Die Tote von Nikosia
- Ullstein
- Erschienen: Mai 2024
- 1
Unterhaltsames und spannendes Debüt.
Hannah Essing kam als Studentin nach Zypern. Wie sie selbst sagt: „Mit Halbwissen ausgestattet und nervös“ und vor allem ohne auch die geringste Ahnung zu haben, dass sie fünf Jahre später ihr Krimi-Debüt schreiben und dieses genau hier, in Nikosia, handeln würde.
Eine Tote in der UN-Pufferzone
Monika Marx ist Deutsche und Ex-Polizistin. Ihr Rheuma und auch ihre traumatischen Erlebnisse im Job haben sie in die vorzeitige Rente getrieben. Die verbringt sie in Nikosia auf Zypern, der Hitze wegen und auch der Distanz zu Deutschland, wo ein Ex-Ehemann und eine, ihr gegenüber sehr distanzierte, Tochter leben. Doch ihr Beruf ist auch Berufung und so arbeitet sie als Beraterin bei der griechischen Polizei. Deshalb ist sie auch nicht verwundert, als ihr Telefon klingelt und ihr der Chef der griechischen Polizei einen gewaltsamen Tod meldet. Merkwürdig ist nur, dass sich das Opfer in der neutralen UN-Pufferzone befindet, die man nicht unkontrolliert verlassen oder betreten kann. Und ausgerechnet jetzt kommt auch noch Noah aus Deutschland an, ein junger Journalist, dem sie bei Recherchen helfen will. Die beiden ermitteln und müssen dafür mit den ganz speziellen Problemen der Insel zurechtkommen, die dann auch viel mit der Lösung des Falles zu tun haben.
Ein unglaublich spannendes Setting
Zypern ist eine geteilte Insel – der griechische Süden mit der Republik Zypern, die Anspruch auf die ganze Insel erhebt und der Norden als Türkische Republik Nordzypern, die von der Türkei verwaltet wird und von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt ist. Zwischen den beiden Staaten befindet sich die UN-Pufferzone, die auch Nikosia durchzieht und sie damit zur nunmehr einzigen geteilten Hauptstadt der Welt macht. Natürlich gibt es mehr als genug Probleme zwischen den beiden Staaten und ihren Bewohnern. Beide Seiten betrachten sich argwöhnisch. Die Grenze ist durchlässig, der Zugang für Türken aus Nordzypern zur Republik Zypern unterliegt allerdings strengen Auflagen. Dennoch haben beide Teile der Insel viel gemeinsam: Kultur, Geschichte, Speisen, Trennung und Vertreibung ist allen gemeinsam. Zypern als Setting für einen Krimi zu wählen, ist überaus spannend. Und Hannah Essing schafft es, das auch sehr gut zu vermitteln. Immer wieder geht sie, quasi en passant, auf das Spezielle auf Zypern ein. Das Leben der UN-Truppen kommt ebenso vor, wie das Leben auf beiden Seiten der Pufferzone. Selbst die Hitze und den Durst kann man fast spüren. Doch man hat nie das Gefühl, einen Infodump abzubekommen, im Gegenteil – die vielen Informationen werden in das Geschehen eingebunden und machen den Kriminalfall noch spannender und packender.
Spannender Fall und einmalige Charaktere
Der Fall kann sich so auch nur auf Zypern entwickeln: Eine tote junge Frau wird innerhalb der UN-Pufferzone gefunden, obwohl sie diese nachweislich über den Checkpoint verlassen hat. Das allein verspricht schon eine packende Geschichte und das Setting tut seines dann noch dazu. Doch was den Krimi wirklich unterhaltsam macht, sind die Charaktere. Bis in die Nebenfiguren hinein schafft es die Autorin sie authentisch und absolut glaubwürdig zu machen. Von der jungen und ehrgeizigen UN-Kommandantin über den kurz vor der Pensionierung stehenden Gerichtsmediziner bis hin zu den beiden sich misstrauisch beäugenden Kommissaren aus Süd- und Nordzypern ist jede ein Unikat. Und dann die beiden Hauptfiguren – Moni und Noah – einfach wunderbar gegensätzlich. Moni ist chaotisch, forsch und lässt sich von nichts und niemanden einschüchtern. Gerade der ihr eigentlich sehr zugetane griechische Kommissar Savvidis bekommt das immer wieder zu spüren. Nur ihr Rheuma bringt Moni manchmal an ihre Grenzen, was sie aber von einem guten Schluck Wein (oder auch mehreren) nicht abhält. Noah ist genau das Gegenteil. Obwohl er Monis Sohn sein könnte, ist er weit weniger chaotisch und draufgängerisch, aber er wächst für eine gute Recherche schon einmal über sich hinaus... Er ist noch nie aus der elterlichen Wohnung hinausgekommen und läuft fast wie ein scheues Entlein durch Nikosia. Aber er hat Potential, was auch Moni erkennt – und das nicht nur in Bezug auf das Kochen.
Diese Lektüre macht einfach Spaß
Als Debütant in Sachen Bücherschreiben muss man vieles beachten und kann mindestens genauso viele Fehler machen, auch wenn man wie Hannah Essing schon Kurzgeschichten und Lyrik geschrieben hat. Doch hier stimmt alles, die Autorin hat sich erstklassig geschlagen. Die Geschichte ist genau die richtige Mischung aus Regio und Cozy und wartet dazu mit einem guten Schluss auf. Der ist vielleicht ein wenig vorhersehbar, aber dennoch packend. Es macht einfach Spaß, dem ungleichen Duo Moni und Noah bei ihren Recherchen zu folgen und dabei auch noch die Insel kennenzulernen.
Fazit
Hannah Essing ist noch neu in der Krimi-Szene, doch ihren Namen sollte man sich merken! Ihr Debüt überzeugt rundum, ist im positivsten Sinne wenig anspruchsvoll und damit eine überaus gute Sommerlektüre. Das Duo Moni und Noah sollte unbedingt noch mehrmals ermitteln! Ich jedenfalls würde mich über eine Serie mit den beiden sehr freuen.
Hannah Essing, Ullstein
Deine Meinung zu »Die Tote von Nikosia«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!