wortes zu versaufen? Sie zeigt hier eine neue, harte Seite und es ist sicher nicht schön, diesen Wandel zu lesen. Nachvollziehbar ist es dennoch und ist man ehrlich, hat sie vielleicht noch nicht einmal Unrecht. Dennoch ist es ein schmaler Grat auf dem sie sich bewegt und werden Menschen verletzt, um ein eigenes Recht zu wahren oder vergangenes Unrecht zu kompensieren, so wird auch diesen Anderen Unrecht getan und Schmerz bereitet.

Bei aller Begeisterung habe ich aber auch diesem grandiosen Roman ein paar Punkte abgezogen. Ich tat mich ein wenig schwer damit, die gelegentlichen „Herkulesarbeiten" der Beteiligten glauben zu können. Für die Handlung war das so sicherlich wichtig - ob es in der Realität machbar wäre, das bezweifle ich allerdings. Dennoch stellt dieser Roman bereits jetzt und für mich persönlich einen Favoriten für den Krimi des Jahres 2024.

Fazit

Thomas Knüwer hat einen mitreißenden, berührenden, fesselnden Roman über Gudelia geschrieben, die in ihrem alten Haus sterben wird und gar nicht versteht, dass das doch schon vor vielen Jahren passiert ist.

Das Haus in dem Gudelia stirbt

Thomas Knüwer, Pendragon

Das Haus in dem Gudelia stirbt

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