Die Abschaffung des Todes

  • Lübbe
  • Erschienen: August 2024
  • 1
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Sabine Bongenberg
70°1001

Krimi-Couch Rezension vonOkt 2024

Who wants to live forerver?

James Windover hat seine eigene kleine - aber hochkarätige - Zeitung gegründet. Einem extrem gut betuchten Kundenstamm werden schnell und vor dem Rest der Welt alle wichtigen Fakten geliefert, die sie brauchen, um ihr Unternehmen durch alle Stürme der Börse zu führen. Besonderen Wert legt er darauf, dass keine Aktion bewertet wird. Aufgrund von Konflikten ist eine deutliche Aufwertung von Aktien aus dem Waffensektor zu rechnen? Wegen einer Missernte steigen die Lebensmittelpreise in Afrika? Windovers Zeitung berichtet von beiden Vorgängen und egal ob Gewehr oder Getreide - eine moralische Würdigung erfolgt nicht. Damit haben der Chefredakteur und sein sorgsam zusammengestelltes Team gut zu tun. Dennoch müssen sie eine zusätzliche Aufgabe übernehmen, als eine britische Milliardärin und wichtige Mäzenin der Zeitung sich nach einem neuen Projekt erkundigt. Die Firma "Youvatar" - präsentiert von ihrem schillernden Geschäftsführer Peter Young - stellt ein neues Geschäftsmodell vor. Natürlich richtet es sich nur an die Superreichen - aber es beinhaltet eine Sensation: Der Tod könnte mit dem neuen Geschäftsmodell seinen Schrecken verlieren und es wird noch viel besser: Er könnte einfach abgeschafft werden. Natürlich sollten das doch fantastische Nachrichten für die Menschheit sein! Eigenartig aber, dass Youvatar scheinbar alles daransetzt, um ein paar kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen.

Der Tod und die Steuern

Diejenigen, die sich noch an den Film "Joe Black" erinnern, in dem Brad Pitt einen äußerst charmanten Tod, der sich eine kurze Auszeit von seinen anstrengenden Tätigkeiten nahm, mimte, wissen es noch: Zwei Dinge im Leben sind sicher - der Tod und die Steuern. Nun, möglicherweise lässt sich an den Steuern tatsächlich nichts ändern, aber in Andreas Eschbachs neuem Roman soll die Biologie auf den Kopf gestellt und ein unbeschränktes Weiterleben garantiert werden.

Diese Idee ist grundsätzlich sicher revolutionär. Dennoch warfen sich bei mir verschiedene Fragen auf: Ist die Realität des Todes nicht einfach ein Fakt, den wir gelernt haben, zu akzeptieren? Wie soll das Ganze denn überhaupt funktionieren, wenn doch der Körper irgendwann einfach seinen Dienst versagt und auch der Geist nicht mehr in der Lage ist, sich all' den schnellen Schritten, die die Moderne mit sich bringt, anzupassen? Hier stellte sich aber auch schon bald heraus, dass diese Frage eigentlich erst in den Kinderschuhen steckte. Nach viel Geheimniskrämerei entpuppte sich die Geschäftsidee der Firma eher um ein Konzept. Man könnte auch mit Donald Trump sagen: "We have a concept of a plan."

Ernüchtert war ich dann auch, als ich las, dass es nicht darum ging, dass tatsächlich zuletzt der "Jungbrunnen" gefunden worden war (und sollte er jemals entdeckt werden, bitte ich um unverzügliche Benachrichtigung), sondern dass nur der Geist - oder wenn man so will die "Seele" - der gut betuchten Kunden in einen Computer hochgeladen werden soll. Ja - und was dann? Irrt sie durch virtuelle Räume? Genießt sie eine technisch konstruierte Idylle, die mit der Natur oder der Realität nichts zu tun hat? Trifft sie sich mit den wenigen privilegierten Seelen auf einen Cyber-Kaffee? Die Frage nach diesem Weiterleben mag vielleicht Philosophen interessieren - aber mein Interesse sank doch deutlich ab.

Tod, wo ist dein Stachel?

Nach diesen Gedankenspielen mag es überraschen, dass die "Abschaffung des Todes" dennoch als "Thriller" kategorisiert wurde. Windover stellt alsbald fest, dass es "Youvatar" und allen voran Peter Young nicht allzusehr gefällt, wenn das Geschäftskonzept auf den Prüfstand gestellt wird. So nimmt die Firma insbesondere Anstoß an einer Kurzgeschichte eines Krimischriftstellers namens Raymond Ferdurci. Als junger Mann hatte ihm ein Intelligenztest eine überproportional hohe Intelligenz bescheinigt, die er aber scheinbar nur dafür nutzt, um reißerische Krimis zu verfassen. Dennoch scheint ihm aber jetzt ein ungewollter "Volltreffer" gelungen zu sein, setzt doch Youvatar alles daran, das Erscheinen eines seiner Werke zu verhindern.

Natürlich ist damit Windovers journalistische Neugier geweckt und auf der Jagd nach den nötigen Informationen macht nun ein ungleiches Duo eine Reise durch Frankreich und die Benelux-Staaten. Selbstverständlich ist diese Reise nicht dem touristischen Interesse, sondern einer Flucht geschuldet, denn Windover/Ferdurci stellen schnell fest, dass sich eine Bande finsterer Halunken an ihre Fersen geheftet hat und ihrer unbedingt habhaft werden will. In diesem Strang hätte dann noch einmal richtig Spannung aufkommen müssen, aber viele der Bedrohungen und "Todesgefahren" sind so halbherzig geschildert, dass der Ausgang dann doch von vorneherein klar ist. Die Auflösung war für mich dann auch in ihrer Einfachheit nicht überzeugend und ehrlich gesagt, war für mich die spannendste Frage des Romans, warum Windovers Freundin Joy plötzlich den Kontakt zu ihm verweigert - und warum er das kaum hinterfragt. Ganz zum Schluss und ganz anders als gedacht, berührte mich aber dann immerhin, warum sich zumindest für Windover der Traum vom Weiterleben vielleicht doch noch erfüllt und wenn auch ganz anders als gedacht.

Fazit

Es hätte eine spannende Idee sein können - eine Firma präsentiert ein grandioses Konzept, ein fast unbekannter Autor stößt zufällig auf den Floh in der Logik und schon geht es rund. Neu wäre das sicherlich nicht gewesen - aber nachvollziehbar. Mit Eschbachs Ansätzen bleibt die Geschichte aber eines und das ist halbherzig und ein wenig zäh.

Die Abschaffung des Todes

Andreas Eschbach, Lübbe

Die Abschaffung des Todes

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