Durchgehend packender Krimi.
Die 1972 in Akranes geborene Isländerin Lilja Sigurðardóttir schreibt neben erfolgreichen Theaterstücken auch vielbeachtete Krimis. Mit ihrer Island-Trilogie eroberte sie ab 2020 die Herzen deutscher Krimi-Fans. Die ab 2023 begonnene Áróra-Jónsdóttir-Reihe steht dieser Serie in nichts nach. Nach „Höllenkalt“ und „Blutrot“ darf man nun mit „Schneeweiß“ zum dritten Mal an der Seite der privaten Finanzermittlerin Verbrecher jagen.
Ein Container mit toten Frauen
Es ist dunkel und kalt in Reykjávik als das Grauen über Polizist Daníel Hansson und seine Kollegen von der Kriminalpolizei hereinbricht. In einem abgestellten Container werden mehrere tote Frauen gefunden, scheinbar Flüchtlinge. Es gibt nur eine Überlebende. Daníel ermittelt im wohl brutalsten Verbrechen seiner Laufbahn. Gleichzeitig wird Áróra mit der Recherche über einen Russen beauftragt, der ganz offensichtlich durch Heirat eine Aufenthaltserlaubnis für den Schengen-Raum erhalten will. Als klar wird, dass beide Fälle zusammenhängen, wird es gefährlich für Daníel und Áróra und auch für die Überlebende aus dem Container.
Spannende Figuren ...
Man kann auch jetzt noch, wie ich, mit dem 3.Band in die Reihe einsteigen, denn jeder behandelt einen abgeschlossenen Fall. Auch mit den Figuren kommt man sofort klar, auch wenn sie natürlich nicht explizit eingeführt werden. Daníel ist mehrfach geschieden und Vater von zwei Kindern, die immer mal wieder einige Zeit bei ihm wohnen. Er schlüpft in die ansonsten Frauen zugedachte Rolle: Alleinerziehender, der sich zwischen Familie, Beruf und Haushalt aufreibt. Dazu ist er ein sehr einfühlsamer Polizist, dem die Menschen am Herzen liegen. Am Herzen liegt ihm auch Áróra, so wie er ihr, doch wollen beide das nicht so richtig realisieren. Dagegen ist schnell klar, dass Áróra an einem Trauma leidet: Sie sucht seit einiger Zeit ihre Schwester, die spurlos verschwand – und nicht nur das, Áróra gibt sich auch die Schuld daran. Körperlich fit hält sich die hochaufgeschossene Frau mit Krafttraining, Boxen und jeder Menge Shakes. Als private Finanzermittlerin kommt sie Leuten auf die Spur, die den Staat oder Privatpersonen betrügen wollen. Das bringt ihr jede Menge Geld ein, das sie ebenso sehr liebt, wie ihre Unabhängigkeit. Es ist sehr erfrischend, die sonst so gerne bemühten Frauen- und Männerklischees einmal vertauscht zu sehen. Gerade dieser Tausch macht einen gewissen Reiz dieser Geschichte aus, die ansonsten leider mit nur ziemlich pauschalen Charakteren aufwarten kann.
… in spannender Geschichte
Lilja Sigurðardóttir erzählt den Krimi in angenehm kurzen Kapiteln und in einem Stil, der flüssig zu lesen ist. Dabei begleiten wir immer wieder unterschiedliche Akteure: Natürlich Daníel und Áróra, aber auch Helena, Daníels Kollegin, und Bisi, die Überlebende aus dem Container, die uns in Rückblicken zeigt, was sie erleben musste. Das Geschilderte ist durchweg spannend, denn neben dem unglaublich packenden Plot, ist es wieder einmal das unvergleichliche Island, das punkten kann. Die Kälte und die Dunkelheit während des Winters sind greifbar und die fantastische Landschaft tut ihren Rest, auch wenn sich das Meiste in Reykjavík abspielt. Der Schluss versöhnt dann auch noch mit der Tragik der Geschichte und hält zeitgleich ein Fenster für den nächsten Band offen.
Fazit
Island-Noirs sind einfach immer wieder eine Klasse für sich! Das beweist auch „Schneeweiß“ wieder einmal eindrücklich. Lilja Sigurðardóttir packt ein Thema an, das ebenso tragisch, wie spannend ist. Man bekommt eindeutig Lust auf mehr von Áróra und Daníel. Der bereits auf Englisch erschienene 4. Teil lässt auch die Fans in Deutschland diesbezüglich hoffen.
Lilja Sigurðardóttir, DuMont
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