Der Mann mit der entstellten Lippe
- Holysoft
- Erschienen: Januar 2024
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Die Holmes-Version von Hermann Media.
Der Erfolg von Sir Henri Conan Doyle mit seiner Figur Sherlock Holmes ist ein generationsübergreifendes Phänomen. Das gilt für Buch, Film/Fernsehen und Hörspiel. Obwohl die Stories fast hundert Jahre auf dem Buckel haben, stehen uralte Hörspiele regelmäßig in den Charts der ARD Audiothek auf den Spitzenplätzen. Aber auch der kommerzielle Markt ist nicht gesättigt. 2023 sind bei Maritim in den Chronicles (104) und bei Holysoft Legends (21) und Hermann Media Classics (April 24) Hörspiele zu dem Mann mit der entstellten Lippe erschienen. Holysoft und Hermann Media haben den Ehrgeiz den kompletten Kanon einzuspielen
Inhalt
Im Hause Watson klingelt es spätabends. Eine Freundin von Mary bittet dringend um Hilfe: Ihr Mann wird seit zwei Tagen vermisst. Sie vermutet ihn in einer Londoner Opiumhöhle. Watson lässt sich nicht lange bitten und begibt sich in die Londoner Unterwelt. Entsprechend verwirrt findet er dort den Mann vor. Aber nicht nur ihn. Er entdeckt auch noch den verkleideten Sherlock Holmes. Ist der jetzt auch noch dem Opium zugetan? Doch Holmes beruhigt ihn. Er ist dienstlich unterwegs. Auf der Suche nach dem wohlhabenden Neville St. Clair. Seine Frau hat ihn vor wenigen Tagen am Fenster dieser Opiumhöhle gesehen und sofort die Polizei gerufen. Aber Neville war nicht aufzutreiben. Stattdessen fand man Blutspuren, offenbar von einem Kampf. Kurze Zeit später findet die Polizei im nahegelegenen Fluss die Kleidung von Neville. In der Tasche ein Berg von Kupfermünzen. Die Gäste der Opiumhöhle waren zugedröhnt und haben nichts mitbekommen. Der einzige Verdächtige ist der stadtbekannte, heruntergekommene Bettler mit der schiefen Lippe. Er wird vorläufig festgenommen. Holmes und Watson aber machen sich im stattlichen Anwesen des Neville St. Clair auf Spurensuche. Dort findet Holmes einen möglichen Schlüssel zum Verbrechen. Aber dazu muss er den Bettler befragen.
Das Hörspiel
Über die Handlung sollte man den Mantel des Schweigens decken. Aus moderner Sicht sind diese kurzen Geschichten eher abseitig und wenig realistisch. Aber sie bieten eine tolle Szenerie für Hörspiel und Film: Zwei kluge, sympathische Ermittler; die Atmosphäre des alten Englands und den Reiz des immer unerwarteten Plots. Diese Fassung verzichtet auf jede Art von Modernisierung, ohne angestaubt zu klingen. Da klappern schon mal die Pferdehufe. Sie orientiert sich sehr stark an der Vorlage, die vom Autor Ascan von Bergen übersetzt und adaptiert wurde. Das bedeutet natürlich, dass die Story aus der Sicht von Watson erzählt wird.
Die Szenenfolge ist geschickt, das Tempo angemessen. Mit Opiumhöhle, Herrenhaus und Gefängnis gibt es hörenswerte Klangkulissen. Das alles wird mit einer filmreifen orchestralen Musik hinterlegt, die dem Ganzen zusätzliche Spannung gibt. Das A und O einer Dauerserie sind natürlich die Sprecher. Der vielstimmige Tim Gössler spricht einen eher jungen Holmes, Marc Schülert den älteren Ratgeber. Beide machen es sehr gut und haben Dauerliebhaber verdient. Die Nebenrollen sind etwas übertrieben, die Frauenstimmen wie so oft etwas quietschig.
Auf jeden Fall ein Hörspiel, welches sehr gut neben den berühmten Fassungen bestehen kann.
Die Anderen
Die Fassung von Holysoft (Legends 12) ist länger und deutlich weniger opulent, wenig Musik, sparsame Geräuschkulisse. Auch hier spielt die Geschichte im guten alten England. Allerdings tritt hier Watson nicht als Erzähler auf. Holmes und Watson ergänzen wichtige Inhalte in der Ich-Form. Zugleich bemüht sich diese Version darum, manche sehr knapp gehaltenen Szenen des Originals anschaulicher zu beschreiben und die deduktive Komponente von Holmes auszuschmücken. Dies führt leider zu einigen Längen. Die Stimmen von Watson und Holmes klingen nicht besonders ausgeprägt. Die Nebenrollen allerdings überzeugender. Die Frau von Neville St. Clair ist hier selbstbewusst und stark. Lestrade spielt eine nicht vorhandene Nebenrolle im Text.
In der Audiothek gibt es eine legendäre(kürzere) Fassung von 1963 mit Peter Pasetti unter dem Titel „Der Mann mit der Hasenscharte“ mit einem sehr selbstsicheren Watson. Hörenswert ist auch die Musik von Peter Zwetkoff, die sich eng am Text orientiert. Wenn der Malaie auftritt, klingt es schon asiatisch.
Eric Zerm, Holysoft
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