All das Böse, das wir tun

  • HarperCollins
  • Erschienen: August 2024
  • 3
All das Böse, das wir tun
All das Böse, das wir tun
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Thomas Gisbertz
76°1001

Krimi-Couch Rezension vonSep 2024

Düster, packend, Dazieri!

In Mitten der landschaftlichen Idylle des kleinen italienischen Dorfes Città del Fiume hält plötzlich das Böse Einzug. Die Teenagerin Amala, Tochter berühmter Eltern, wird am helllichten Tag entführt. Das Seltsame: Der Entführer stellt keine Lösegeldforderung und nimmt auch ansonsten keinen Kontakt mit der Familie auf. Francesca Cavalcante, Amalas Tante und erfolgreiche Rechtsanwältin, hegt zunehmend einen beängstigenden Verdacht: Handelt es sich beim Täter vielleicht um einen Mann, mit dem Francesca bereits vor dreißig Jahren zu tun hatte? „Der Perser“, wie er genannt wurde, hatte damals innerhalb von drei Jahren drei Mädchen in Amalas Alter entführt und ihre Leichen in den Flüssen um Cremona entsorgt. Mit Giuseppe Contini wurde ein junger Mann des Mordes angeklagt, den Francesca als noch unerfahrene Anwältin erfolglos verteidigte. Contini wurde zu lebenslanger Haft verurteilt, starb aber zwei Jahren später bei einem Brand im Gefängnis.

War der schuldig gesprochene Contini vielleicht gar nicht der Täter? Hat stattdessen der wahre „Perser“ wieder zugeschlagen? Während Francesca versucht, dem Täter auf die Spur zu kommen, erhält sie unerwartete Unterstützung: Ein mysteriöser Israeli namens Gerry sucht ebenfalls nach der verschwundenen Amala und ist sogar bereit, dafür zu töten. Dennoch braucht Francesca seine Hilfe. Aber kann die Anwältin ihm wirklich vertrauen?

Italienischer Thrillerautor

Der in Cremona geborene Sandrone Dazieri ist einer der erfolgreichsten Krimi-Drehbuchautoren Italiens. Er arbeitete jahrelang als Programmmacher im größten Verlagshaus Italiens. 2004 gründete er gemeinsam mit dem italienischen Filmregisseur Gabriele Salvatores und dem Produzenten Maurizio Totti einen eigenen Verlag für Kriminalromane („Colorado noir“). In seiner Heimat ist er vor allem aufgrund seiner „Gorilla-Serie“ bekannt, die in Italien auch verfilmt wurde. Mit seiner in mehr als dreißig Ländern übersetzten und äußerst lesenswerten Thriller-Trilogie rund um das Ermittlerteam Dante Torre und Colomba Caselli eroberte Dazieri auch international die Bestsellerlisten. In Deutschland ist der 59-jährige Thrillerautor allerdings noch recht wenig bekannt. Mit „All das Böse, das wir tun“ erscheint nun bei Harper Collins Dazieris neuer Roman.

Wer ist Täter und wer Opfer?

Wer Sandrone Dazieri kennt, der weiß, dass er es durchaus mit einem düsteren Thriller zu tun bekommt. Allerdings kennt der Italiener Grenzen. Details erspart er dem Leser zumeist. Dazieri geht es auch in erster Linie gar nicht darum, grenzwertige und abstoßende Szenen darzustellen. Sie dienen in den wenigen Fällen eher dazu, die Figuren und ihr Motiv besser kennenzulernen. Auch der Täter in Dazieris neuem Roman will sein Opfer nicht leiden lassen, auch wenn er harte Maßnahmen ergreift. Seine Beweggründe sind viel subtiler, gleichwohl sie einem kranken Geist entspringen. Denn der Täter ist selbst ein Opfer, dem man das Wichtigste in seinem Leben genommen hat. Seitdem hat nur das Böse in ihm überlebt.

Wie bereits in der erfolgreichen Torre-Caselli-Reihe verschwimmen auch diesmal die Grenzen zwischen Gut und Böse, zwischen Täter und Opfer. Gleichzeitig ist es Dazieri wichtig, dass wir verstehen, warum seine Protagonisten so handeln, wie sie es tun. Was ist erlaubt? Wo müssen Grenzen eingehalten werden? Dies gilt insbesondere für den wenig durchschaubaren Israeli Gerry, der seinen ganz eigenen Plan zu verfolgen scheint. Er ist sicherlich die interessanteste Figur im Roman, auch wenn sein Vorgehen und Wissen gerade zu Beginn der Handlung doch recht unglaubwürdig erscheint. Er ist aber eine typische Dazieri-Figur, da der Autor seinen männlichen Protagonisten gerne etwas eigenwillig und rätselhaft anlegt. Dagegen wirken die anderen Figuren diesmal oftmals etwas blass. Dies gilt auch für die 60-jährige Anwältin Francesca Cavalcante, die zu wenig zum ausgleichenden moralisch-rechtlichen Element in der Erzählung wird. Erst zum Ende hin bekommt sie deutlich mehr Profil.

Dunkle Vergangenheit

Neben den aktuellen Ermittlungen gewährt Dazieri seinen Lesern auch immer wieder einen Blick auf die Ereignisse, die vor 30 Jahren stattgefunden haben. Man erfährt sehr früh, dass der mutmaßliche Täter Giuseppe Contini tatsächlich unschuldig war. Warum er aber dennoch verhaftet und angeklagt wurde, spielt eine entscheidende Rolle und wirft seine Schatten bis in die Gegenwart. Die damals ermittelnde Polizistin Itala Caruso hatte durchaus gewichtige Gründe, Contini ins Gefängnis zu bringen. Als sie aber erfährt, dass dieser dort bei einem Feuer qualvoll stirbt, wird ihr Instinkt geweckt und sie rollt gegen den Willen ihres Vorgesetzten den Fall neu auf. Was sie dabei entdeckt, bringt nicht nur sie in Lebensgefahr.

Fazit

In Sandrone Dazieris neuem Roman geht es um Gerechtigkeit, Moral und Korruption. Über allem steht aber die Frage, was erlaubt ist, um den Täter zu überführen und das Opfer zu retten. Auch wenn der Roman etwas Anlauf nehmen muss, entwickelt sich zunehmend eine packende Geschichte, die den Leser immer mehr in ihren Bann zieht. Sandrone Dazieri erweist sich erneut als einer der besten Thriller-Autoren Italiens.

All das Böse, das wir tun

Sandrone Dazieri, HarperCollins

All das Böse, das wir tun

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