Die April-Toten

  • Polar
  • Erschienen: September 2024
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Thomas Gisbertz
88°1001

Krimi-Couch Rezension vonSep 2024

Packende Fortsetzung der Glasgow-Reihe.

12. April 1974: Im einem nördlichen Stadtteil Glasgows geht ausgerechnet an einem Karfreitag eine Bombe hoch. Schnell kommt daher der Verdacht auf, dass die IRA dahinterstecken könnte. Aber warum sollte die paramilitärische Gruppe eine Mietwohnung in die Luft sprengen? Während der Glasgower Polizist Harry McCoy und sein Partner Douglas „Wattie“ Watson davon ausgehen, dass sich ein dümmlicher Attentäter aus Versehen selbst in die Luft gesprengt hat, wird die schottische Metropole von weiteren Bombenanschlägen heimgesucht.

Gleichzeitig unterstützt McCoy einen US-Amerikaner bei der Suche nach seinem vermissten Sohn, der sich unerlaubt von einer US-Marinebasis entfernt hat. Bald wird dem Polizisten klar, dass dieser möglicherweise ein Teil jener Organisation ist, die hinter den Anschlägen steckt. Von einem gefährlichen Fanatiker angeführt setzt diese sich für ein neues Schottland ein.

Der gerade erst aus dem Gefängnis entlassene Stephie Cooper, McCoys krimineller Jugendfreund, bittet den Cop ebenfalls um seine Hilfe. Er ist überzeugt, dass er einen Verräter in seiner Mitte hat, der ihn gerne tot sehen würde. Als sich auf den Straßen herumspricht, dass weitere Explosionen in Glasgow geplant sind, muss McCoy nicht nur die Täter finden, sondern auch seinem Freund Stephie helfen und gegen die Korruption in den eigenen Reihen kämpfen. Ein schmaler Grat zwischen moralischer Verpflichtung und gesetzlicher Grenzen.

Fortsetzung der Glasgow-Reihe

Autor Alan Parks studierte an der Universität von Glasgow Philosophie. Nach seinem Abschluss als M.A. in Moralphilosophie arbeitete der Schotte als Creative Director bei London Records und später bei Warner Music, wo er für Acts wie All Saints, New Order, The Streets oder Gnarls Barcley zuständig war. Seine Affinität zur Musik der 70er-Jahre spiegelt sich auch in seinen Romanen wider. Im aktuellen Band ist es vor allem der ABBA-Song „Waterloo“, der ständig im Radio zum Ärger McCoys gespielt wird.

Die Romane des Schotten Alan Parks wurden mehrfach für Preise nominiert und ausgezeichnet. „Die April-Toten“, der nun erschienene vierte Band der Reihe, stand 2021 auf der Shortlist für den „McIlvanney Prize“ als bester schottischer Kriminalroman. Es ist dem Stuttgarter POLAR Verlag zu verdanken, dass die Reihe in Deutschland überhaupt fortgesetzt wird, nachdem Heyne Hardcore nach dem dritten Band 2021 keine weiteren Bände mehr veröffentlichte. Bleibt zu hoffen, dass auch die in Großbritannien erschienen Bände 5 und 6 hierzulande ebenfalls erscheinen werden.

Ungewöhnliches Setting

Die Serie spielt in Glasgow der 70er-Jahre. Autor Alan Parks besaß gute Gründe, sich für diesen eher ungewöhnlichen Schauplatz zu entscheiden, wie er in einem Interview 2020 mit der Krimi-Couch verriet. Er lebe aktuell nicht nur in der schottischen Hafenstadt, sondern habe dort in den 70er-Jahren viel Zeit bei Verwandten verbracht: „Diese Zeit ist mir sehr lebhaft in Erinnerung geblieben, daher schien es naheliegend, das Setting in meinen Büchern zu verwenden“.

Alan Parks‘ Romane erinnern atmosphärisch an die Werke den unvergesslichen William McIlvanney, der mit seiner in den 70ern erschienen Laidlaw-Reihe den Stil des Tartan Noir und damit eine ganze Generation schottischer Autoren nachhaltig prägte. Während McIlvanneys Schreibstil aber stimmungsvoller, beinahe poetisch war, ist Parks Sprache schnörkelloser, authentischer, aber auch härter und passt somit vielleicht sogar besser ist die Zeit, über die er schreibt. Die Erzählungen um den nach Gerechtigkeit strebenden Detective Harry McCoy haben ihren ganz eigenen Sound und sprengen in gewisser Weise auch die Fesseln des Tartan Noir. Parks schert sich auch gar nicht erst um derlei Genregrenzen, was seinen Romanen noch mehr Klasse verleiht. Der Schotte versteht es eindrucksvoll, Fiktion und Realität - mit der Distanz von etwa 50 Jahren - zu verknüpfen. Dadurch entsteht ein ganz eigenes Bild des dunklen, gewalttätigen und verruchten Glasgows der 70er-Jahre.

Kampf für Gerechtigkeit

Der vierte Fall für den Glasgower Polizisten Harry McCoy spielt 1974 vor dem Hintergrund der Spannungen zwischen Großbritannien und der IRA. Glasgow ist geprägt von sozialen Missständen und einem gesellschaftlichen Ungleichgewicht, was sich vor allem in den Problemvierteln der Stadt zeigt. In diesem Milieu agiert McCoy, der weiß, dass er die Welt nicht ändern kann, aber der sich dennoch für die einsetzt, die an den Rand des Systems gedrängt werden und seines Erachtens mehr Gerechtigkeit verdient hätten. Der Polizist lässt sich von seinem ausgeprägten Moralverständnis leiten und muss dafür auch rechtliche Grenzen überschreiten. Diese Ambivalenz zeigt sich nicht zuletzt in der Freundschaft zu zwei grundverschiedenen Männern: die zum Unterweltboss und Jugendfreund Stephie Cooper sowie die zu seinem Chef und väterlichen Freund Chief Inspector Murray. Was für McCoy am Ende aber alleine zählt, ist, dass die Menschen der Stadt etwas mehr Gerechtigkeit erfahren.

Thematisch vielfältig

Parks versteht es wie kaum ein anderer, die Leser ab der ersten Seite in das Glasgow der 70er-Jahre zu versetzen. In den verschiedenen additiven Handlungssträngen geht es selbstredend um Themen der Zeit: der IRA-Konflikt, der sich nicht nur wegen der Nähe zu Belfast bis in die schottische Metropole ausweitet, die im Verborgenen agierende nordirische Secret Army Division, Bandenkriminalität, Nationalismus und Loyalismus sowie Korruption. Während Glasgow in Parks‘ neuestem Roman erneut zu einem Schmelztiegel aus Konflikten, Terror und Kriminalität wird, besticht die Handlung mit schonungsloser Härte und einem extrem hohen Tempo.

Fazit

Parks‘ Romane sind mutig, hart und alles andere als gewöhnlich. „Die April-Toten“ ist eine fesselnde Erzählung über Verrat, Treue und Freundschaft. Alan Parks ist ohne Zweifel einer der besten schottischen Krimiautoren. Wenn es dessen noch eines Beweises bedurfte, liefert er ihn mit seinem aktuellen Band. Man hat sogar das Gefühl, dass er mit jedem Roman noch besser wird. Man darf also auf die nächsten Bände gespannt sein.

Die April-Toten

Alan Parks, Polar

Die April-Toten

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