Der Zögling (Washington Poe und Tilly Bradshaw ermitteln 1)
- Droemer
- Erschienen: November 2024
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Genau so muss Spannungsliteratur sein!
Ein Großgrundbesitzer, ein Anwalt, ein Medienstar und ein Gemeinderatsmitglied: Alle fallen dem „Immolation Man“, dem „Brandopferer“, wie ihn die Presse nennt, zum Opfer. Einige werden gefoltert, allen werden die Genitalien abgeschnitten. Anschließend verbrennt der Täter sie bei lebendigem Leibe. Der Tatort: uralte Steinkreise in der Grafschaft Cumbria. Dabei hinterlässt der Brandopferer keinerlei Spuren oder Hinweise. Die Ermittler ziehen die SCAS hinzu, eine Spezialeinheit der Polizei, die analytische Unterstützung bei der Suche nach Serientätern anbietet. Doch zuvor muss deren bester Mann, DS Washington Poe, nach einer Suspendierung erst wieder in den Dienst zurückgeholt werden, denn der Täter hat dessen Namen in die Brust des letzten Opfers eingeritzt. Gemeinsam mit Stephanie Flynn, seiner Nachfolgerin auf den Posten des Detective Inspectors, und der Analystin Tilly Bradshaw, einer äußerst unbedarften, aber fachlich exzellenten jungen Frau, macht sich Poe auf die Suche nach dem sadistischen Mörder. Dabei stoßen sie auf ein streng gehütetes Geheimnis aus der Vergangenheit, das das Ermittlerteam auch mental an seine Grenzen bringt. Dabei scheint der Täter den Ermittlern immer einen Schritt voraus zu sein.
Soldat, Bewährungshelfer, Krimiautor
Mike W. Craven kam auf einem eher ungewöhnlichen Weg zur Schriftstellerei. Der mehrfach preisgekrönte Sunday Times-Bestsellerautor trat als Jugendlicher in die britische Armee ein. Nach zehn Jahren beim Militär begann er Sozialpädagogik zu studieren. Bevor er sich schließlich höchst erfolgreich und in Vollzeit dem Schreiben von Krimis und Thrillern widmete, arbeitete er beinahe zwei Jahrzehnte lang als Bewährungshelfer.
„Der Zögling“ ist der erste Band um den zynischen Ermittler DS Washington und nach „Der Botaniker“ (Band 5) der zweite, der im Droemer Verlag veröffentlicht wird. Allerdings erschien der Roman das erste Mal bereits 2018 bei Weltbild unter dem passenden, aber beinahe romantisch klingenden Namen „Flammen der Vergeltung“. Obwohl der erste Teil der Washington-Poe-Reihe 2019 mit dem renommierten Krimipreis CWA Gold Dagger ausgezeichnet wurde, war der Erfolg hierzulande eher mäßig. Dies änderte sich schlagartig mit der Veröffentlichung des „Botanikers“ (2023). Ein Krimimeisterwerk, das sowohl zum Miträtseln einlädt, gleichzeitig voller Humor und skurrilen Einfällen und wunderbaren Dialogen ist. Wer die Reihe mag, muss diesmal nicht allzu lang warten: Anfang Februar 2025 erscheint in Deutschland mit „Der Gourmet“ bereits der zweite Teil der Reihe.
Spannung, ein cleverer Plot und starke Protagonisten
Die englische Krimireihe bietet weit mehr als nur brutale Morde und verrückte Serienkiller. Das Herzstück der Romane ist die platonische, sich allmählich entwickelnde Freundschaft zwischen Washington Poe und der unkonventionellen Tilly Bradshaw. Besonders der Umgang der beiden Einzelgänger macht den Reiz der Fälle aus. Poe ist der Experte in Sachen Serientäter und einer der besten englischen Detectives. Er ist intuitiv und unerbittlich, hat keine Angst davor, zu tun, was getan werden muss. Dies brachte ihm auch vor rund einem Jahr eine Suspendierung ein, nachdem er indirekt für Gerechtigkeit gesorgt hat. Poe, der mit seinem Hund Edgar in einem abgelegenen alten Steinhaus in Mitten der Natur Cumbrias lebt, legt sich mit jedem an und gibt sich nicht mit der erstbesten Erklärung auf der Suche nach dem Täter zufrieden.
Daneben gibt es die Analystin Tilly Bradshaw: brillant, bezaubernd unbeholfen und ein soziales Desaster. Stets unsicher, fast verängstigt, aber mit einem außergewöhnlichen Verstand gesegnet. Sie scheint in der realen Welt kaum überlebensfähig, ist aber ein Genie in den digitalen Welten. Soziale Situationen sind für sie extrem schwierig, da sie alles wörtlich nimmt und auch selber stets distanzlos agiert. Nonverbale Kommunikation versteht sie nicht: Entweder verweigert sie jeglichen Blickkontakt oder starrt jemanden eindringlich an. Ironie ist ihr ebenso fremd wie Sarkasmus, was sie und ihrer Kollegen in so manch unangenehme Situation bringt. Es gibt quasi keinen Filter zwischen Gehirn und Mund. Poe mag Tillys unbedarfte Art aber und setzt sich für sie ein - was durchaus auch physischer Natur sein kann.
Extrem kurzweilig
Man spürt auf jeder Seite, wie viel Freude der Roman dem Autor selber bereitet. Mal spannend und brutal, mal nachdenklich und erst, dann aber auch wieder urkomisch und skurril. M. W. Craven bedient die gesamte Bandbreite dessen, was er als Vielleser (nach eigenen Angaben 100-120 Titel, bevorzugt amerikanische Autoren) an Kriminalromanen selber schätzt. Von allem etwas, aber von nichts zu viel - das ist das Geheimnis der Reihe um Washington Poe und Tilly Bradshaw. Liebhaber des klassischen Kriminalromans werden daher die Romane ebenso lieben wie die der humorvollen Unterhaltung. Vor allem gestaltet Craven seinen Roman erneut um ein sehr ernstes und trauriges Thema, das das Motiv des Täters beinahe schon als nachvollziehbar und verständlich erscheinen lässt.
Fazit
Cravens Kriminalromane sind ein absolutes Must-Read! Besser kann ein Autor seine Leser mit einem packenden und gleichzeitig absolut witzigen Buch nicht unterhalten. „Der Zögling“ ist Spannungsliteratur, wie man sie sich nur wünschen kann. Man muss sich vor Verwunderung die Augen reiben, weshalb ein derart begnadeter Autor wie Mike W. Craven solange hierzulande unentdeckt blieb. Das dürfte sich aber spätestens mit dem zweiten Band nun ändern.
M.W. Craven, Droemer
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