Tode, die wir sterben

  • Kiepenheuer & Witsch
  • Erschienen: August 2024
  • 7
Tode, die wir sterben
Tode, die wir sterben
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Thomas Gisbertz
84°1001

Krimi-Couch Rezension vonAug 2024

Ein packender Serienstart, der Lust auf mehr macht.

Für den erfahrenen Ermittler Jon Nordh von der Mordkommission in Malmö bricht eine Welt zusammen. Bei einem Autounfall stirbt seine Frau Linda. Als wäre dieser Schicksalsschlag nicht schon schwer genug, erfährt er, dass auch sein engster Kollege und Freund Carl-Johan bei diesem Unglück ums Leben kam. Aber warum saßen beide überhaupt zusammen im Wagen? Ist Linda etwa mit ihm fremdgegangen? Und warum gab es keine Bremsspuren am Unfallort? Für die Polizei gibt es aber keinen Grund, in dieser Angelegenheit tätig zu werden. Während Jon sich jetzt um seine beiden kleinen Kinder kümmern muss, fällt er in ein tiefes Loch.

Nachdem er mehrere Monate außer Dienst war, erhält er von Polizeichefin Mellander einen Anruf: Im Brennpunktstadtteil Hermodsdal wurde bei einem Drive-by-Shooting ein 13-Jähriger getötet. Wurde der Teenager Opfer einer der zahlreichen Bandenkriege, die sich derzeit in Schweden immer mehr verschärfen? Der öffentliche Druck auf die Polizeiführung wächst zunehmend. Nun soll Jon den undankbaren Fall zusammen mit der strafversetzten nordschwedische Ermittlerin Svea Karhuu übernehmen. Als Gegenleistung bekommt er Einsicht in die Unfallakte seiner Frau. Und für Jon ist es vielleicht die letzte Chance, in sein altes Leben als Kriminalkommissar zurückzufinden.

Neues aus Schweden

Das Bestsellerduo Roman Voosen und Kerstin S. Danielsson melden sich eindrucksvoll zurück. Nachdem beide mit dem zehnten Band „Spur der Luchse“ ihre erfolgreiche Forss-Nyström-Reihe - vielleicht die beste skandinavische Krimiserie der letzten Jahre - abgeschlossen haben, legen sie nun mit „Tode, die wie sterben“ einen nicht minder gelungenen Start ihrer neuen Malmö-Reihe vor. Mit dem ersten Band rund um Kommissar Jon Nordh und seine Kollegin Svea Karhuu beweist das deutsch-schwedische Autorenpaar, dass es am Puls der Zeit ist und ein feines Gespür für Figuren, sozial-gesellschaftliche Themen und eine packende, temporeiche Handlung besitzt.

Die gebürtige Schwedin Kerstin S. Danielsson und der in Rheinhausen geborene Roman Voosen sind seit über zehn Jahre verheiratet und leben inzwischen in der schwedischen Gemeinde Berg. Sie verbinden in ihren Büchern Elemente des traditionellen skandinavischen Kriminalromans mit einem modernen Erzählstil. Während in ihrer ersten Krimireihe historische Bezüge zur Geschichte und Kultur Schwedens zu ihrem Markenzeichen wurden, stehen nun aktuelle, gesellschaftlich relevante Themen im Vordergrund. Geblieben scheint aber die Besonderheit, dass sich ein gemeinsamer Handlungsstrang durch die einzelnen Bände der Reihe zieht und man nebenbei viel Wissenswertes über Schweden erfährt.

Ungleiches Duo

In den letzten Jahren rückt wieder zunehmend die südschwedische Stadt Malmö auf die Landkarte skandinavischer Krimis. Dabei dürfte - wenn man den aktuellen Band zu Grunde legt - weniger die exponierte Lage durch die Nähe zu Dänemark bei der Wahl des Handlungsortes eine Rolle gespielt haben, als vielmehr die sozial-gesellschaftliche Entwicklung Schwedens, die sich in der drittgrößten Stadt des Landes besonders deutlich zeigt. Vor allem die Bandenkriminalität im Zusammenhang mit Drogendelikten und zahlreichen Mordfällen stellt eine enorme politische Herausforderung dar. In diesem kriminellen Schmelztiegel ermitteln nun der erfahrene, aber emotional abgestumpfte Jon Nordh und die 25-jährige Svea Karhuu, die bereits als verdeckte Ermittlerin tätig war. Allerdings muss sich die junge Polizistin nicht nur wegen des Vorwurfs der Tötung in einem besonderen Fall verantworten, sondern auch noch wegen einer handgreiflichen Auseinandersetzung mit einer Kollegin, weshalb sie vorerst suspendiert wird. Ihr Chef nutzt nun allzu gerne die sich bietende Möglichkeit, Svea vorübergehend nach Malmö zu versetzen.

Nicht nur wegen des Altersunterschieds von etwa 20 Jahren fällt es Nordh und Karhuu zunächst schwer, sich als Team zu finden. Jon ist ein erfahrener Ermittler, der unter dem Verlust seiner Frau zu leiden hat. Dennoch ist er eine ambivalente Figur. Jon erscheint auf den ersten Blick als Typ „alter, weißer Mann“ und ist sicherlich alles andere als ein sympathischer Ermittler, da er sich häufig abfällig über andere sexuelle Orientierungen, Menschen mit Migrationshintergrund und ihm nicht konforme Kollegen äußert. Svea, die als Kind adoptiert wurde und arabische Wurzeln hat, passt ihm da gar nicht. Zudem muss sich diese ständig Sprüche über ihre nordschwedische Herkunft anhören. Die junge Frau wuchs nämlich in Tornedalen auf, einer seit Jahrhunderten vernachlässigten Gegend an der Grenze zu Finnland. Erst als Jon und Svea den Mut haben, sich zu öffnen und einen Blick in ihr Inneres gewähren, finden sie zueinander

Fazit

Vossen / Danielsson beweisen einmal mehr, dass sie hervorragende Geschichtenerzähler sind. Ihr äußerst cleverer und wendungsreicher Plot weiß vor allem mit einer starken Figurenzeichnung und der gelungenen Einbindung eines brisanten, hochaktuellen Themas zu überzeugen. Dieses wird nicht nur äußerst realistisch, sondern auch sehr facettenreich und mitunter sensibel dargestellt. Wer schwedische Krimis mag, muss Voosen / Danielsson lieben. Mankell und Sjöwall / Wahlöö scheinen in der Gegenwart angekommen zu sein. „Tode, die wir sterben“ ist ein klassischer Schweden-Krimi 2.0.

Tode, die wir sterben

Kerstin Signe Danielsson, Roman Voosen, Kiepenheuer & Witsch

Tode, die wir sterben

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