Roter Sommer

  • Winterzeit Verlag, Pendragon
  • Erschienen: Juli 2024
  • 2
Roter Sommer
Roter Sommer
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Thomas Gisbertz
72°1001

Krimi-Couch Rezension vonAug 2024

Ein schmerzvoller und nachdenklich stimmender Kriminalroman.

Ein heißer Sommer hat Madrid fest in seinem Griff. Die spanische Nationalmannschaft kämpft um den Weltmeistertitel in Südafrika und hält das ganze Land in Atem. Comisaria María Ruiz plant das wichtige Viertelfinalspiel mit ihrer Familie zu schauen. Doch dazu kommt es nicht. Stattdessen wird die eigenwillige Ermittlerin mit dem jungen Kollegen Esteban zu einem brutalen Mordfall gerufen. Im See eines bekannten Skulpturen-Parkes wird der Leichnam eines jungen Mannes gefunden, der dort versenkt und fixiert wurde.

Der einzige Hinweis auf die Identität des Opfers ist ein rätselhaftes, kleines Tattoo auf der Brust des Toten. Gleichzeitig wird ein siebzehnjähriger Teenager aus Santander vermisst. Könnte er das Opfer sein? Gemeinsam mit ihrem alten Mentor Carlos Fuentes, der mittlerweile in der Hauptstadt Kantabriens arbeitet, macht Ruiz sich auf die Suche nach dem Täter. Kaum haben die Ermittlungen begonnen, wird eine zweite Leiche gefunden. Beide Opfer scheinen sich gekannt zu haben. Eine erste Spur führt Ruiz und Fuentes zu einer katholischen Schule. In María keimt ein fürchterlicher Verdacht, der sich bald bestätigen soll. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt, der das Ermittlerteam in den Abgrund der menschlichen Seele blicken lässt.

Spanische Journalistin und Buchautorin

Berna González-Harbour, geboren 1965 in Santander, startete ihre Karriere als Journalistin bei der spanischen Zeitung El País, wo sie unter anderem verschiedene Ressorts leitete. Zudem ist sie in Spanien eine bekannte Literaturkritikerin. „Roter Sommer“ ist der erste Band ihrer Krimireihe rund um Comisaria María Ruiz, der in Spanien bereits 2012 erschien. Für den vierten und bislang letzten Teil, „Goyas Rache“ (2019), gewann González-Harbour 2020 den spanischen Krimipreis Premio Hammett. Beide Bände sind beim Bielefelder Pendragon Verlag erschienen.

Die Autorin recherchierte während ihrer Arbeit als Journalistin bei El País auch über Missbrauchsfälle an katholischen Schulen in Spanien. Das Unfassbare: Jahrelang versetze die spanische Kirche pädophile Priester, statt sie anzuzeigen, nach Lateinamerika. González-Harbour entschied sich, einen Kriminalroman über die Ereignisse und Hintergründe zu schreiben.

„Roter Sommer“ wurde in Spanien erfolgreich verfilmt und ist mittlerweile auch hierzulande unter dem Filmtitel „Blutroter Sommer – Im Bann des Killers" als DVD und Stream erhältlich.

Missbrauch und Kirche

Der Roman ist sicherlich keine leichte Lektüre. Früh wird dem Ermittlerteam klar, dass die beiden Mordfälle im Zusammenhang mit sexuellen Missbrauchsfällen durch Priester und auch Mitschüler stehen. Beide Opfer besuchten nicht nur eine katholische Privatschule, sondern kannten sich auch aus einem Ferienlager. Comisaria Ruiz konfrontiert den Leiter einer der Schulen, der gleichzeitig Seelsorger einer der Familie ist, mit Fotos, die eines der Opfer während der zahlreichen Missbrauchsfällen durch jüngere und ältere Männer machte. Doch sie stößt nicht nur bei Pater Damian auf eine Mauer des Schweigens. Nichts davon darf an die Öffentlichkeit dringen. Die Ignoranz und das Machtgefühl der Täter, das Wegschauen der Verantwortlichen und deren Überzeugung, dass Gott schon für die gerechte Strafe sorgen wird, machen nicht nur die Ermittler, sondern auch den Leser fassungslos und zugleich wütend.

Vielfältige Perspektive

Das Ermittlerteam stößt zunehmend an seine körperlichen und mentalen Grenzen. Dies betrifft nicht nur María Ruiz und Carlos Fuentes, sondern auch einen ihrer Kollegen, den Kriminaltechniker Tomás Gutiérrez, der bereits früher an der Zerschlagung eines Kinderpornorings beteiligt war. Die Bilder von damals konnte er verdrängen, aber sie lassen ihn bis heute nicht los. Der alternde Journalist Luna, der kurz vor dem Rauswurf bei seiner Tageszeitung steht, ist in diesem Roman der Repräsentant der Öffentlichkeit. Luna ist ein gewiefter Kerl, der sich von niemanden etwas sagen lässt und über verlässliche Quellen verfügt. Der Journalist, der auch Comisaria María Ruiz gut kennt, muss stets abwägen, wie er mit den Informationen über die beiden Todesfälle umgeht.

Dass González-Harbour nicht nur die Seite der Opfer, sondern auch der Ermittler, der Presse und der Familien zeigt, ist ein Gewinn für den Roman. Allerdings bleibt dies insgesamt noch zu vage und kratzt lediglich an der Oberfläche. Hier wäre noch mehr Tiefe im Umgang mit den Gräueltaten möglich und wünschenswert gewesen. Dadurch hätten die Figuren noch mehr an Kontur und der Roman an Klasse gewonnen. Auch bleiben vereinzelt Fragen, die den Fall und die Arbeit des Ermittlerteams betreffen, offen.

Fazit

Missbrauch in der katholischen Kirche - Ein leider immer noch aktuelles Thema, das einen nicht loslassen kann. Dies gilt auch für den Roman, der bewegt und unter die Haut geht. González-Harbour war es wichtig, über die Missbrauchsfälle im katholischen, konservativen Spanien zu schreiben. Man merkt dem Roman aber an, das er ein Debüt ist, da alles dem Thema untergeordnet wird. Dennoch ist „Roter Sommer“ ein lesenswerter Kriminalroman.

Roter Sommer

Berna Gonzáles Harbour, Winterzeit Verlag, Pendragon

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