Ikarus: Sarah Conti ermittelt

  • Kein & Aber
  • Erschienen: September 2024
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Thomas Gisbertz
80°1001

Krimi-Couch Rezension vonOkt 2024

Wenn die menschliche Hybris tödlich endet.

Zürich stöhnt seit Wochen unter einem Hitzesommer. Ein Ende scheint nicht in Sicht. Die Bewohner erhoffen sich vom angekündigten Gewitter in der Nacht etwas Abkühlung. Doch das Unwetter, das über der Stadt niedergeht, beschert der Kriminalpolizistin Sarah Conti aber etwas ganz anderes: eine männliche Leiche. Bei einem Wehrmännerdenkmal außerhalb der Ortschaft Forch auf dem Wassberg finden Conti und ihr Team den verbrannten Leichnam eines bekannten Facharztes für Schizophrenie und Depressionen. Der Mord ist regelrecht inszeniert. Ein Akt der Grausamkeit: Dr. Meinrad Freyer wurde gefesselt und später vom Blitz getroffen. Das Opfer arbeitete als Psychiater in einer nahegelegenen Privatklinik. Doch die scheinbar perfekte Fassade des geschätzten Arztes und Familienvaters bekommt immer mehr Risse: Der 48-Jährige hielt nicht viel von Treue und war darüber hinaus ein Narzisst vom Feinsten. Und dennoch scharrten sich Kollegen, Patienten und Freunde um den Mann mit der Allüre des Allwissenden. Sarah Conti erkennt zunehmend die dunkle Seite des Arztes und legt ein erschreckendes Geheimnis frei.

Eloquenz und Wissen

Der Züricher Schriftsteller Fabio Lanz ist wahrlich ein Meister des kunstvollen Kriminalromans ist. Dies hat der Schweizer bereits mit den ersten beiden Bänden seiner Zürich-Reihe um die Ermittlerin Sarah Conti eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Fabio Lanz ist das Pseudonym des Journalisten, Publizisten, Essayisten und Buchautors Martin Meyer. Dieser war bis 2015 Feuilletonchef der „Neuen Züricher Zeitung“. Erneut erweist sich Lanz mit seinem aktuellen Roman „Ikarus“ als literarischer Stilist, der mit einer kunstvollen, dennoch klaren und ausdrucksstarken Sprache beeindruckt. Zum Markenzeichen seiner Conti-Romane gehören neben den elegant eingewobenen Bezügen zur Musik, Literatur, Kunst und Philosophie mittlerweile auch die ungewöhnlichen Mordmethoden der Täter.

Dem aktuellen Roman „Ikarus“ fehlt es aber im Vergleich zu den beiden vorherigen Bänden bei aller literarischer Qualität ab und an etwas an Leichtigkeit und kriminalistischer Finesse. Dies mag daran liegen, dass der kluge sprachliche Ausdruck mitunter etwas zu erdrückend auf den Erzählfluss wirkt und die Aufklärung des Falles dadurch zu sehr an den Rand drängt. Bei aller Begeisterung für den besonderen Erzählstil und die inhaltliche Fülle sollte es stets der Kriminalfall sein, der im Zentrum der Erzählung steht.

Dafür überzeugen einmal mehr die wunderbaren Dialoge, die ihren Höhepunkt sicherlich im finalen Verhör Contis mit dem Täter finden: ein bedrückendes, psychologisches Duell in einer kammerspielartigen Atmosphäre. Überhaupt ist Lanz ein hervorragender Beobachter, der es versteht, den Geist Zürichs und seiner Bewohner einzufangen und in ausdrucksstarke Bilder zu kleiden. Auch das literarische Leitmotiv des Feuers webt der Autor überaus geschickt in seinen Roman ein: sei es in Musik, Kunstwerken, Vergleichen oder Figuren. So kommt selbst das Opfer zu Lebzeiten wie die Titel gebende mythologische Gestalt des Ikarus‘ der „Sonne“ in seiner grenzenlosen Hybris zu nah.

Freiheit über alles

Fabio Lanz‘ Romanreihe um die sympathische Ermittlerin Sarah Conti ist sicherlich alles andere als gewöhnlich. Die im Inneren sehr sensible Kriminalpolizistin ist ein Feingeist und legt Wert auf gutes Essen und vor allem Musik, die sie besonders durch den Abend trägt und nicht selten Spiegelbild ihres inneren Empfindens ist. Dabei ist Conti sicherlich kein Gesellschaftsmensch. Im Gegenteil: In Gegenwart von Menschen fühlt sie sich schnell eingeengt. Die Ermittlerin braucht ihre Freiheit und einen selbstbestimmten Rhythmus. Muss Herrin über ihr Leben bleiben. Dies ist auch der Grund, warum sie sich auf unbestimmte Zeit von ihrem Freund und Geliebten Fred lossagt.

Sarah Conti, die nun seit zehn Jahren bei der Züricher Kantonspolizei in der Ermittlungsabteilung Gewaltkriminalität ermittelt, genießt spätestens seit ihrem letzten Fall im Kunstmilieu bei Kollegen und auch den Menschen der Stadt einen hervorragenden Ruf. Den Erfolg hat die Ermittlerin aber auch ihrem Team zu verdanken: dem bodenständigen Kollegen Carl Vormüller und der jungen, engagierten Assistentin Lisa, für die Sarah zunehmend zur Mentorin wird. Das Team ermittelt durchaus selbstbewusst und unkonventionell, was Staatsanwalt Ochsner zunehmend ein Dorn im Auge ist.

Fazit

Der Schweizer Fabio Lanz sucht mit seinen stilvollen Kriminalromanen weiterhin seines Gleichen. Die Romane sind aber durchaus anspruchsvoll - eine gewinnbringende, aber sicherlich keine einfache Lektüre für Zwischendurch. Mit seinem gedanklichen Reichtum, der ausdrucksstarken, eloquenten Sprache und den zahlreichen Bezügen aus der Musik, Literatur und Kunst ist Fabio Lanz ein Autor, der in keinem Bücherregal fehlen sollte.

Ikarus: Sarah Conti ermittelt

Fabio Lanz, Kein & Aber

Ikarus: Sarah Conti ermittelt

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