Den Tod belauscht man nicht
- Hoffmann und Campe
- Erschienen: Juli 2024
- 2
Angst lehrt lügen, nicht gehorchen.
Ingrid Wolt war viele Jahre Polizistin in Stockholm. Nun will sie nach drei Jahren im Gefängnis in der Provinz neu anfangen. Aber die Suche nach einem neuen Job gestaltet sich schwierig, gerade weil sie ihre Vergangenheit nicht aufdecken will. Ingrids Ziel ist es, ihre Tochter Anna so schnell wie möglich in das neue Zuhause zu holen. Sie lebt zurzeit bei einer Pflegefamilie. Doch dafür muss Ingrid erst einmal ihren Lebensunterhalt verdienen.
Neue Ermittlungen
Ingrids Bemühungen, einen Job zu finden, bleiben erfolglos. So beschliesst sie schliesslich, als Privatermittlerin Geld zu verdienen. Als ehemalige Polizistin kennt sie sich mit der Materie bestens aus. Eines Tages taucht Solveig bei ihr auf. Ihr zwölfjähriger Sohn Mattias ist vor einem Jahr spurlos verschwunden. Sein Fahrrad und seine Kleidung wurden gefunden, aber von dem Jungen fehlt jede Spur. Die Polizei vermutet, dass er beim Spielen ins Wasser gefallen und ertrunken ist. Ingrid nimmt den Auftrag an und beginnt mit ihren Ermittlungen.
Sie nimmt Kontakt mit dem Polizeichef auf, der sich jedoch wenig kooperativ zeigt. Auf dem Polizeirevier trifft sie auf ihre ehemaligen langjährigen Kollegen Benny. Er hat sich von Stockholm in die Provinz versetzen lassen. Über ihn erhält sie auf informellem Weg Zugang zu Informationen und Kopien der Ermittlungsakten. Nach und nach stösst Ingrid auf Ungereimtheiten und mangelhafte Ermittlungen. Zudem scheint fast jeder Bewohner der kleinen Siedlung ein Geheimnis mit sich herumzutragen.
Während sich Ingrid immer mehr in die Suche nach dem Jungen vertieft, läuft es in ihrem Privatleben nicht ganz so rund. Ihre Tochter, die sie in Begleitung einer Jugendarbeiterin besuchen darf, hat sich von ihr entfremdet. Das ist ein bisschen viel für die zielstrebige Ermittlerin. Und die Ängste aus der Vergangenheit begleiten sie wieder.
Ohne überspitzte Elemente
Der Roman beginnt mit Ingrids Entlassung und ihrem Start in ein neues Leben. Dass dieser nicht einfach sein wird, ist der ehemaligen Polizistin klar. Nur langsam gewöhnt sie sich an die wiedergewonnene Freiheit. Die drei Jahre im Gefängnis haben ihre Spuren hinterlassen. Behutsam führt die Autorin durch diese schwierige Lebensphase und zeichnet das Bild einer Frau Mitte Dreissig. Mit Beginn der Ermittlungen wandelt sich langsam der erste Eindruck und man ahnt die ehemals taffe Polizistin hinter der seelisch angeschlagenen Person. Und die Spannung steigt. Je mehr Ingrid erfährt und herausfindet, desto klarer wird, dass Mattias nicht ertrunken sein kann.
Diese Spurensuche im Wechsel mit dem tatsächlichen Geschehen im Jahr zuvor ist ein ganz besonderes Lesevergnügen. Vor allem der Junge Mattias berührt durch sein Wesen. Ein Wildfang und Lausbub, wie er im Buche steht. Mit seinem Freund Kay treibt er Schabernack und macht die Gegend unsicher. Dabei lernt man auch einige etwas suspekte Dorfbewohner kennen. Immer wieder führt die Autorin ihre Leser auf neue Fährten, die aber nichts mit dem Vermisstenfall zu tun haben.
Ninni Schulman hat die verschiedenen Charaktere wunderbar gezeichnet. Die Geschichte ist stimmig und hat die richtige Mischung, um Spannung zu erzeugen. Man taucht ein in eine Dorfgemeinschaft mit vielen Problemen und erfährt von Sorgen und Nöten, die aktueller nicht sein könnten. Und gerade die Passagen, die das Geschehen im vergangenen Sommer hervorholen, gehen unter die Haut.
Am Ende führen die beiden Erzählstränge zur Auflösung des Falles. Nur Ingrids Privatleben bleibt weiterhin turbulent und damit ist auch schon der Einstieg in den zweiten Band vorbereitet.
Fazit
Der erste Fall für Ingrid Wolt ist ein absolut gelungener Einstieg in die Krimireihe. Ohne reisserische und blutige Elemente, dafür aber mit viel Gespür für Spannung und allzu menschliche Schwächen überzeugt der Roman auf Anhieb.
Ninni Schulman, Hoffmann und Campe
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