Was wir ihnen antun

  • Lübbe
  • Erschienen: Oktober 2024
  • 0
Was wir ihnen antun
Was wir ihnen antun
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Thomas Gisbertz
82°1001

Krimi-Couch Rezension vonNov 2024

Wer Krimis mag, sollte Arttu Tuominen lesen!

Eine verzweifelte Mutter meldet sich an einem kalten Herbstabend bei der Polizeistation in Pori, um ihre 13-jährige Tochter Laura als vermisst zu melden. Diese ist von der Schule nicht nach Hause gekommen. Für die Polizei um Kriminaloberkommissarin Linda Toivonen besteht allerdings noch kein Handlungsbedarf. Dennoch macht sich die Kommissarin ihre Gedanken, schließlich hat sie eine Tochter im selben Alter. Als Laura aber auch am nächsten Tag nicht auftaucht, beginnt die Suche nach der Teenagerin. In der Schule erfährt das Ermittlerteam, dass sich Laura zuletzt stark veränderte. Als sie den Computer der Vermissten durchsuchen, müssen sie feststellen, dass die Dreizehnjährige im Internet auf Sex- und Pornoforen unterwegs war und freizügige Fotos von sich veröffentlichte. Kurz darauf wird die Vermisste tot in einem Fluss gefunden. Laura wurde vor ihrer Ermordung brutal misshandelt und gefoltert. Hat der Fall etwas mit dem mysteriösen „Peter Pan“ zu tun, mit dem das Mädchen seit einiger Zeit Nachrichten austauschte? Als Kommissarin Linda Toivonen weiter forscht, muss sie erkennen, dass es die Polizei in Pori wohl mit einem Serientäter zu tun hat.

Nordic Crime aus Finnland

„Was wir ihnen antun“ ist der vierte Band der mehrfach ausgezeichneten „River-Delta-Reihe“ des finnischen Autors Arttu Tuominen. Die Serie war von Beginn an auf sechs Bände angelegt, bei denen jeweils ein anderer Charakter des Ermittlerteams im Mittelpunkt steht. Diesmal rückt die alkoholkranke Kommissarin und alleinerziehende Mutter Linda Toivonen ins Zentrum des Romans. Trotz dieser ungewöhnlichen Grundidee ist jeder Fall in sich abgeschlossen. Die im Lübbe Verlag erschienenen Romane können daher unabhängig voneinander gelesen werden. Dennoch bietet es sich nicht nur im Hinblick auf die Figurenentwicklung an, mit Band 1 zu beginnen. Im letzten Teil der Reihe, der eine Art finalen Zusammenschluss darstellt, werden laut Tuominen die noch ungeklärten Geheimnisse der Reihe aufgelöst. In Finnland ist bereits der fünfte Band der Reihe im letzten Jahr erschienen.

Arttu Tuominen lebt mit seiner Familie in der Küstenstadt Pori, dem Schauplatz der vorliegenden Romanreihe. Der 41-jährige Finne gehört sicherlich zu den vielversprechendsten Krimiautoren der nordischen Länder. Was die Reihe besonders auszeichnet, ist ihre thematische Vielfalt. Tuominen erweist sich als ausgezeichneter Erzähler, egal ob es um Freundschaft, Diversität, Kriegsverbrechen oder wie im aktuellen Band um Missbrauch Minderjähriger geht. Dem Autor gelingt es stets, eine gute Balance zwischen den aktuellen Fällen und Ereignisse aus der Vergangenheit herzustellen, deren Folgen bis in die Gegenwart reichen. Fachlich präzise und gleichzeitig empathisch geht Tuominen dabei bei der Entwicklung der Themen und der Figurendarstellung vor. Besonders das Ermittlerteam um Linda Toivonen, Henrik Oksman, Jari Paloviita und die neue Chefin Susanna Manner wird äußerst persönlich und intim dargestellt. Die genaue Schilderung ihrer privaten Sorgen und Umstände fügt sich sehr gut in die Handlung ein und sorgt somit für keinen Spannungsabfall.

Düstere Atmosphäre

Die Ermordung der 13-jährigen Laura belastet Kommissarin Toivonen gleich in zweierlei Hinsicht: Zum einen macht sie sich Sorgen um ihre gleichaltrige Tochter Linnea, die in die Parallelklasse des Opfers ging und offenbar Geheimnisse vor der Mutter hat. Zum anderen wecken die Geschehnisse unangenehme Erinnerungen an Toivonens eigene Teenagerzeit, als sie für kurze Zeit als Modell in Mailand war. Hinzu kommt, dass Linnea ihre Mutter zum ersten Mal mit deren Alkoholproblemen konfrontiert. Auch die Geschichten der Kollegen Oksman und Paloviita werden weiter erzählt und die neue Chefin Susanna Manner hat mit ihrem Sohn und dessen Drogenabhängigkeit zu kämpfen. Dass sich der Roman trotz zahlreicher kleinerer Nebenhandlungen erneut wunderbar flüssig und überaus kurzweilig lesen lässt, ist dem Schreibstil Tuominens zu verdanken, der die verschiedenen Handlungsfäden immer wieder gekonnt zusammenführt. Ein weiteres großes Plus der Reihe ist, dass Tuominen sein Ermittlerteam immer wieder durchaus kontrovers über die Fälle und Ereignisse diskutieren lässt. Besonders das richtige Verhalten der Ermittlungsbeamten rückt dabei diesmal in den Mittelpunkt.

Fazit

„Was wir ihnen antun“ erreicht nicht ganz die Klasse des Vorgängerbandes. Dennoch packt der spannende Roman den Leser zunehmend, lässt Raum für eigene Bewertungen und weiß vor allem mit einem sehr guten Erzählstil zu überzeugen. Die „River-Delta-Reihe“ ist sicherlich aktuell aus vielerlei Hinsicht eine der interessantesten europäischen Krimiserien. Arttu Tuominen beweist einmal mehr, dass er längst kein Geheimtipp mehr ist, sondern derzeit zu den besten nordischen Spannungsautoren zählt.

Was wir ihnen antun

Arttu Tuominen, Lübbe

Was wir ihnen antun

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