Kalte Flut

  • Heyne
  • Erschienen: Juli 2024
  • 2
Kalte Flut
Kalte Flut
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Thomas Gisbertz
60°1001

Krimi-Couch Rezension vonJul 2024

Drei Millennials auf Mördersuche

In einer kalten Oktobernacht findet das Ermittlerteam um Anton Koivu und Oona Laine von der Kripo Helsinki am schlammigen Ufer der Insel Lauttasaari den toten Körper des ehemaligen Geschichtslehrers Harri Vaara. Es deutet alles darauf hin, dass er erdrosselt wurde. Seine Tochter Ronja, die seit vielen Jahren in London lebt, macht sich sofort auf den Weg in ihre alte Heimat. Dort trifft sie auf ihre Jugendfreundinnen Milla und Anksu. Während die Ermittlungen der Polizei zunächst ergebnislos bleiben, macht sich das Trio selber auf die Suche nach dem Täter. Doch je tiefer sie in Harris Vergangenheit eintauchen, desto rätselhafter erscheint das Leben von Ronjas Vater. Warum erhielt er 37 Jahre lang immer dieselbe Postkarte und bewahrte diese auf? Wer ist die Unbekannte auf den alten Polaroidfotos, die sie zufällig finden? Und wer hat sich in den letzten Wochen regelmäßig mit dem zurückgezogen lebenden Harri getroffen? Während Ronja zunehmend das Gefühl beschleicht, beobachtet zu werden, muss sie erkennen, wie wenig sie eigentlich über ihren Vater weiß.

Nordic Crime aus Finnland

Die finnische Kriminalliteratur hat in den letzten Jahren vor allem dank Max Seeck und Arttu Tuominen auf sich aufmerksam gemacht. Nun erscheint im Heyne-Verlag der Auftakt einer neuen Krimireihe der finnischen Autorin Eeva Louko. Den unerwarteten Tod ihres Vaters 2015 nahm Louko, die eigentlich als Reporterin arbeitet, zum Anlass, sich ihren Kindheitstraum vom Schreiben zu erfüllen. Neben dem Job und ihren zwei Kindern blieb zunächst jedoch wenig Zeit. Erst als sie einen Vertrag mit einem finnischen Verlag abschließen konnte, stürzte sie sich richtig in ihr Projekt. 2022 erschien dann ihr erster Kriminalroman „Mord auf der Insel der Glückseligkeit“, wie ihr Debüt im Original heißt. Die Ronja-Vaara-Serie umfasst mittlerweile bereits drei Bände. In Finnland erfreuen sich die Romane um die drei Freundinnen Ronja, Milla und Anksu großer Beliebtheit.

Drei Millennials

Im Mittelpunkt der neuen Kriminalreihe steht diesmal kein älterer Ermittler, der von seinem Berufs- und Privatleben frustriert ist. Stattdessen geht es um eine Clique dreier Freundinnen, die sich nach einigen Jahren wieder näherkommen. Denn die jungen Frauen, die allesamt um die dreißig Jahre alt sind, verbindet nicht nur eine gemeinsame Schulzeit, sondern auch eine tiefe Freundschaft. Die drei Hobbydetektivinnen haben aber natürlich alle ihre ganz eigene Biografie. Ronja lebt seit 15 Jahren im Ausland und kehrt erst jetzt notgedrungen in ihre Heimat zurück, Milla ist verheiratet und bereits mehrfache Mutter, während sich Anksu die Zeit mit Tinder-Dates vertreibt. Hier lernt sie auch Kommissar Anton Koivu kennen, was zu mancher unangenehmen Situation führt.

Ronja traut dem Ermittlerduo Oona Laine und Anton Koivu nicht wirklich zu, dass sie der Aufgabe ihm Rahmen der Mordermittlung gewachsen sind, daher stellt sie selber mit ihren Freundinnen Nachforschungen an. Scheinbar fühlt sie sich als Reporterin dazu berufen. Mit ihren journalistischen Fähigkeiten ist es aber nicht weit her, besteht ihre Recherchearbeit doch vor allem aus Nutzung einer bekannten Suchmaschine im Internet. Da verwundert es kaum, dass Ronja aktuell arbeitslos ist. Ihre Freundinnen Milla und Anksu dienen bei der Suche nach dem Mörder lediglich dem Gedankenaustausch bei diversen Saunagängen oder beim Sport am Strand. Überhaupt dominieren diesmal die Frauen die Handlung. Wenn Männer im Roman eine Rolle spielen, sind diese entweder Verdächtige, langweilige Ehemänner oder bereits tot.

Wenig Überraschendes

Die Grundidee des Romans ist durchaus stimmig, die Umsetzung aber leider allzu oft vorhersehbar und in seiner Erzählweise einfach gestrickt. Bis zur Lösung ergehen sich alle Beteiligte mitunter in wilden Spekulationen und abstrusen Verdächtigungen, was leider nicht selten eher an spannende Jugendromane erinnert. Der Lieblingssatz der Figuren ist dann auch: „Das muss gar nichts bedeuten, aber...“. Das Ganze wird garniert mit einer Prise „Mystik“, wenn unter anderem die Empfangsdame in der Sauna (!) unheimliche Andeutungen macht. Dass Personen auf zufällig gefundenen, alten Polaroidfotos selbstredend mit dem Mord in Verbindung gebracht werden, ist ein typisches Beispiel dafür, dass vieles im Roman arg konstruiert ist und überzogen wirkt. Das Ende kann dann auch nicht gerade überraschen, gab es zuvor doch genügend Hinweise darauf.

Fazit:

Drei Millennials begeben sich als Hobbydetektive auf Mördersuche. Das wird nicht jedem zusagen. Die Sprache und Erzählweise der Autorin wirkt noch wenig ausgefeilt, richtige Spannung mag sich nicht wirklich einstellen. Trotz guter Grundidee ist „Kalte Flut“ insgesamt nur ein durchschnittlicher Kriminalroman, der eher eine jüngere Leserschaft ansprechen dürfte.

Kalte Flut

Eeva Louko, Heyne

Kalte Flut

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